Oberberg – Impfchaos am Bismarckplatz, Quarantäne-Fälle an den Schulen und stark steigende Fallzahlen mit der höchsten Inzidenz in der Pandemie. Die Corona-Lage in Oberberg wird kritischer. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was passierte auf dem Bismarckplatz?
Beim Stopp des Impfmobils am Mittwoch kam es zu noch längeren Schlangen und Wartezeiten als zuletzt am Montag in Bielstein, wo am Ende 330 Menschen geimpft worden waren. Kreisgesundheitsdezernent Ralf Schmallenbach, der sich in Gummersbach vor Ort ein Bild von der Lage machte, sprach von zeitweise bis zu 1000 Wartenden rund um den Platz. Daraufhin sei auch das zweite Impfmobil zum Platz beordert und das Personal verdreifacht worden.
Geht das jetzt so weiter bei Stopps des Impfmobils?
Nein. Als Konsequenz aus dem Andrang kündigt Schmallenbach an, dass ab nächster Woche das Impfzentrum im Bergischen Hof wieder geöffnet werden soll. Es soll eine von drei festen Impfstellen im Kreis sein: „Eine weitere wird es in Hückeswagen in der Bahnhofstraße geben. Einen Standort für die dritte Stelle im Südkreis suchen wir noch.“ Dort soll es auch wieder ein Terminvergabe-Modell geben.
Was sagen die Menschen in den Schlagen?
Großer Ärger herrschte am Bismarckplatz, weil das Impfmobil erst um 11 Uhr öffnete. Offenbar waren etliche Menschen davon ausgegangen, dass schon eine Stunde früher geimpft wird und stellten sich um 9 Uhr bei Temperaturen um die fünf Grad für ihre Impfung an. Auf der Internetseite des Kreises stand am Mittag aber 11 Uhr als Beginn.
Wer lässt sich aktuell am Impfmobil impfen?
Am Beispiel der 330 Impflinge in Bielstein rechnet Schmallenbach vor, dass es sich in zwei Drittel der Fälle um Booster-Impfungen gehandelt habe: „Ein Drittel waren Erstimpfungen.“ So viele seien es aber nicht überall. Mit einem Seitenhieb auf Bundes- und Landespolitik sagt er: „Wir können ja froh sein, dass wir das Impfmobil überhaupt noch haben. Bis Anfang September sollte es ja selbst dieses Angebot nicht mehr geben dürfen.“
Darf sich jeder boostern lassen?
Nein. Das musste Anke Groß aus Bielstein am Montag erfahren. „Nach 90 Minuten Warten in der Schlange wurde ich abgelehnt, weil meine Sechs-Monats-Karenz erst in drei Wochen abläuft.“ Sie habe angemerkt, dass sie mit Astrazeneca geimpft sei. Es sei bekannt, dass dieser Impfstoff nach fünf Monaten keinen ausreichenden Schutz mehr biete. Dennoch sei sie nicht geimpft worden. Schmallenbach bestätigt auf Nachfrage, dass das so richtig sei: „Es entspricht den aktuellen Regeln.“ Bis sich das ändert, lohne es sich also nicht, vor Ablauf der Karenzzeit bei Impfaktionen anzustellen.
Wie entwickeln sich die Fallzahlen?
Die aktuelle Welle hat am Mittwoch einen weiteren Höhepunkt erreicht. Der Kreis hat 199 neue laborbestätigte Fälle gemeldet. Nur am 16. April waren es mit 217 Fällen mehr. Die Inzidenz steigt auf 276,4, den höchsten Wert während der Pandemie. Damit hat Oberberg aktuell die zweithöchste Inzidenz in NRW nach Minden-Lübbecke (288,5). Die Zahl der akuten Fälle steigt auf 1137. Mit den Personen, die Kontakt zu Infizierten hatten, befinden sich 1841 Menschen in angeordneter Quarantäne.
Was passiert in den Krankenhäusern?
Auch dort steigen die Zahlen der positiv Getesteten weiter. Laut Kreis waren es am Mittwoch 37, fünf mehr als am Dienstag. Acht davon liegen auf der Intensivstation, zwei müssen beatmet werden. Zudem ist eine weitere Person gestorben, die zuvor positiv getestet worden war. Laut Kreis handelt es sich um einen 58-jährigen Waldbröler.
Was ist denn bloß in Nümbrecht los?
162 aktuelle Fälle weist die Statistik des Kreises für die Gemeinde am Mittwoch aus, vor sieben Tagen waren es noch 60. 102 Infizierte mehr in einer Woche, das wäre für die 17 000-Einwohner-Gemeinde eine Inzidenz von 597,3. Mindestens, denn in den 162 aktuellen Fällen fehlen diejenigen, die in den vergangenen sieben Tagen in Nümbrecht als genesen gegolten haben.
Gibt es eine Erklärung für den starken Anstieg dort?
Bürgermeister Hilko Redenius grübelt immer noch: „Die einzige Erklärung, die ich habe, ist nicht wissenschaftlich belegt. Aber wir hatten am ersten November-Wochenende drei Veranstaltungen in zwei Tagen mit insgesamt 1400 Besuchern. Wenige Tage danach ging es los.“
Redenius will seine Spekulation auf keinen Fall als Vorwurf an die Veranstalter verstanden wissen: „Da ist streng die 3G-Regel kontrolliert worden und es sind Leute abgewiesen worden. Das habe ich selbst gesehen, weil ich bei einer der Veranstaltungen war.“ Vielmehr zeige das für ihn, dass 3G einfach nicht reicht: „Ich bin der Meinung, dass Veranstaltungen aktuell nur sicher funktionieren, wenn auch Geimpfte und Genesene getestet sind.“
Wie reagieren Veranstalter auf die aktuelle Situation?
Die Ausrichter der „7 Nights Of Fun“ in Bielstein haben am Mittwoch die Reißleine gezogen. Für alle Veranstaltungen im Burghaus gilt ab sofort die 2Gplus-Regel. Zutritt haben nur Geimpfte oder Genesene, die ein maximal 24 Stunden altes negatives Testergebnis aus einer Teststation vorweisen können. Das teilt der Kulturkreis Wiehl mit.
Besucher müssen sich am Eingang ausweisen. Weil die Kontrolle länger dauern wird, sollen Besucher frühzeitig kommen. Unter diesen Bedingungen nicht auftreten will das für Freitag angekündigte Duo Beckmann-Grieß, teilt der Kulturkreis mit – der Kabarettabend ist abgesagt.
Wie läuft es an den Schulen?
Die Inzidenz für die die Altersgruppe der 10- bis 19-Jährigen lag zuletzt bei 505,8. Auch das Engelskirchener Aggertal-Gymnasium ist jetzt von einer Quarantäne-Maßnahme per Allgemeinverfügung betroffen. Wie der Kreis bekanntgemacht hat, werden die Schüler einer sechsten Klasse, die am Samstag am „Tag der offenen Tür“ der Schule teilgenommen haben, verpflichtet, sich in Quarantäne zu begeben. In der Klasse seien drei Personen positiv getestet.
Wie ist die Lage an der Grundschule in Bernberg?
Dramatisch. Nachdem in der Vorwoche nur noch 24 von 217 Kinder den Unterricht besucht hatten, stellte die GGS am Dienstag den Betrieb komplett ein. Die Schule soll bis Freitag geschlossen bleiben, sagt Gummersbachs Schuldezernent Raoul Halding-Hoppenheit. Wie es weitergeht, hänge davon ab, wie der Corona-Test verlaufe, den alle Schüler und Lehrer machen müssten.
Wie sieht es an den drei Schulen der Freien Christlichen Bekenntnisschule in Gummersbach aus?
Hier wurden am Montag und Dienstag nach positiven Corona-Fällen zwei Klassen nach Hause geschickt, wie Sprecher Thomas Sieling auf Nachfrage sagt: eine Klasse sechs des Gymnasiums und eine Klasse acht der Realschule.
Was ist mit den sonstigen FCBG-Veranstaltungen?
Sieling sagt, dass ein für Donnerstag geplantes Unternehmerforum in der Schule stattfinden werde – mit rund 100 Teilnehmern und einem abgestimmten Hygienekonzept. Gleiches gelte für ein Eltern-Dinner am Samstag: „Auch das soll, Stand heute, stattfinden.“
Sind vom Anstieg nur Jugendliche betroffen?
Nein, der Anstieg erfasst vor allem auch die Gruppe der 20- bis 29- sowie der 30- bis 39-Jährigen. Auf diese Altersgruppen entfallen 230 der insgesamt 751 Fälle in den vergangenen Tagen, also fast ein Drittel. Nümbrechts Bürgermeister Redenius, der den stärksten Anstieg der Fallzahlen aus nächster Nähe mitbekommt, sagt beim Blick auf seine Zahlen: „Es sind längst nicht nur Kinder und Jugendlichen.“