Bergisch Gladbach – Am Kirmesdienstag, 16. August, um 9 Uhr morgens werden die Angebote geöffnet.
Im Stadthaus am Konrad-Adenauer-Platz 9 machen die Verwaltungsbeamten dann die Umschläge der Bieter auf. Zeugen sind nicht zugelassen. Anschließend steht fest, ob die Natursteine für die Schloßstraße aus Asien kommen, aus Europa oder aus dem Bergischen Land.
Die Schloßstraße
Ablauf
Die Stadt rechnet damit, dass im Herbst 2022 der Bauauftrag unterzeichnet wird. Weil das Weihnachtsgeschäft durch Bauarbeiten nicht beeinträchtigt werden soll, verschiebt sich der Baustart auf das Frühjahr 2023. Die Umgestaltung, als Teil des Integrierten Handlungskonzepts für den Stadtteil, wird an der Kreuzung von Kölner Straße und Schloßstraße beginnen.
Bis zu diesem Zeitpunkt können europaweit Angebote für die Umgestaltung der Schloßstraße in Bensberg abgegeben werden. Es ist ein Großauftrag, die Stadt kalkuliert mit rund 10 Millionen Euro Kosten für das neue Natursteinpflaster und dessen Verlegung auf der Bensberger Haupteinkaufsmeile, in den Bauabschnitten eins bis vier.
Schloßstraße bekommt graubeigen Naturstein
Kommen wird Naturstein, das steht seit den 2019 getroffenen politischen Beschlüssen fest. Wahlweise aus den Gesteinsarten Granit oder Trachyt, und zwar in der Leitfarbe beigegrau. Mit der dunkel getönten Farbe soll an den einstigen Abbau von Bleiglanz im Bensberger Erzrevier erinnert werden. Auch Bleiglanz ist beigegrau. Ab Anfang 2023 soll gebaut werden, im August 2025 die Schloßstraße als „Straße der vielen Begegnungen“ erstrahlen.
Was in der Ausschreibung keine Rolle spielt, ist die Herkunft der Steine.
Es sind unendlich komplexe Dokumente, die die Stadt für die Pflasterarbeiten auf den Weg gebracht hat. Da geht es um die Einhaltung des Mindestlohns und um Tariftreue. Anbieter müssen die Bilanzen der vergangenen drei Jahre vorlegen und auch Bauprojekte sind beispielhaft aufzulisten.
Viele Kriterien, auch CO2-Fußabdruck
Die Dicke der Steine und der zu nutzende Fugenmörtel wird beschrieben. Alles wird in der Gewichtung der Angebote eine Rolle spielen. Auf dem Parkplatz an der Friedrich-Offermann-Straße kann gegen Gebühr zeitweilig ein Bauplatz angemietet werden. Ausgewählt wird am 16. August aus den eingegangenen Angeboten das wirtschaftlichste, einschließlich der Kompensation des CO2 -Fußabdrucks auf Kosten des Bieters.
Aus einem Steinbruch in Lindlar, aus einem im Siebengebirge oder einem im Westerwald wären die Entfernungen für den Steine-Transport nach Bensberg sehr überschaubar. Eine Lkw-Ladung fertiggemacht, und in einer Stunde wären die Steinchen vor Ort. In einem Schiffscontainer aus China würden die Natursteine bereits eine halbe Weltreise zurückgelegt haben, über mehrere Monate, ehe sie in Deutschland eintreffen, und dabei tonnenweise CO2 emittiert haben.
Steine für die Stadt, in der Goethe spazierte
Manchem Politiker im Stadtrat mag es da schwer fallen zu glauben, dass ein chinesischer (oder anderweitig asiatischer) Naturstein überhaupt zum Zuge kommen könnte in der Schlossstadt, wo einst schon der junge Goethe flaniert ist.
Möglich erscheint diese Wahl aber durchaus. Oft sind es nämlich nur Nuancen, die bei Ausschreibungen den Unterschied machen. Und was soll die Stadt machen, wenn es beim Material keinen Qualitätsunterschied gibt?
Ausschreibung geändert, Diskriminierungsverfahren drohte
In diesem Frühjahr hatte der Fachausschuss eine explizite Betonung auf „europäische Natursteine“ wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen. Ein Diskriminierungsverfahren, so die Warnung der Stadtoberen, könne sonst auf Bergisch Gladbach zukommen, ein Importeur von Steinen aus Asien könnte klagen, langwierige Juristereien mit hohen Kosten die Folge sein.
Eine Einschränkung bei der Herkunft der Steine sei eine Sache, die auf keinen Fall in die Ausschreibung gelangen dürfte. Ähnliches hatten vor einigen Jahren schon die Wipperfürther Nachbarn leidvoll erleben müssen. Auf ihrem Marktplatz in der Ortsmitte mussten beim Stadtumbau 2019 Grauwacke-Steine aus Indien verlegt werden.
Grauwacke aus Indien statt aus Lindlar
Lindlarer Grauwacke für Wipperfürth war nicht wirtschaftlich genug, was im Ort eine lebhafte und erregte Diskussion lostrat.
Selbst in Orten, in denen Natursteine abgebaut werden, ist mittlerweile keiner gefeit vor auswärtigen Anbietern. So klagten schon vor einigen Jahren Schweizer Kommunalverwaltungen, dass ihr heimischer Granit kaum mehr eine Chance gegen den asiatischen habe.
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Der Transport aus China sei für die Stein-Importeure sogar oft gratis, weil die Frachtkähne ansonsten überwiegend Federleichtes wie Baumwolle transportierten, wurde gemunkelt. Erst der schwere Granit bringe den Schiffen den nötigen Tiefgang.