„Das läuft uns aus dem Ruder“Vorsitzender des Hausärzteverbandes zur Corona-Lage
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Oberberg – „Das läuft uns aus dem Ruder, wenn sich nicht mehr Menschen impfen lassen“, sagt der Vorsitzende des Hausärzteverbandes im Oberbergischen, Dr. Ralph Krolewski, zum Verlauf der Pandemiebekämpfung. Am Ende würden die Ungeimpften mit ihrem Verhalten über den Verlauf der Pandemie entscheiden, sagt er.
Die aktuellen Entwicklungen der Infektionszahlen und der Ausbreitung der Deltavariante machten deutlich, „dass wir es mit einer nicht kontrollierbaren und allenfalls abzumildernden Pandemie ohne Lockdowns zu tun haben mit vielen tödlichen Verläufen und Langzeitverläufen mit Frühinvalidität“, so der auf dem Gummersbacher Bernberg praktizierende Allgemeinmediziner.
Abstimmungsgespräch von Medizinern und Landrat
Daher ruft Krolewski auch im Namen seiner Kolleginnen und Kollegen noch einmal dazu auf, sich auf jeden Fall impfen und boostern zu lassen. Ungeachtet der aktualisierten Empfehlung der ständigen Impfkommission (Stiko), nach der nun alle Erwachsenen ab 18 Jahren eine Corona-Auffrischimpfung sechs Monate nach der Zweitimpfung bekommen sollten, sei die bisherige Priorisierung nicht vom Tisch, sagt Krolewski. Das heißt: Ü70-Patienten, die Menschen mit einer Immunschwäche und die Mitarbeiter der medizinischen und Pflege-Berufe sollten vorrangig geboostert werden.
Nach Krolewskis Rechnung ist man im Oberbergischen damit im Dezember durch. Was die Kapazität für künftige Erst-, Zweit- und Boosterimpfungen angeht, habe es Ende vergangener Woche ein Abstimmungsgespräch von Hausärzteverband, Kassenärztlicher Vereinigung, Ärztekammer und Landrat Jochen Hagt gegeben. Ausgehend von 90 Arztpraxen in Oberberg, die aktuell impfen, den mobilen und und den neuen stationären Kapazitäten des Kreises sowie denen von Facharztpraxen und Werksarztzentren könnte das Oberbergische mit der Impfung aller Bewohner ab 16 Jahren inklusive Boostern bis Februar durch sein. „Wir hätten dann die Chance, der Pandemie die Kräfte zu nehmen und zu einem geregelten Leben zurückzukehren, wie der Mediziner sagt.
Hochgerechnet
Nümbrechts Bürgermeister Hilko Redenius hat ausgerechnet, dass für die rund 17 000 Nümbrechter zurzeit noch 2,5 Intensivbetten verfügbar sind – die Notfallreserve inklusive. In Deutschland, schreibt er im kommenden Mitteilungsblatt der Gemeinde, „verfügen wir nach der deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin über 21 925 Intensivbetten, dazu 9300 Betten als Notfallreserve“. 12 093 waren davon – Stand Sonntag – bundesweit frei. Da etwa ein Herz- oder Schlaganfallpatient ebenfalls Intensivbett benötige, „können wir uns vorstellen, wie wenig das ist!“
Im täglichen Pandemiebericht hat der Kreis mitgeteilt, dass zum Stand Montag (0 Uhr) 77 weitere Fälle erfasst worden sind. Laut Statistik des Kreises galten 1576 Personen als aktuell infiziert. Mehr waren es in der Pandemie nur nach den Weihnachtsfeiertagen 2020 zwischen dem 29. Dezember und dem 6. Januar. In Quarantäne befanden sich inzwischen 2387 Personen (+54). Die Inzidenz von 371,4 war die höchste in Nordrhein-Westfalen.
Zutritt in die Dienststellen des Kreises haben nur noch Besucher, die den 3G-Status nachweisen können und einen Termin vereinbart haben. Dasselbe gilt ab Mittwoch für die Gummersbacher Stadtverwaltung und die Stadtwerke. Nur für den Bürgerservice brauche es laut Stadt keinen Termin. (sül/ag)
Niemand könne aktuell mehr sagen, es gebe kein Impfangebot. Das Gegenteil sei der Fall. „Die Gründe dagegen gibt es nur noch in den Köpfen der Menschen.“ Krolewski möchte deshalb auch keine Diskussion mehr über den eingesetzten Impfstoff führen. Mit einer konsequenten Impfung sowie einer mehr und mehr entstehenden Herdenimmunisierung will Krolewski einer fünften Welle entgegenwirken, einen erneuten Lockdown vermeiden und die Sterblichkeit von Menschen, die schwer an Covid erkranken, beenden.