Bergisch Gladbach/Rösrath – „Wenn Sie nichts gegen Ihre Spielsucht unternehmen, dann landen Sie unweigerlich im Knast“: Zum zweiten Mal in nur drei Wochen hat es Schöffenrichterin Birgit Brandes am Dienstag mit einem spielsüchtigen jungen Mann zu tun, der sich seine Sucht mit Internet-Betrügereien finanziert, und die beiden Spieler kennen sich.
Und wie der 34-jährige Klaus B. (Namen geändert), der am 11. Januar wegen Betruges in 29 Fällen zu einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung verurteilt worden ist, lebt auch Günther S. aus Rösrath, ebenfalls 34, mit Frau und zwei kleinen Kindern in einer zugleich kuscheligen und höchst prekären Familienwelt.
Die Ehefrau opfert sich auf, der Mann zockt
Soll heißen: Die Ehefrau kümmert sich und opfert sich auf, der Mann lebt von Hartz 4, zockt und betrügt. „Er braucht einen ordentlichen Tritt in den Hintern“, sagt Strafverteidiger Dr. Karl-Christoph Bode.
Nach Klaus B. kommt auch Günther S. mit einer Bewährungsstrafe davon. Ein Jahr und zwei Monate verhängen Richterin Birgit Brandes und die beiden Schöffinnen für 23 Betrugstaten, zwei Monat weniger als von der Staatsanwältin gefordert. Der Schaden – im Wesentlichen geht es um vorab bezahlte und nicht gelieferte Play Stations und Handys – beträgt 3653,95 Euro. Das Geld soll eingezogen und den Opfern zurückgegeben werden, doch das kann dauern.
Verlockungen lauern fast an jeder Ecke
Wesentlicher ist eine andere Bewährungsauflage: Günter S. soll sofort eine geeignete Spielsucht-Therapie beantragen und wahrnehmen. Er selbst meint, dass eine solche Therapie stationär erfolgen sollte, um nicht permanent neuen Verlockungen ausgesetzt zu sein.
Über diese Verlockungen spricht er freimütig: Da, wo er wohne, sei ganz in der Nähe eine Spielhalle. Anderer Fall: „Ich hatte einen Termin bei der Suchtberatung. Direkt daneben ist eine Spielhalle. Ich bin nicht hingegangen.“
Ecken-Wetten und Branntwein-Pralinen
Ob er denn auch Ecken-Wetten gespielt habe, wonach beispielsweise „Bayern München in den nächsten drei Minuten eine Ecke bekommt“, fragt die Richterin. Das ja, und alles mögliche andere auch, antwortet Günter S. Zeitweise kämpft er mit den Tränen. Die Richterin, die in der Verhandlung drei Wochen zuvor ausführlich einen psychiatrischen Gutachter zu Wort kommen ließ, vergleicht einen Spielsüchtigen mit einem trockenen Alkoholiker, für den schon ein einziges „Mon Chérie“ zu viel sein könne.
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Über seine Bekanntschaft mit Klaus B. sagt Günter S.: „Von ihm habe ich die Tricks gelernt.“ Zum Beispiel den Trick, die Opfer nur um überschaubare Beträge zu prellen, damit die vielleicht von einer Anzeige absehen. Auf seinen „Lehrmeister“ ist Günter S., der es im vergangenen Jahrzehnt einmal kurzzeitig durch seine Mitwirkung in einer Show im Privatfernsehen zu größerer „Popularität“ auf dem Boulevard gebracht hatte, aktuell nicht mehr so gut zu sprechen.
Betrug am Jobcenter? "Lehrmeister" droht neues Verfahren
Denn Klaus B. habe jetzt das große Los gezogen, habe für seine kleinen lustigen Videos eine Million Follower in der Internet-App „Tiktok“. Für die vielen Likes bekomme B. ordentlich Geld überwiesen, was er aber nicht angebe. Staatsanwältin und Richterin hören da sehr genau hin. „Veräppelt werden mögen wir auch nicht“, sagt die Richterin.
Aber sie appelliert auch an Günther S: „Hören Sie mit den Betrügereien auf, machen Sie eine Therapie und suchen sich eine Arbeit.“ Sonst sitze er bald im Gefängnis.