Eine Stimme gebenGeflüchtete nehmen in Bergisch Gladbach selbstgeschriebene Märchen auf

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Alina Slobodian, Zahra Ahmadova ,Yana Pavlova (v.l.). Heike Magnitz (Mitte) stehen nebeneinander.

Sie haben viel zu erzählen: Alina Slobodian, Zahra Ahmadova und Yana Pavlova (v.l.). Heike Magnitz (Mitte) hatte die Idee zu dem Projekt.

So erschienen trotz Sprachbarriere drei selbstgeschriebene Märchen auf Deutsch und auf Ukrainisch als Hörbücher.  

Sie sprechen unsere Sprache kaum und haben trotzdem viel zu sagen: Zahra Ahmadova, Yana Pavlova und Alina Slobodian leben erst seit kurzem in Deutschland und hatten noch nicht so viel Zeit, die Sprache zu lernen. Dennoch haben sie Märchen geschrieben und sie als Hörbücher eingesprochen, auf Ukrainisch – und auf Deutsch.

Zahra Ahmadova ist 12 Jahre alt, lebt seit anderthalb Jahren in Bergisch Gladbach und liebt Feen. In ihrem eigenen Märchen erweckt sie eine Fee zum Leben, die in einer Pflanze lebte. Ein älterer Mann, der ein wenig einsam ist, hatte die Pflanze in einem Park gefunden, sie mit nach Hause genommen, sie jeden Tag gegossen und ihr gesagt: „Ich bin froh, dass du bei mir bist.“

Als der Mann wegen Herzproblemen für mehrere Tage ins Krankenhaus kommt, macht er sich große Sorgen um seine Pflaze. Doch völlig umsonst: Als er nach Hause kommt, ist die Pflanze riesengroß geworden. In ihrer Mitte sitzt eine Fee, die beiden verlieben sich und bleiben für den Rest ihres Lebens zusammen.

Das andere Märchen kann ich leider nicht weiter schreiben, weil ich das Heft, in dem ich geschrieben habe, nicht dabei habe

Die ebenfalls 12-jährige Alina Slobodian lebt seit einem Jahr in Bergisch Gladbach schreibt in ihrem Märchen über ein Mädchen, das einen Geist entdeckt, der in einem Baum lebt. Erst hat sie Angst vor ihm, doch aus den beiden werden Freunde fürs Leben. Alina schreibe gerne, sagt sie bei der Vorstellung der Märchen. In der Ukraine habe sie schon ein relativ langes Märchen geschrieben. Und ein weiteres angefangen. „Das kann ich aber leider nicht weiter schreiben, weil ich das Heft, in dem ich geschrieben habe, nicht dabei habe“, erklärt sie.

Geflüchtete Ukrainerin schreibt über folgenschwere Verwechslung

Yana Pavlova ist 16 Jahre alt und schreibt über eine folgenschwere Verwechslung: Ein König heiratet nach dem Tod seiner Frau ein zweites Mal. Die neue Frau hat eine Tochter, die im gleichen Alter, wie die Tochter des Königs ist. Um ihrer eigenen Tochter Vorteile zu verschaffen, verhext die Stiefmutter diese, sodass sie genauso aussieht, wie die Prinzessin.

Von da an denkt der König, seine Stieftochter sei seine eigene Tochter. Obwohl die Prinzessin alles daran setzt, dass ihr Vater sie erkennt, fällt ihm der üble Trick nicht auf. Erst als ein Fremder das Spiel der Stiefmutter aufdeckt, verbannt der König sie. Nun können die Prinzessin und der König bis in alle Zeiten friedlich lebnen. Yana schreibe nicht so regelmäßig, aber sehr gerne. Manchmal schreibt sie Geschichten, aber im Moment am meisten Tagebuch. Die Idee zu ihrem Märchen sei ihr einfach gekommen und sie habe drauf losgeschrieben.

Journalistin aus dem Bergischen möchte Geflüchteten eine Stimme geben

Die Idee zu diesem Projekt hatte Radio-Journalistin Heike Magnitz: „Ich wollte Menschen, denen sonst nicht so zugehört wird, eine Stimme geben“, erklärt sie. Sie habe es auch „total spannend“ gefunden, was aus den Ideen der Teilnehmerinnen und ihrer Zusammenarbeit entsteht. Diese sei nämlich nicht so einfach gewesen, da Magnitz kein Ukrainisch spricht und die Mädels kaum Deutsch. Es sei eine interessante Situation gewesen, einmal auf der anderen Seite zu sein. Normalerweise stünden die Menschen, die kein oder nur wenig Deutsch sprechen, hier vor der Situation, dass sie nicht verstanden werden.

Trotzt dieser Sprachbarriere seien tolle Hörbücher entstanden. Auch dank einer Dolmetscherin. Zuerst hätten die Mädchen ihre Geschichten auf Ukrainisch geschrieben. Anschließend hätten sie diese mit der Künstlichen Intelligenz DeepL, die Texte in verschiedenste Sprachen übersetzt, ins Deutsche übersetzen lassen. „Da kamen aber teilweise echt seltsame Fehler bei raus“, sagt Magnitz.

Gruppe arbeitete intensiv an den Geschichten

Also hätten sie die Übersetzerin mit ins Boot geholt, die die Texte noch einmal überarbeitet hätte. Anschließend hätten sie die einzelnen Handlungsstränge besprochen und überlegt, ob die zusammenpassen. „Wir haben dann zum Beispiel gemeinsam darüber nachgedacht, wie alt der Mann sein kann oder wo er wohnt“, berichtet sie.

Schließlich haben die jungen Autorinnen ihre Texte draußen vor der Geflüchtetenunterkunft aufgenommen, weil die Räume drinnen so hallen. „Dafür ist die Tonqualität aber echt gut geworden“, findet Magnitz.

Nur wenig Zeit für die Produktion

In nur drei Treffen seien die Hörbücher entstanden, das sei schon echt ein knapper Zeitrahmen gewesen. Nur die Produktion, also den Schnitt und die Hintergrundgeräusche, hätte Magnitz außerhalb dieser Treffen selbst gemacht. Und einen Teilnehmer hätten sie in der Zeit verloren. Einen Jungen, der „eine sehr gute Geschichte über Zombies geschrieben hat.“ Es sei sehr schade, dass sie die nicht mehr vertonen konnten.

Aber auch die anderen Geschichten kamen sehr gut an: „Ich hätte nicht gedacht, dass sie Geschichten ausgedacht sind“, sagt Dörte Schlottmann vom kurux-Radio. Dort sind die Geschichten der Mädchen zu hören.

Die Kreativ-Schule (Krea) Bergisch Gladbach hat Magnitz an Kurux und die Geflüchtetenunterkunft in Lückerath vermittelt. „Das ist doch toll, dass so etwas über viele verschiedene Ecken hinweg entsteht“, findet Almut Wiedenmann, von Krea. Alle Beteiligten würden dieses oder ähnliche Projekte gerne weiterführen. Besonders Heike Magnitz ist von den Mädels und ihren Geschichten angetan: „Alle drei erzählen ihre Geschichten toll. Ich bekomme eh gerne Geschichten erzählt.“

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