AboAbonnieren

Prozess„Nachtrunk“: Rösrather Autofahrerin trickst sich bei Gericht selbst aus

Lesezeit 3 Minuten
Ein Polizist zieht ein Fahrzeug mit seiner Kelle aus dem Verkehr.

Ein Polizist zieht ein Fahrzeug mit seiner Kelle aus dem Verkehr.

Erst eine Frau und dann ein Mann standen wegen 1,4 Promille am Steuer in Bergisch Gladbach vor Gericht. Der Lappen der Frau war länger weg.

Wer sternhagelvoll Auto fährt, riskiert erstens den Führerschein, zweitens die Versicherung und drittens Leben und Gesundheit anderer – und dennoch stehen immer wieder Menschen deswegen vor Gericht, zuletzt gleich zwei hintereinander, eine jüngere Frau und ein älterer Mann.

Die 38-jährige Familienmutter mit Eheproblem aus Rösrath war am 17. Oktober 2023 kontrolliert worden, als sie zu ihrem Auto zurückkehrte. Zwei Blutproben ergaben 1,5 beziehungsweise 1,41 Promille. Gegen einen Strafbefehl legte die Frau Einspruch ein.

Langes Warten auf das Gutachten

In einer ersten Verhandlung im April gab die Frau scheinbar clever an, sie habe zwischen einer ersten, noch legalen Fahrt und ihrer Rückkehr zum Auto noch etwas getrunken, Whisky-Cola aus dem Supermarkt. Mit der Nachtrunk-Behauptung, der vermutlich ältesten aller Alkohol-am-Steuer-Ausreden, kam sie aber nicht durch, denn Richterin Pauline Willberg forderte ein Gutachten an.

Dessen Ergebnis: Der „Nachtrunk“ war erfunden, denn das behauptete Trinkverhalten und die gefundenen Abbausubstanzen im Blut passten nicht zusammen. Außer reichlich Spesen für das Gutachten nichts gewesen, und die gehen zu Lasten der am Ende verurteilten Angeklagten.

Sportlehrer trinkt bei Steuererklärung und setzt sich dann ans Steuer

Als es dann um die Bestrafung der bis dahin strafrechtlich nie aufgefallenen Angeklagten ging, plädierte der Staatsanwalt für 900 Euro Geldstrafe wegen fahrlässiger Trunkenheit, 30 Tagessätze zu je 30 Euro. Da der Führerschein bereits nach dem Zwischenfall sichergestellt worden war, reiche ein weiteres Fahrverbot für drei Monate aus, das nur „deklaratorischen Charakter“ habe. Das sah auch die Richterin angesichts der nun 13 Monate autofreien Zeit so. Die Rösratherin hatte zuvor versichert: „Es tut mir sehr leid. Es wird nie wieder vorkommen.“

Klüger als die 38-Jährige verhielt sich ein 56-jähriger Sportlehrer, der am 8. April nachmittags auf der Steinstraße in Bensberg ebenfalls mit 1,4 Promille der Polizei ins Netz gegangen war. Den Einspruch gegen seinen Strafbefehl beschränkte er auf den Führerscheinentzug und setzte sich selbstkritisch mit seinem Trinkverhalten auseinander – sich beim Anfertigen der Steuererklärung tagsüber 1,4 Promille anzutrinken, wie er das getan hatte, ist ja so üblich nicht. „Es war eine der dümmsten Entscheidungen meines Lebens“, sagte er über die Fahrt.

Der Staatsanwalt stimmte ihm zu: Er selbst habe bei einem dienstlichen Trinkversuch schon bei 0,98 Promille „ziemlich an der Wand gestanden und Sie fahren mit 1,4 Promille. Alkohol und Steuer gehören nicht zusammen.“ Am Ende gab es für den 58-jährigen dieselbe Strafe wie für die Frau. Allerdings ist seine autofreie Zeit kürzer, weil er seinen Fehler sofort eingeräumt hat, statt noch eine Geschichte zu erfinden, die per Gutachten entlarvt wurde.