Die Stadt Bergheim ist vom Strukturwandel direkt betroffen.
Wir haben mit Bürgermeister Volker Mießeler über die Ergebnisse der Wahl, zukunftsweisende Projekte und die Entwicklung der Innenstadt gesprochen.
Lesen Sie hier, warum Mießeler unter anderem mit Lukas Podolski im Gespräch ist.
Bergheim – Bergheims Bürgermeister Volker Mießeler bezeichnet die angebrochene Legislaturperiode als sehr wichtig im Hinblick auf die kommenden Jahrzehnte. Die Stadt Bergheim ist vom Strukturwandel direkt betroffen. Darüber, über die Zusammensetzung des neu gewählten Stadtrats und Projekte in und um Bergheim sprachen mit ihm Dennis Vlaminck und Niklas Pinner.
Herr Mießeler, wie interpretieren Sie die Ergebnisse der Kommunalwahl? Acht Gruppierungen sind in den neuen Stadtrat gewählt worden.
Volker Mießeler: Es hat mich gar nicht mal so sehr überrascht. Wenn man sieht, dass man mit 180 Stimmen schon einen Sitz im Rat bekommt, dann war eigentlich klar, dass eine Vielzahl von Gruppierungen im Rat vertreten sein werden.
Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit von CDU, SPD, FDP?
Es wird von einigen wenigen kritisiert. Ich muss sagen, es hilft uns, uns intensiver mit den Themen für Bergheim zu beschäftigen. Und Bergheim nach vorne zu bringen, ohne dass der Eindruck entsteht, dass Politik sich zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Es hilft uns, über breite Mehrheiten eine strukturierte Ratsarbeit zu gewährleisten.
Warum braucht es ein so breites Bündnis? Sind Mehrheiten nicht auch immer wieder herzustellen?
Ja, klar. Es wird auch viele Schnittmengen bei Themen geben, sodass Beschlüsse eine noch breitere Mehrheit finden. Das ist jetzt eine Basis, von der man weiß: Da wird man bei vielen Themen unterschiedlich an den Start gehen. Aber aus den unterschiedlichen Meinungen einen Konsens zu finden, im Sinne von „Ihr müsst es jetzt schaffen, euch zu verständigen“, finde ich, hilft, letztlich schneller zum Ergebnis zu kommen.
Zur Person
Volker Mießeler wurde am 14. Juni 1966 in Mechernich (Kreis Euskirchen) geboren. Er ist geschieden und hat einen Sohn.
Nach dem Abitur studierte er BWL an der Fachhochschule Köln, danach Verwaltungswirtschaft mit dem Abschluss Diplom-Verwaltungswirt.
Er arbeitete bei einem Bauunternehmen, dann als Regierungsinspektor bei der Justizbehörde NRW. Seit 1993 arbeitet er für die Stadt Bergheim.
Von 2015 bis 2017 war er Dezernent für Stadtentwicklung/-marketing und Betrieb öffentlicher Flächen. Seit 2017 ist er Bürgermeister.
Wie meinen Sie das?
Da kann sich niemand mehr zurückziehen und auf seinen Standpunkten beharren. Nein, die müssen sich vorher verständigen und das finde ich gut.
Die SPD hat viel verloren, die Grünen viel gewonnen. Sehen Sie in dem Bündnis den Wählerwillen abgebildet?
Die Grünen hätten sich mit einbringen können. Das erste Gespräch fand zwischen CDU und Grünen statt. Dass die CDU das Gespräch mit der SPD gesucht hat, find ich vollkommen in Ordnung. Gleichzeitig hat sie alle Türen für die demokratisch ausgerichteten Parteien geöffnet. Natürlich werde ich auch die Grünen konstruktiv mit einbinden. Und auch die Themen sind sicherlich vielfach mehrheitsfähig. Da sollte es kein Gegeneinander, sondern ein Miteinander geben. Für mich ist wichtig, dass die Strukturen so gewählt sind, dass rechte Strömungen erst gar keine Chance haben.
Ist die Opposition nicht zu klein?
Ist Opposition immer größenabhängig? Der Prozess, den CDU, SPD und FDP durchlaufen werden, wird auch geprägt sein von unterschiedlichen Meinungen. Es muss nicht immer die Opposition sein, um ein breites Spektrum an Meinungen in die Entwicklung zu bringen. Da gehören alle an einen Tisch. Die Ergebnisse sind durch die Bereitschaft geprägt, Themen konstruktiv und kompromissbereit anzugehen.
Thema Strukturwandel: Wie ist der Stand bei den Bergheimer Projekten?
Es gibt zahlreiche Projekte, die wir in der Pipeline haben. Zum Beispiel das Projekt Digitales Gemeinschaftskraftwerk. Das hat einen Stern bekommen (durch die Zukunftsagentur Rheinisches Revier, Anm. d. Red.). Der erste Stern besagt, dass es eine substanzielle Projektidee ist. Also, Idee ist gut und wird erst einmal weiterbetrachtet. Die Idee des Gemeinschaftskraftwerks in Zusammenarbeit mit Bedburg und Elsdorf ist sehr weit fortgeschritten. Um es förderfähig zu machen, muss ein moderner Gesichtspunkt mit einfließen. Das ist die Digitalisierung verbunden mit Versorgungssicherheit.
Was ist die Grundidee?
Wir begeben uns mit drei Städten auf den Weg, die Energiesicherheit in den nächsten Jahren sicherzustellen und das Thema erneuerbare Energien stärker in den Vordergrund zu rücken. Wenn wir das zu dritt auf den Weg bringen, sind wir stärker, als wenn jede Stadt das alleine macht. Es gilt, 110 000 Menschen zu versorgen. Ich gehe davon aus, dass die Gesellschaft am 1. Juli 2021 an den Start geht. Dann werden wir aber wohl noch nicht den dritten Stern haben.
Was heißt zweiter und dritter Stern?
Der zweite ist die Erkenntnis, dass es ein tragfähiges Vorhaben ist. Also noch mal einen Schritt weiter. Der dritte wäre die Zusage, dass es ein Strukturwandelprojekt ist, das bewilligungsbereit und förderfähig ist. Fördergelder zu bekommen, ist aber ein langer Weg. Wie lange es vom Antrag bis zur Bewilligung läuft, kann ich noch nicht sagen. Wir sind eben noch ganz am Anfang. Ich rechne, wenn es gut läuft, mit Sommer. Wohl aber eher zweites Halbjahr. Das ist eben etwas, das für uns alle neu ist.
Das Kraftraumshuttle hat ebenso einen Stern bekommen, der zweite wird in Kürze beantragt. Hier geht es im Wesentlichen um die Abdeckung der letzten Meile: von zu Hause bis zum Bahnhof oder zum Arzt zum Beispiel. Das soll über einen Shuttledienst erfolgen, in der Folge auch über autonomes Fahren. In Bergheim soll ein Pilotprojekt starten. In Sachen Klimahülle auf Terra Nova laufen gerade Gespräche mit dem Ministerium darüber, was wir für den zweiten Stern noch leisten müssen. Terra Nova ist ein Gebiet, das insgesamt als förderwürdig eingestuft wurde. Ob es dann die Klimahülle oder eine anderes Leuchtturmprojekt wird, bleibt abzuwarten.
Gibt es denn realistische Hoffnungen auf die Klimahülle?
Im Moment tut man sich etwas schwer mit der Energiebilanz. Wir haben aber auch Plan B, der jetzt ausgefeilt wird.
Wie sieht der aus?
Es geht ja um die Zielsetzung, dass neue Technologien, energierelevante Firmen und Start-Ups dort ihre Heimat finden. Ob das jetzt eine Hülle oder eine anders entwickelte Fläche ist – wichtig ist die Zielsetzung und die Möglichkeit, Firmen dort ansiedeln zu können, die sich weiterentwickeln, damit Arbeitsplätze entstehen. Es gibt aber noch viele andere Projekte, bei dem wir nicht immer der Antragsteller sind.
Rewe und Kino nebeneinander?
Ist der ganze Aufwand personell zu stemmen?
Es hat ja Verstärkung gegeben mit drei neuen Leuten in der Stabsstelle Strukturwandel. Wir brauchen aber auch Leute in der Stadtplanung. Aber es ist schwierig, auf dem Markt die Fachkräfte zu finden. Wir haben aber bisher immer unsere Soll-Stärke erreichen können.
Thema Innenstadt: Es gibt das große Innenstadtkonzept. Was sind die nächsten Schritte, die anstehen?
Die allererste Maßnahme ist die Erft, die nächste, die parallel läuft, ist momentan die finale Abstimmung über Rewe und/oder Kino an der Beißelstraße, auch wenn das nicht zum Insek gehört. Es hat ein Gespräch mit Richraths (Rewe-Betreiber, Anm. d. Redaktion) und Kinoplanerin gegeben. Wir sind auseinandergegangen mit dem Ziel, dass wir nach einer Lösung suchen, die beides ermöglicht. Die Kinoplanerin wird einen Planentwurf erarbeiten, der zeigt, dass die Interessen von Rewe- von Kinobetreiber nebeneinander möglich sind.
Also befürworten Sie ein Kino?
Na ja, in Coronazeiten ist Kino natürlich nicht gerade der Burner. Ob dann die Diskussion also richtig platziert ist, muss man sehen. Die Meinungen gehen auseinander. Mir ist ein Kino und ein Rewe lieber als kein Kino. Aber es muss ein Frequenzbringer sein. Die Einzelhändler sagen, abends laufen dort Filme und die Leute fahren direkt wieder nach Hause. Aber trotzdem geht es ums Image und darum, dass Menschen überhaupt durch die Fußgängerzone laufen. Es ist nie die eine Maßnahme allein, die die Attraktivität einer Innenstadt ausmacht. Es ist ein Baustein von vielen, so muss man das sehen.
Es geht aber ja nicht nur um Rewe und Kino, sondern auch um die Besitzverhältnisse in der Gegend.
Das wird gerade mitberücksichtigt. Es gibt zwei Eigentümer. Man muss mit allen reden und sie überzeugen, dass es vernünftig ist. Ich sag ganz klar: 50 Prozent würden ein Kino toll finden und 50, die das weniger toll finden. Es ist ein Puzzle, was nachher zusammengesetzt wird. Im Insek gibt es nicht umsonst 28 Maßnahmen.
Welche Themen beschäftigen Sie in Sachen Innenstadt noch?
Zum Beispiel Parkraum in der Innenstadt. Einmal der Aufbau eines digitalen Parkleitsystems. Aber auch die Frage, eines neuen Parkhauses. Das würde ich gerne hinter dem Rathaus sehen, nah angebunden an die Innenstadt. Viele Themen gehen nächstes Jahr in die Bürgerbeteiligung. Ein besonderes Anliegen ist mir zudem, dass wir ein Hotel in die Innenstadt bekommen. Zum Beispiel wäre ein denkbarer Standort an der Marienstraße oder da, wo jetzt ein Kino hinkommen könnte.
Baustelle Intro
Und der Bahnhof mit Intro?
Die Anbindung der Fußgängerzone an den Bahnhof ist ein großes Thema. Das Kölner-Tor-Kunstwerk wird jetzt abgebaut. Dann müssen wir schauen, ob wir die Situation nutzen und die Fußgängerzone in Richtung Bahnhof öffnen. Dann würden wir für das Kunstwerke einen anderen Standort finden. Bahnhof ist übrigens nicht nur Intro: Es ist auch ein Standort für Behörden und es entsteht ein hochmoderner Omnibusbahnhof. Dass die Baustelle so lange dauert, finden wir alle nicht gut, auch wenn es vorher klar war.
Wie wirkt sich das aufs Intro aus?
Die Baustelle hat zur Folge, dass es für das Intro ein schwieriger Start war. Dazu kommt noch Corona.
Wollen Sie durch die Öffnung der Innenstadt mehr Leute ins Intro kriegen?
Durch den Austausch zwischen Intro und Innenstadt sollen Leute motiviert werden, in beide Richtungen zu gehen. Und je weniger Barrieren wir haben, baulich und optisch, desto einfacher wird es.
Wie soll die Frequenz im Intro erhöht werden?
Wir haben schon zusammengesessen, um zu schauen, wie das Intro aus sich selbst heraus neue Anreize schaffen kann. Mir fehlt ein bisschen die Wärme. Jetzt ist eine Centermanagerin eingesetzt worden, die sich um so etwas kümmert. Und erste Maßnahmen sind schon umgesetzt worden: Die Werbung wurde verstärkt. Das Intro muss wahrgenommen werden. Es wurde am Anfang von einigen zerrissen. Es war und ist schwer, das Image ins Positive zu bringen. Aber unsere Unterstützung hat das Intro. Aber es ist natürlich wichtig, dass die Baustelle im Frühjahr ihr Ende findet.
Ist das realistisch?
Ich gehe im Moment von März aus, vielleicht stehen dann noch ein paar Restarbeiten an, aber dann dürfte es überstanden sein. Ich bin froh, dass wir es geschafft haben, jetzt den Begegnungsverkehr zu erhalten. Das war auch der Wunsch des Centermanagements und der Gewerbetreibenden, damit das Intro angefahren werden kann. Ich bin überzeugt, das wird noch eine Erfolgsgeschichte, auch wenn es noch ein weiter Weg ist.
Sie setzen also auch auf den Faktor Zeit?
Ja. Zeit und die Bereitschaft, dabei zu bleiben. Wenn die ersten jetzt von Bord gingen, würde es schwierig. Aber ich hab die Hoffnung, dass auch die verbleibenden, freien Geschäftsräume bald belegt werden. Ich bin auch mit Lukas Podolski im Gespräch darüber, dass eine seiner Dönerbuden dort hinein kommt.
Die Stimmung in Bergheim in Sachen Corona
Wie nehmen Sie die Stimmung in Bergheim in Sachen Corona wahr?
Ich merke schon, dass die Gemütslage an ihre Grenzen kommt. Es gibt deutlich unterschiedlichere Meinungen zu den Maßnahmen und mehr Menschen, die nicht mehr bereit sind, sie in Gänze umzusetzen. Das Ordnungsamt ist auch stärker im Einsatz als vor einigen Monaten, geht aber mit Maß und Ziel vor.
Wie bewerten Sie persönlich die Maßnahmen?
In der Summe bin ich von der Notwendigkeit überzeugt. Über die einzelnen Maßnahmen, zum Beispiel für die Gastronomie, lässt sich sicher diskutieren. Viele Gastronomen haben viel getan, um die Auflagen zu erfüllen.