Für Landrat Stephan Santelmann (CDU) war 2021 ein besonders turbulentes Jahr, nicht nur wegen des ihm zwischenzeitlich entglittenen Krisenmanagements in der Corona-Pandemie. Über Spritzen-Streit, Krise im Kreishaus und das, was er daraus für die Zukunft mitnimmt, hat Guido Wagner mit dem 56-Jährigen gesprochen.
Als wir Sie vor einem Jahr nach den Herausforderungen des damals noch vor Ihnen liegenden Jahres 2021 gefragt haben, da haben Sie „Start des Impfzentrums“, „Arbeit des Krisenzentrums“ und „Folgen von Starkregen“ genannt. Alles ist eingetroffen, haben Sie das so geahnt?
Santelmann: Interessant. Ja, das waren ja dann genau die Knackpunkte, die Dimensionen aber, die alle drei während des Jahres angenommen haben, habe ich damals nicht geahnt. Etwa beim Starkregen: Das Thema hatten wir im Kreis ja früh mit der Erstellung einer Starkregengefahrenkarte auf den Weg gebracht, aber von der Starkregenflut Mitte Juli sind ja dann doch alle Prognosen überholt werden. Umso besser, dass wir früh angefangen haben.
Noch vor dem Starkregen gab es 2021 den sogenannten „Spritzen-Streit“ des Kreises mit dem NRW-Gesundheitsministerium, der bundesweit für Aufsehen gesorgt hat. Sie haben damals spezielle Spritzen für das Impfzentrum anschaffen lassen, mit denen sich zuverlässig eine siebte Dosis aus jeder Biontech-Ampulle ziehen lassen sollte. War es richtig, dafür auch in Konfrontation mit dem Gesundheitsministerium zu gehen?
Ich bedaure sehr, dass es dazu gekommen ist. Und ich bedaure auch sehr, dass da Fehler gemacht worden sind. Auch ich habe da Fehler gemacht.
War es also rückblickend der falsche Weg, als Landrat selbst das Krisenmanagement zu übernehmen?
Die Organisation, die wir seinerzeit da geschaffen haben, in der der Landrat sich mit vielen auch operativen Aufgaben beschäftigt hat, war sicher auch ein Fehler. Das haben wir ja dann auch infolge meiner Corona-Erkrankung gestoppt.
Naja, erstmal ja nicht. Zunächst haben Sie Ihrem Stellvertreter ja aus der Krankheit explizit verboten, den Krisenstab wieder hochzufahren...
Es war ja nicht absehbar, wie sich die Krankheit entwickelt. Aber es ist gut, dass wir das jetzt geändert haben und der Landrat, aber auch der Kreisdirektor jetzt eher steuern und sich um Führungsaufgaben kümmern und der Kreisdirektor sich dabei um das Krisenmanagement kümmert. Herr Wagner, das ist nichts, was man nebenbei macht.
Dass Sie es damals versucht haben, hat ja auch viele überrascht.
Das ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe und da hat Kreisdirektor Dr. Werdel auch jede Rückendeckung von mir, das Krisenmanagement auch weiter zu verantworten. Zur Pandemie kam ja dann auch noch die Krisenlage der Starkregenflut, und dann noch der Brand bei Currenta... Ich bin froh und dankbar, dass wir die Struktur des Krisenstabs mit diesem Team haben.
Was haben Sie verändert?
Mit Veränderungen in der Organisation und der Kommunikation haben wir vieles auf den Weg gebracht, so dass wir auch zu verantwortungsvoller und vertrauensvoller Zusammenarbeit zurückkommen.
Wir haben uns da intensiv auseinandergesetzt. Aber das ist ein interner Prozess, in dem wir Vertraulichkeit vereinbart haben, an die ich mich selbstverständlich auch halte. Wir haben da einiges aufgearbeitet, haben Veränderungen verabredet, an denen sind wir dran. Und das setzen wir jetzt auch so um. Das schafft dann auch wieder Vertrauen. Das hat ja auch mit Veränderungen meiner eigenen Arbeitsweise zu tun, zu denen ich mich entschlossen habe.
Was ist das zum Beispiel?
Ich will da nicht zu sehr ins Detail gehen, aber manchmal sind es so einfache Dinge wie Pünktlichkeit und Termintreue.
Spielt Verbindlichkeit auch eine Rolle? Ein Streitpunkt war ja auch, dass Sie mit dem Krisenstab etwas besprochen, im Schulterschluss mit den Bürgermeistern dann aber Lockerungen umgesetzt haben?
Sicher ist Verbindlichkeit auch ein Thema, das spielt ja schon bei der Pünktlichkeit eine Rolle. Glauben Sie mir, auch meine Corona-Erkrankung hat mir da einige Zeit zum Nachdenken gegeben. Ich habe gemerkt, dass manchmal ein Stück Ruhe und Gelassenheit wichtig ist. Und dass ich nicht immer 24 Stunden an sieben Tagen im Einsatz sein muss. Das ist auch für einen selbst wichtig.
Fällt Ihnen das schwer, Sachen abzugeben oder sein zu lassen?
Sie ahnen nicht, wie gut das auch für die Familie ist. Das habe ich wirklich gelernt. Da wird dann eine Mail nicht am Samstag oder Sonntag beantwortet, sondern vielleicht erst am Montag. Das hört sich jetzt nach Kleinigkeiten an...
...aber es zeigt ja sicher auch eine Grundhaltung, oder?
Richtig. Sicher braucht es eine Zeit, bis man nach so einer schwierigen Situation auch wieder zusammenfindet, aber wir sind dabei. Und da gehört dann auch eine neue Kommunikation unter anderem auch mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern dazu.
Was sind die größten Herausforderungen für dieses Jahr?
Erstmal müssen wir sehen, dass wir die Corona-Krise meistern und die Impfquote weiter erhöhen. Auf jede Impfung kommt es an. Das war, ist und bleibt mein dringender Appell. Dann geht es aber auch weiter um die Energie- und die Mobilitätswende – und den Klimaschutz, die Notwendigkeit hat uns die Starkregenflut im Juli ja noch einmal extrem vor Augen geführt.
Da bin ich auch sehr froh, dass wir mit der Regionale 2025 vieles auf den Weg gebracht haben und noch bringen werden: vom grünen Mobilhof über die Mobilstationen und die Wasserstoffwerkstatt bis hin zum dezentralen Konzept von Aqualon und Transformationsprozessen wie des Zanders-Geländes in Bergisch Gladbach. Da wird dann auch in diesem Jahr die Zwischenpräsentation stattfinden. Und ich bin mir sicher: Manche anderen wären froh, wenn sie das, was wir als Zwischenpräsentation haben, als Abschlusspräsentation hätten.
Nicht nur die Regionale 2025 hat jetzt Halbzeit, sondern auch Ihre 2017 begonnene Amtszeit. Machen Sie sich schon Gedanken darüber, ob Sie 2025 noch einmal kandidieren wollen?
Momentan habe ich so viel vor der Brust, da schaue ich erstmal auf 2022 mit vielen Aufgaben, die wir gut bewältigen wollen. An 2025 denke ich zurzeit nur im Rahmen der Regionale 2025...