Die Redaktion ist auf Sommertour. Diesmal streift sie durch Kürten und spricht mit den Menschen, die sie zufällig trifft.
Ein Tag in...Parkplatzstress ist in Kürten wichtigstes Thema – sonst fühlen sich Einwohner wohl
Morgens um halb elf ist die Welt in Kürten-City noch in Ordnung. Auf der Wipperfürther Straße ist es an diesem Vormittag ruhiger als sonst, die Ferienzeit macht sich bemerkbar, Kürten wacht so langsam auf. Einige Kürtener sind schon auf den Beinen: Die beiden Supermärkte sind der heimliche Mittelpunkt des Ortes. Und die allermeisten Kunden kommen mit dem Auto zum Einkaufen. Ja, das Auto, in Kürten ist es wichtiger als in anderen Orten, trotz Linienbussen, trotz Bürgerbus.
Die Gemeinde ist ein Flächenkommune, und meist liegen mehrere Kilometer Entfernung zwischen den Dörfern. Und auch öffentliche Parkplätze sind den Kürtenern wichtig: Das ist aktuell das wichtigste Thema im Dorf. „Das Angebot bei den Geschäften ist hier in Ordnung“, findet Gerd Schreiner, der gerade zum Einkaufen unterwegs ist.
Dass der Rewe-Konzern bald neu bauen möchte, findet der Kürtener gut. „Und eine Drogerie können wir auch gut gebrauchen.“ Die soll auch kommen, gemeinsam mit dem neuen Markt. Was hier nicht so gut läuft? Die Umgestaltung des Rathausplatzes, findet der Kürtener spontan. „Da sollen Parkplätze wegfallen. Dass die Verwaltung für so etwas Geld hat?“, fragt sich der Kunde und schiebt seinen Einkaufswagen schnell weiter.
Nebenan ist Yvonne Bößert glücklich. Ihr Geschenkegeschäftchen Böjour bietet so ziemlich alles, was als kleines Präsent vorstellbar ist. „Aber keine Haushaltswaren“, darauf legt die freundliche Geschäftsfrau großen Wert. Vor vier Jahren ist sie von der Kürtener Ortsmitte ans Ortsende umgezogen, in größere Räume.
„Ja, das hat gut geklappt“, meint sie und stapelt Buchstabenquadrate aus Holz; die laufen als Präsent ganz gut. „Wissen Sie, was Böjour bedeutet?“ Also: Die ersten beiden Buchstaben aus dem Familiennamen und den Vornamen ihrer Eltern Joachim und Ursula, den Gründern. „Uns gibt es schon seit 30 Jahren“, klärt Yvonne Bößert auf, sie selbst führt das Lädchen in zweiter Generation.
Dass es in Kürten an interessanten Geschäften mangelt, scheint ein Vorurteil zu sein. Jedenfalls entlang der Wipperfürther Straße reiht sich ein Geschäft ans nächste, das Bummeln macht Spaß. Auch das Teegestöber ist so ein kleines, nettes Lädchen, eine Art Geheimtipp. Gerade ist eine neue Teelieferung angekommen, das Aroma von Hollunder und Zimt liegt in der Luft. Mischungen aus aller Welt sind hier im Sortiment.
Zwei Handwerker sorgen unterdessen für Strom in Kürten. Im Auftrag des Energieversorgers Belkaw wird eine wichtige Verbindung am Rotdornweg erneuert, über einen Umleitung haben die Anwohner weiterhin Strom.
„Wir haben hier noch gut zu tun, ein paar Tage bestimmt“, meint der freundliche Kollege im gelben Overall. „Wissen Sie, es wird immer mehr Strom verbraucht. Das ist ein Problem.“ Homeoffice und Ladestationen für Elektroautos machten sich bemerkbar. Der Vorarbeiter sagt lachend: „Früher gab es mit der Tiefkühltruhe ein Problem, wenn der Strom ausgefallen ist.“
Und heute: Da jammere der Hausherr, weil er ohne Strom keine Heimarbeit machen könne oder die Pkw-Batterie nicht mit Energie aufgeladen werde, er komme ohne Strom nicht zur Arbeit. „Die Zeiten haben sich verändert“, meint er und taucht wieder ab in den Kürtener Untergrund.
Auf der Mitfahrerbank in Kürten
Wir gehen auf die andere Seite der Wipperfürther Straße. Eine Mitfahrerbank gibt es dort, mit Hinweistafel nach Bechen. Ein Paar aus der Ukraine wartet auf den Linienbus, der 426er ist schon Sicht. Nach Behördensachen im Rathaus fahren sie zurück nach Eichhof. „Gute Verbindung“, sagt der Mann. Im 20-Minuten-Takt rollen die Wupsi-Busse Richtung Gladbach. Eine Eisenbahn hat es nie bis nach Kürten geschafft. Was manche bis heute bedauern.
Hinter der Haltestelle liegt eine unscheinbare Grünfläche mit einem von Büschen fast verschluckten Wegekreuz. Ein Fußweg führt ab hier in den oberen Bereich des Ortes, diese grünen Flecken sollen ebenfalls von einem Förderprogramm aufgewertet werden, neben dem Platz am Rathaus. Uns fällt direkt die hübsch verschnörkelte Jugendstil-Parkbank auf halber Höhe auf.
Kirche und Gräberfeld
Ein Abfallkorb fehlt hier sehr dringend, viele Kürtener haben hier ihren Restmüll entsorgt. Eigentlich ein idealer Platz für eine Rast. Aber zugemüllt? Da eilt der Spaziergänger schnell weiter. Dieser Weg in Richtung der Straße Am Hang wird gerne genutzt, mehrere Anwohner kommen uns entgegen.
Unten im Tal, an der Wipperfürther Straße, gibt es Geschäfte, Banken und das Rathaus. Weiter oberhalb liegen die Wohnquartiere. Beim Bau des Fußweges hat jemand mitgedacht, neben Treppenstufen findet sich ein barrierefreier Weg.
Die Kirche mit ihrem uralten Gräberfeld ist das Ziel von Birgit Stefer aus Wipperfeld. Eine schöne Gegend sei die Gemeinde zum Radfahren, findet die Besucherin, die kurz mal von ihrem Fahrrad abgestiegen ist. Im Eiscafé Venezia, gegenüber der Kirche, gebe es ein sehr gutes Eis, gibt sie den Reportern eine Empfehlung mit.
Die Ulme in Kürten lebt weiter
Wir aber ziehen weiter, zur Dorfkneipe Alte Ulme, die an diesem Vormittag leider geschlossen ist. Hier in Kürten liegt die Kneipe noch im Dorf, kann man sagen. Viele Kürtener sind froh, dass es diese Traditionsgaststätte gibt, mit der legendären Ulme im Mittelpunkt des Biergartens. Nicht nur an Karnevalstagen ist die Alte Ulme ein Tipp, auch an sommerlichen Abenden kann man hier die Kürtener bei einer kühlen Apfelschorle oder einem alkoholfreien Pils treffen. Auch ein frisches Kölsch geht übrigens.
Wir gönnen uns eine Rast unter der Ulme, bevor wir weiterziehen. Fröhliche Frauenstimmen machen sich ein paar Meter weiter oben bemerkbar. Es ist die Dorfmetzgerei Stefer/Selbach, eine beliebte Kommunikationsquelle im Dorf. Karin Selbach, die Inhaberin, und Mitarbeitern Sylvia Barde haben genug zu tun, nach einer Woche Urlaubsschließung steht die Kundschaft verstärkt vor der Tür. Silke Weber und Heike Berger kommen aber nicht nur zum Einkaufen vorbei.
In Kürten gibt es Mettkringen auf die Hand
Beide mögen das freundliche Miteinander, man kennt sich hier persönlich mit Namen, es ist ein bisschen heile Welt in Kürten. „Alles zum Grillen geht gut in diesen Tagen“, berichtet Karin Stefer und packt den Reportern einen kleinen Mettkringel als Wegzehrung mit ein. Wir genießen das Ensemble oben im Dorf, das Pfarrershaus mit seinem Fachwerk ist ein Fotomotiv allererster Güte in Kürten.
Eine kleine Überraschung: Die Kita St. Johann Baptist hat auch auf an diesem Ferientag, quirlige Kinderstimmen sind aus dem Garten zu vernehmen. An der alten Schule von Kürten vorbei, heute das Haus für das Deutsche Rote Kreuz, ziehen wir bergab zurück zur Wipperfürther Straße.
Tankstelle, Imbiss, Bäckerei, Friseur: Hier kaufen die Kürtener und Kürtenerinnen ein. Ein bisschen ruhiger als sonst ist es in diesen Tagen, es sind ja Ferien. Auf dem Karlheinz-Stockhausen-Platz ist es allerdings wie immer in Kürten: Auto an Auto, es ist fast kein Parkplatz mehr frei. In zwei Jahren könnte hier wieder eine Veranstaltungsfläche sein, mit viel weniger Parkplatzflächen, mit sprudelndem Fontänenfeldern und sommerlichem Blumenschmuck.
Das ist eine Zukunftsmusik, zu der im Ort noch oft gestritten werden wird. Bis September muss die Politik einem neuen Förderantrag für den Platzumbau zustimmen, ober eben nicht. So vieles steht nach unserem Rundgang fest: Die Zukunft des Karlheinz-Stockhausen-Platzes bewegt viele in Kürten.
Alli Hoheiser ist ehrenamtlicher Fahrer beim Kürtener Bürgerbusverein. Wir treffen ihn am Bürgerbus-Parkplatz am Karlheinz-Stockhausen-Platz. Wir haben mit ihm gesprochen.
Frage: Worüber wird gerade in Kürten gesprochen? Der Karlheinz-Stockhausen-Platz soll umgestaltet werden in den nächsten Jahren. Das bereitet uns beim Bürgerbus Sorgen. Es sollen ja einige Parkplätze wegfallen.
Wie könnte der Bürgerbus davon betroffen sein? Ich bin heute seit halb 9 Uhr im Einsatz, jetzt ist es kurz nach 12. Die Fahrgäste wollten zum Arzt, zum Friedhof oder zum Einkaufen, das sind Ziele, die wir oft ansteuern. Ich wohne im Nachbarort Eichhof und muss mit meinem Auto zum Rathaus, wenn ich im Einsatz bin. Noch gibt es genügend freie Parkplätze am Stockhausen-Platz, um mein Auto zu parken. Bei einer Parkscheibenpflicht darf ich hier nicht parken. Wenn die Umgestaltung kommt, wird das zum Problem. Es muss an die Parkmöglichkeit für die Bürgerbusfahrer gedacht werden.
Was finden Sie wichtig für die Gemeinde? Angebote für junge Leute. Ich habe früher ehrenamtlich in Eichhof einen „Elch-Club“ geleitet, mit Angeboten für Jugendliche, damit sie von der Straße kommen.