Gummersbach, Lindlar und Hückeswagen: Freitag und Samstag demonstrierten Tausende Oberberger gegen Rechtsextremismus.
Mit VideoTausende Oberberger gehen gegen Rechtsextremismus auf die Straße
Tausende Menschen sind am Samstag und Freitag in Oberberg auf die Straße gegangen. Die Demonstrationen in Gummersbach, Lindlar und Hückeswagen waren eine Reaktion auf das Geheimtreffen Rechtsextremer in Potsdam und den vom Recherchenetzwerk Correctiv aufgedeckten Plan, Millionen Menschen aus Deutschland zu deportieren. Unter den Teilnehmern des konspirativen Treffens waren auch zwei Oberbergerinnen.
Was alle die Veranstaltungen gemeinsam hatten, war das Bedürfnis vieler Teilnehmer, zu zeigen, dass die Mehrheit Rechtsextremismus ablehnt. Das betonte auch eine Teilnehmerin aus Marienheide. Die 49-Jährige war Samstag nach Gummersbach gekommen. „Es ist Zeit, dass wir aus der Mitte der Gesellschaft heraus ein Zeichen setzen“.
Mehr als 2000 Menschen demonstrieren in Gummersbach
Mit mehr als 2000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern größte Veranstaltung im Kreis war die Kundgebung auf dem Heiner-Brand-Platz in Gummersbach. Zu Beginn der Kundgebung war die Polizei noch von 800 bis 900 Teilnehmenden ausgegangen, nach dem Protestzug korrigierten die Beamten die Schätzung nach oben.
Die Veranstalter gingen ihrerseits nach Ende des Marsches von mehr als 3000 Menschen aus, berichtete Ben Neuenfeldt von den Jungen Sozialdemokraten (Jusos), die den Protest mit organisiert hatten.
Nach Reden auf dem Platz setzte sich ein Demonstrationszug durch die Innenstadt in Marsch, der sich von der Steinmüllerallee aus über Moltkestraße und Kaiserstraße durch das Gummersbacher Zentrum bewegte.
Unter den Demonstranten auch ein 63-jähriger Gummersbacher. Er wünscht sich, dass alle „demokratischen Parteien zusammenarbeiten, gegen die extreme Rechte“. Auch ein weiterer Teilnehmer (57) aus Marienheide sieht das so: „Menschen aufrütteln, damit sie zur Wahl gehen. Egal welche demokratische Partei!“
Auch Aziz Koycigit von der Föderation demokratischer Arbeitervereine, einer Interessensvertretung türkisch- und kurdischstämmiger Arbeitnehmervertreter, sprach bei der Kundgebung. „Ich lebe seit 42 Jahren in Gummersbach und jetzt wollen die mich nach Nordafrika abschieben?“, fragte er und erinnerte an die Pläne des Potsdamer Treffens, bei denen von einer Deportation von Millionen von Menschen aus Deutschland nach Nordafrika die Rede war.
Aufgerufen zu der Demonstration „Oberberg gegen Rechts – Gemeinsam für Vielfalt und Toleranz“ hatten neben den Jusos, die Jungen Liberalen, Grüne Jugend und Linksjugend. Auch das Netzwerk gegen Rechts im Oberbergischen Kreis beteiligte sich, wie die Initiative „Unser Oberberg ist bunt, nicht braun!“, dazu Gewerkschaften, wie die IG Metall und ihre Jugendorganisation. Auch Superintendent Michael Braun vom evangelischen Kirchenkreis an der Agger ermutigte zur Teilnahme.
Die Veranstalter hatten mit dem 27. Januar bewusst den Internationalen Holocaust Gedenktag für den Protest gewählt. Das Bündnis „Oberberg ist bunt – nicht braun“ erinnert seit Jahren an den Massenmord während der NS-Zeit mit Infoständen und Flugblattaktionen.
Stille herrschte auf dem Heiner-Brand-Platz, als Lothar Winkelhoch eine Passage aus dem Tagebuch der Anne Frank vorlas. Der Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen in Gummersbach las mit bebender Stimme vor, wie die Schülerin ihre Angst vor Verhaftung und Ermordung ab 1942 ihrem Tagebuch anvertraute.
Anne Frank wurde 1945 in im KZ Bergen Belsen ermordet. „Nie wieder“, skandierten Teilnehmer am Samstag unter Applaus auf dem Heiner-Brand-Platz. Den Abschluss der Kundgebung bildete ein schweigendes Gedenken an die Opfer des Holocaust.
Hunderte Teilnehmer in Lindlar
Auch in Lindlar waren es nach Schätzung von Polizei und Veranstaltern rund 700 Menschen, die sich nach einem Aufruf des Runden Tischs für Frieden und Gerechtigkeit, der SPD und Grünen Lindlar und den Kreis-Linken auf dem Marktplatz im Ortskern trafen.
Das Motto hier lautete „Nie wieder Faschismus. Lindlar gegen Rechts“. Lindlars Bürgermeister Dr. Georg Ludwig (CDU) sprach ebenfalls vor den Teilnehmern und rief zu einer Stärkung der Demokratie auf und gegen den Extremismus. Kämpferisch rief Moderator Ingo Harnischmacher (Grüne) den Teilnehmenden „Es ist möglich, Widerstand zu leisten. Wir sind mehr“ zu, was mit viel Applaus quittiert wurde.
Mehr als 1000 Demonstranten in Hückeswagen
Am Freitag hatte auch in Hückeswagen eine Kundgebung stattgefunden. Über 1000 Menschen waren nach Angaben von Polizei und Veranstaltern auf den Bahnhofsplatz gekommen, darunter auch Gerhard Jenders, Sprecher der Initiative „Unser Oberberg ist bunt, nicht braun!“, der Samstag in Gummersbach davon berichtete.
Die Kundgebung„Hückeswagen steht auf für Demokratie und Menschlichkeit“ war von der Bürgergruppierung „Wir sind mehr im Bergischen“ organisiert worden.
Kundgebungen in Morsbach und Wipperfürth
Die Demonstrationen in Oberberg gehen weiter: Am Sonntag fand in Morsbach die Veranstaltung „fünf vor zwölf“ statt. Zu der ebenfalls rund 700 Menschen in den Ortskern kamen.
In ganz Oberberg wollen die Organisatoren nun weiter machen. „Es ist erst der Anfang“, betont Gerhard Jenders. Das sieht auch Ingo Harnischmacher aus Lindlar so: Die Kundgebungen „machen den echten, anständigen Demokraten Mut“.
Am Montag gibt es in Wipperfürth ab 17 Uhr einen Schweigemarsch. Treffpunkt ist auf dem Marktplatz. Das Motto ist: „Was macht uns Angst, was macht uns Sorgen“. Danach lädt die Gruppe „Interreligiöser Dialog“ in den Ratssaal des Rathauses ein.
Gummersbacher Erklärung wird aktualisiert
Am 25. Februar wird die Gummersbacher Erklärung für Demokratie und Zusammenhalt erneuert. Das berichtete am Samstag Initiatorin Eva Bartz. 2022 hatte Bartz die erste Gummersbacher Erklärung initiiert.
Während Corona wendete sich die Erklärung gegen Wissenschaftsfeindlichkeit, Spaltung und einen Schulterschluss mit Rechtsextremen und rief die Menschen zur Impfung auf. Viele tausend Unterzeichner schlossen sich der Petition an. Für die Neuauflage hoffen die Initiatoren um Bartz auf ebenso große Resonanz.
Anmerkung der Redaktion: Wir haben den Artikel zwischenzeitlich aktualisiert.