Bergisch Gladbach – Der Birkerhof hat schon bessere Zeiten gesehen. Der Putz bröckelt, die Fensterrahmen sind aufgequollen und schadstoffbelastet, die Holzbalken an manchen Stellen so morsch, dass es ratsam ist, die Schritte mit Bedacht zu setzen.
Und noch vor kurzem gab das dreigeschossige Haus schon hinter der Eingangstür den Blick durch die teilweise eingefallenen Zimmerdecken direkt in den Himmel über Moitzfeld frei.
Schwer vorstellbar, dass ein Gebäude, das so offen die Spuren des Verfalls und der jahrelangen Vernachlässigung zeigt, vielleicht ein Geheimnis in seinen alten Mauern bewahrt.
Was die Denkmalpfleger und Architekturwissenschaftler fasziniert, die aktuell den alten Hof nahe der Kompostieranlage untersuchen, der der Umgebung seinen Namen gab, ist eine hoch aufragende Hauswand an der Rückseite des Gebäudes.
Forschende vermuten im Inneren einen turmartigen Steingaden
Hier, wo sich dem Laien schlicht eine wirre Mischung aus Ziegel- und Bruchsteinmauerwerk zeigt, keimt bei Experten ein Verdacht. „Es könnte der Hinweis darauf sein, dass sich im Kern des Wohnhauses noch ein turmartiger Steingaden befindet“, erklärt Prof. Michael Werling vom Bergischen Geschichtsverein. Dann wären Teile des Gebäudes sehr viel älter als gedacht.
Die wehrhaften Bruchsteintürme waren seit dem 12. Jahrhundert im Bergischen weit verbreitet, dienten den Bauern auf ihren Höfen in guten Zeiten als Speicher und in Notzeiten - ähnlich wie ein Burgfried - als Zufluchts- und Verteidigungsort.
Da viele dieser Steingaden (in anderen Gebieten auch Spieker oder Kemnade genannt) inzwischen Modernisierungen oder der Abrissbirne zum Opfer gefallen sind, wäre die Entdeckung in Moitzfeld ein Glücksfall für die Forschung.
Architekturstudis untersuchen die historische Hofanlage nun
Doch Verdacht ist das eine, Beweise das andere. Daher wird die historische Hofanlage nun von Architekturstudenten und -studentinnen der Fachhochschule Köln untersucht. Initiiert von Michael Werling, der früher an der Hochschule unterrichtete, wollen die 20 Vertreter des Instituts für Baugeschichte und Denkmalpflege eine komplette Bauaufnahme erstellen.
Mit einem Laserscanner wird das alte, teilunterkellerte Wohnhaus, an das sich ein ehemaliger Kuhstall anschließt, in allen Einzelheiten vermessen. Aus Tausenden kleiner Einzelpunkte entsteht später das alte Gemäuer dreidimensional am Computer.
„Ein Gebäude im Original ist wie ein Datenspeicher“, erklärt Prof. Daniel Lohmann vom Institut für Baugeschichte und Denkmalpflege. Über die Jahrhunderte hätten zahlreiche bauliche Veränderungen ihre Spuren hinterlassen.
Eigentümer lässt Forschende gerne gewähren
„Wir versuchen, die Baugeschichte zu knacken.“ Was dabei herauskommt, wisse man noch nicht. „Wir haben nur den Verdacht, dass das Haus einen mittelalterlichen Kern hat“, so Prof. Norbert Schöndeling.
Dass die Studenten die Methodik von Denkmalpflegern in der Praxis erproben können, haben sie dem Eigentümer Markus Hetzenegger zu verdanken, der in der Vergangenheit schon mehrfach mit großem Engagement und Enthusiasmus alte Häuser vor der Zerstörung bewahrt hat. Notfalls sichert er wenigstens Originalbalken und -Hausteile und verwahrt sie bis zum Wiederaufbau. Ein Umstand, der zunehmend zu Lagerproblemen führt.
Auf der Suche nach einem Depot für seine Baumaterialien stieß er zufällig auf den Birkerhof, in dem die Stadt zu dieser Zeit noch Exponate des Bergischen Museums für Bergbau, Handwerk und Gewerbe aufbewahrte. „Es regnete schon rein und die Stadt wollte das Haus abreißen“, schildert er den Zustand.
Ein halbes Jahr auf Spurensuche
Abschrecken ließ sich Hetzenegger davon nicht. Als er im Zuge erster Recherchen auch noch erfuhr, dass sich das Haus früher zeitweilig im Besitz seiner eigenen Vorfahren befunden hatte, stand sein Entschluss fest. „Das Haus darf nicht abgerissen werden“, beschloss er.
„Im Studium haben wir es sonst häufig nur mit komplett neuen Objekten zu tun“, erklärt Friederike Bohlen, warum die Aufgabe für sie und ihre Kommilitonin Marnie Hermes, mit der sie gerade die Innenräume begutachtet, so spannend ist.
Ein halbes Jahr lang werden sich die Studierenden mit dem Birkerhof beschäftigen und dabei nicht nur Ideen für die Zukunft des Wohnhauses entwickeln (der Stall soll unverändert bleiben), sondern vermutlich auch das ein oder andere Rätsel der Vergangenheit lösen.