100 Stunden für GesellenstückRösratherin schließt Tischlerausbildung ab

Sorgfältig und präzise passt die angehende Tischler-Gesellin Korinna Rennefeld die Schubkästenfronten ein.
Copyright: Luhr (2), Arlinghaus
Rhein-Berg – Behutsam legt Korinna Rennefeld eine der filigran gestalteten Schubladenabdeckungen vor das Schubfach. Die schmalen Leisten aus amerikanischem Kirschbaumholz wirken leicht in ihren Händen. Kontrollblicke nach links und rechts, ein bisschen Staub an der Kante pustet sie schnell weg. Sanft drückt die 23-jährige Auszubildende die Abdeckung in die Öffnung, bis sie sitzt.
Sie nimmt drei Schritte Abstand vom Möbelstück und sieht zufrieden aus. „Na ja, perfekt kann es noch nicht sein, weil es nicht komplett fertig ist. Aber es wird schön“, sagt sie. Als Gesellenstück zum Abschluss ihrer Tischlerausbildung fertigt Korinna Rennefeld ein Lowboard aus MDF (Mitteldichte Holzfaser), beschichtet mit HPL und Fenix.
Kraft ist nicht entscheidend
Soweit die fachlichen Bezeichnungen. Für den nicht erfahrenen Betrachter ist es ein zweifarbiges Möbelstück aus Holz mit einem innenliegenden kleinen Korpus als offenem Ablagefach und an der rechten Seite drei Schubladen. Das 1,20 Meter lange, 45,6 Zentimeter hohe und 40 Zentimeter tiefe Board wird auf einem vierbeinigen Gestell stehen, das es zehn Zentimeter über dem Boden trägt.
An den Schubkästen und dem Gestell, beides aus Kirschbaum, hat Korinna Rennefeld eine Woche vor dem Abgabetermin noch zu arbeiten. Vier Arbeitsschritte für die Schubkästen stehen auf dem kleinen Zettel, der am Brett über ihren Zeichnungen in der Werkstatt hängt: abrichten, hobeln, ablängen, zinken. Die ersten zwei sind schon abgehakt.
100 Stunden Zeit
100 Stunden hat sie Zeit, an ihrem Gesellenstück zu arbeiten. „Die MDF-Platte ist mit dem blauen Fenix mit Leim miteinander verpresst worden“, erläutert die Auszubildende, wie die glänzende blaue Oberfläche entstanden ist. „Auf die Kanten habe ich amerikanischen Kirschbaum gesetzt. Das macht es hochwertiger, schöner und ich erhalte den Farbkontrast.“
Drei Jahre dauert die Ausbildung, die die Abiturientin aus Rösrath im Betrieb Julius Möbel von Jörg Julius Kapune in Overath-Immekeppel macht. Der Tischlermeister ist vom dualen Ausbildungssystem begeistert und stellt jedes Jahr neue Lehrlinge ein. „Die Praxis im Betrieb ist entscheidend für ein Unternehmen“, sagt Kapune. Dazu kämen die Theorie in der Berufsschule sowie überbetriebliche Lehrgänge. „In der Gesellenzeit werden Wissen und Können vertieft, danach steht den Absolventen alles offen – vom Studium bis zur Spezialisierung.“
Talent und Spaß an der Arbeit
Ihr Talent und den Spaß an der Tischlerarbeit hat Korinna Rennefeld erst durch ein Praktikum bei Kapune entdeckt. „Da habe ich gemerkt, dass ich eher praktisch orientiert bin. Es war die Lösung und ein Studium habe ich dann ad acta gelegt“, erzählt sie. Nach dem Abi hat die Rösratherin ein freiwilliges soziales Jahr im Sportbereich gemacht, war drei Monate in Kanada. Ihr Ziel war eigentlich ein Sportstudium.
Heute sei sie froh über ihre Entscheidung. Obwohl es Frauen im Tischlerhandwerk manchmal noch schwer haben, anerkannt zu werden. Rennefeld: „Für mich ist es normal, dass Frauen im Handwerk arbeiten. Aber hin und wieder merke ich, es ist immer noch selten und es ist ein Privileg.“
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Es komme vor, dass Unternehmer die körperliche Kraft von Frauen für den Job in Frage stellen und lieber Männer einstellen. „Klar, wenn die dicken Bohlen und Platten geliefert werden, ist es schwieriger für Frauen“, räumt die angehende Gesellin ein und kontert selbstbewusst: „Dafür haben wir Frauen andere Fähigkeiten, sind organisierter und manchmal gründlicher.“
Auf jeden Fall hat Korinna Rennefeld eine gute berufliche Perspektive. Jörg Kapune möchte sie als Gesellin fest einstellen. Und das fertige Lowboard: „Das ist für mich und ich bin stolz darauf.“