Barrierefreiheit in GladbachStolperfallen in der Fußgängerzone – Rundgang mit Blinder
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In der Innenstadt wird Blinden durch ein Leitsystem der Weg geweist. Doch auch dieses System hat seine Schwächen.
Generell gibt es einige Schwachstellen und Stolperfallen, was die Barrierefreiheit angeht. Diese sind manchmal auch nicht gerade ungefährlich.
Wir haben uns mit Daniela Ali auf eine kleine Tour durch die Stadt begeben.
Bergisch Gladbach – Für ihre Erledigungen fährt Daniela Ali mit dem Bus. Den Weg zur Bushaltestelle nahe ihrer Wohnung in Gronau kennt sie in und auswendig. Mit dem Auto kann Ali nicht fahren, denn sie ist blind.
In der Gladbach Innenstadt findet sich die 53-Jährige gut zurecht. Durch die Fußgängerzone läuft sie schnellen Schrittes. Ihren Blindenstock lässt sie dabei auf dem Boden entlanglaufen. Das Blindenleitsystem weist ihr den Weg. „Ich komme aus Gladbach. Viele Wege sind für mich Routine und im Kopf abgespeichert“, erzählt sie. Aber auch im vorhandenen Blindenleitsystem gibt es einige Schwachstellen, die nicht nur Ali, sondern auch anderen sehbehinderten Menschen – insbesondere ortsfremden – Probleme bereiten.
Bei der Neugestaltung der Fußgängerzone 2011/2012 entschieden sich der zuständige Architekt und die Stadt für eine Kombination aus Regenablaufrinne und Blindenleitsystem. „Das irritiert, denn es fühlt sich anders an als die Blindenleitsysteme, die ich eigentlich gewöhnt bin. Die Löcher für den Ablauf des Regenwassers kann man anfangs nicht zuordnen“, erklärt Ali. Das Leitsystem, das statt aus Steinplatten aus Metall besteht, sei bei Regen zudem rutschig. Im Winter könne es glatt werden, berichtet die 53-Jährige. Zu Stolperfallen werden unebene Kanten an den Stellen der Gullys .
Zur Erklärung: Die sogenannten Leitlinien in Form von mehreren Rillen auf dem Boden geben die Laufrichtung an. Blinde können mit Hilfe ihres Blindenstocks den Weg ertasten. Aufmerksamkeitsfelder in Form von Noppenplatten weisen dagegen auf Veränderungen oder einen Informationspunkt hin. Sie können auch auf potenzielle Gefahren wie eine Stufe oder eine Straßenüberquerung deuten. 30 Zentimeter sollte das Leitsystem breit sein, 60 Zentimeter rechts und links frei bleiben. Eine Regel, an die sich nicht alle Verkehrsteilnehmer halten und ihre Autos oder Fahrräder auf dem Leitsystem abstellen.
Nachgerüstet werden müsste laut Ali auch bei vielen Ampelanlagen, denn längst nicht alle geben einen Hinweiston für sehbeeinträchtigte Menschen ab, wenn sie grün werden. „Die Ampelanlage an der Kreuzung Poststraße/An der Gohrsmühle war damals mal mit einer Blindeneinrichtung ausgestattet, weil ein Mitarbeiter bei Zanders blind war. Seit der aufgehört hat, da zu arbeiten, gibt es keine Signaltöne. Scheinbar wurde einfach ignoriert, dass auch andere Menschen darauf angewiesen sind.“
Seit über zehn Jahren ist Daniela Ali fast vollständig blind, kann lediglich Licht und Bewegung wahrnehmen. Der Grund: eine Entzündung der Regenbogenhaut der Augen. „Mit neun Jahren bin ich aufgewacht und konnte plötzlich nichts mehr sehen“, erzählt Ali. Auf einer Sehbehindertenschule in Köln macht sie ihren Schulabschluss und anschließend eine Ausbildung bei der AOK Rheinland/Hamburg im Rheinisch-Bergischen Kreis. Zehn Jahre arbeitet sie dort, bis ihre Krankheit die Arbeit unmöglich macht. Heute engagiert sie sich beim Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV).
Probleme bereiten Ali in der Fußgängerzone auch aufgestellte Dreiecksschilder vor Einkaufsgeschäften oder die Außenbestuhlung von Gastronomiebetrieben. „Da geht der Blindenstock erstmal drunter und man spürt die Hindernisse nicht sofort, und dann läuft man dagegen“, berichtet sie. Verletzungsgefahren lauern jedoch nicht nur am Boden. Hinweisschilder, die auf das Blindenleitsystem hinweisen, hängen sehr niedrig. „Die sollten am besten mindestens zwei Meter hoch hängen, damit ich nicht dagegen laufe“, merkt Ali an.
Nicht alle nehmen Rücksicht
Vor die Tür geht die 53-Jährige nur noch mit Blindenstock. Dank einer kleinen Keramikspitze am Ende des Stocks kann sie sich auch an den kleineren Rillen des alten Leitsystems am Gladbacher Busbahnhof orientieren. Mittlerweile sind die Normgrößen der Rillen größer, da immer mehr Blindenstöcke mit größeren Kunststoffköpfen ausgestattet sind. Am Bahnhof steht Ali dafür vor anderen Herausforderung, denn hier ist sie auch auf ihre Mitmenschen angewiesen. „Wenn man nicht weiß, wie der Bahnhof aufgebaut ist, weiß man nicht, wo sich welcher Bahnsteig befindet. Leider sind nicht alle Leute hilfsbereit. Oder das Gegenteil ist der Fall und sie packen mich einfach an der Hand und wollen mir den Weg zeigen. Das ist zwar nett gemeint, aber einfach ungefragt angefasst werden möchte niemand“, betont sie. Auch auf die Hilfe der Busfahrer ist sie angewiesen. Nur wenige halten vor dem speziell für blinde Menschen markierten Einstiegsbereich.
Über die Abfahrtszeiten informiert sich Ali mit Hilfe von Handy-Apps. Das Smartphone ist zum unverzichtbaren Begleiter im Alltag geworden. Dank Sprachausgabe kann man sich die Infos einfach vorlesen lassen. Auch auf dem Konrad-Adenauer-Platz, nahe den Bushaltestellen, findet sich die 53-Jährige mittlerweile zurecht – aber nur, da sie weiß, wie dieser gepflastert ist. Ein Blindenleitsystem gibt es hier nicht. „Wer sich nicht auskennt, könnte denken, das Muster im Boden des Marktplatzes sei das Leitsystem, und landet im Brunnen“, meint Ali.
Daniela Ali ist Mitglied im Inklusionsbeirat der Stadt Bergisch Gladbach. Dort berichtet sie von ihren Erfahrungen und befasst sich mit genau solchen Stolperfallen. Nicht alles könne verbessert werden, und die Umsetzung geplanter Bauprojekte benötige teils viel Zeit und Geld. Dennoch setzt sich Ali dafür ein, Gladbach Stück für Stück blindenfreundlicher zu machen.
Barrierefreiheit in Bergisch Gladbach
Dem Blindenleitsystem in Bergisch Gladbach haben der Inklusionsbeirat, Blindenverein und Behindertenbeauftragte der Stadt zugestimmt. Trotz unkonventioneller Gestaltung ist der Leitweg laut DIN-Norm zulässig, erklärt Martin Rölen, Pressesprecher der Stadt. Die dunkle Farbe füge sich besser in die Gesamtoptik ein, sei für Sehbehinderte aber deutlich erkennbar. Die Wassereinlauföffnungen sind kleiner als zwei Zentimeter, sodass sich der Blindenstock nicht verkeilen kann. Unterbrechungen in den Stegen sollen zudem das Rutschrisiko minimieren. Die Höhenunterschiede der Schachtdeckel zum Leitsystem sind der Lage des Kanals geschuldet und können laut Stadt in ihrer Örtlichkeit nicht verändert werden.
Barrierefrei leben
Die Interessensgemeinschaft Barrierefrei Leben setzt sich seit Jahren für mehr Barrierefreieheit ein. Auf der Webseite der Gemeinschaft findet man zur Zeit die größte Datenbank an ehrenamtlichen Kontaktadressen in den Bereichen Wohnen, Bildung und Arbeit sowie im Inklusionssport.
Für die barrierefreie Ausgestaltung der städtischen Gebäude stehen jährlich 50 000 Euro im Haushalt der Stadt zur Verfügung. Bei der Umgestaltung öffentlicher Plätze und Wege werde auf die Barrierefreiheit geachtet. Der Blindenleitweg über dem Konrad-Adenauer-Platz sei ein großer Wunsch des Inklusionsbeirates und stehe bei der Stadtverwaltung bereits auf der Agenda. Da bei einer Umgestaltung Tiefbaumaßnahmen erforderlich wären, müsse jedoch ein Gesamtkonzept umgesetzt werden.
Umrüstung mit erheblichen Zusatzkosten verbunden
Die Umrüstung der Ampeln mit einer Akustikanlage sei laut Stadt mit erheblichen Zusatzkosten verbunden. In den vergangenen Jahren habe die Abteilung Verkehrsflächen deshalb gemeinsam mit dem Inklusionsbeirat beraten, wo eine Zusatzfunktion sinnvoll sei. Mittlerweile müssen alle Ampel, die ersetzt werden, barrierefrei ausgebaut werden.
In der Bensberger Schloßstraße, die zurzeit neugestaltet wird, soll das Blindenleitsystem dagegen konventionell ausgeführt werden. Durch die Fahrbahn- und Parksituation ist eine mittige Anordnung dort nicht möglich. (lth)