AboAbonnieren

InterviewDr. Ralph Krolewski aus Gummersbach spricht sich für erneute Corona-Impfung aus

Lesezeit 5 Minuten
Der Gummersbacher Mediziner Dr. Ralph Krolewski sitzt an seinem Schreibtisch.

Der Gummersbacher Mediziner Dr. Ralph Krolewski hatte sich schon nach der Schweinegrippe im Jahr 2012 mit dem Thema Pandemien befasst.

„Die nächste Pandemie wird kommen“, sagt der Gummersbacher Mediziner Dr. Ralph Krolewski in einem Interview über Corona in Oberberg.

Dreinhalb Jahre nach dem Ausbruch von Corona sprach Andreas Arnold über den Verlauf der Pandemie mit dem oberbergischen Vorsitzenden des Hausärzteverbands, Dr. Ralph Krolewski, der zugleich für die Grünen im Kreistag sitzt. Dort hatte zuletzt Landrat Joch Hagt ein Resümee aus Verwaltungssicht gezogen und die Politik Stellung bezogen.

Aktuell wird über das Thema Impfen kontrovers diskutiert, was empfehlen Sie?

Wir haben immer noch viele Infektionen, aber leichtere Verläufe. Das Robert-Koch-Institut empfiehlt allen Risikopatienten und allen, die älter als 60 sind, eine Auffrischung, wenn die letzte Impfung länger als zwölf Monate her ist. Nach einem Jahr sinkt der Impfschutz bei Über-60-Jährigen auf die Hälfte. Bei jüngeren Menschen, die nicht krank sind, konnte das nicht mit zweifelsfreier Sicherheit nachgewiesen werden. Nach wie vor gilt, dass man mit einer Impfung das Risiko eines schweren und schwersten Verlaufs auf 50 Prozent senken kann. Im Augenblick schützt die Gesellschaft die Herdenimmunität. Ich bin 67 und werde mich impfen lassen.

Wird es noch einmal eine Pandemie wie Corona geben?

Ganz gewiss, vermutlich ausgehend von einer Massentierhaltung aus den USA. Darauf müssen wir vorbereitet sein. Die zentrale Botschaft muss sein, dass niemand im Stich gelassen wird.

Herr Dr. Krolewski, kam die Corona-Pandemie für Sie überraschend?

Corona war für mich schon deutlich vor dem Ausbruch eine von mir angenommene Gefahr, man wusste nur nicht wann sie kommt.

Woher hatten Sie diese Erkenntnisse?

Ausgangspunkt war die Schweinegrippe im Jahr 2009. Der Erreger hatte sich weltweit blitzschnell ausgebreitet. Ich habe mich dann in der Folge mit Pandemien beschäftigt.

Und was haben Sie für sich daraus für Erkenntnisse gewonnen?

Erst einmal habe ich für meine Praxis Abwehrkonzepte entwickelt.

Sie werden aber nicht der einzige Mediziner gewesen sein, der das Thema auf dem Schirm hatte.

Gewiss nicht. Bereits damals wurde im deutschen Ärzteblatt veröffentlicht, dass sich eine Pandemie wie Corona binnen 14 Tagen weltweit verbreitet, wenn sich Infizierte noch in der asymptomatischen Phase befinden.

Also hätte man ja durch die Schweinegrippe vorgewarnt sein müssen.

Wir hatten das große Glück, dass sie einen wesentlich leichteren Verlauf hatte als befürchtet. Nach der Schweinegrippe im Jahr 2012 gab es Zusammenkünfte unter der Überschrift „Was lernen wir aus der Schweinegrippe?“ Vorschläge, wie man sich künftig besser vorbereiten kann, sind aber im Sande verlaufen. Und schon 2013 legte das Robert-Koch-Institut allen Bundestagsabgeordneten eine Simulation einer schweren Corona-Pandemie vor mit einem neuen gefährlichen Verlauf. Im Nachhinein ist erschreckenderweise nichts passiert.

Das klingt so, als sei auch Deutschland unvorbereitet gewesen, als die Pandemie dann im Januar 2020 ausgerufen wurde.

Richtig, denn es gab keine Konzepte, noch gab es Schutzkleidung. Dabei hätte nach Expertenmeinung mit entsprechenden Vorkehrungen der Ausbruch verhindert werden können. Vorbereitung ist alles, dann kann man auch die Opferzahlen niedrig halten. Ist man das aber nicht, trifft sie eine solche Dynamik mit voller Wucht.

Wie war aus Ihrer Sicht der Verlauf in Oberberg?

Wir wussten ja am Anfang nicht, wie gefährlich das Virus ist. Das war ein Wettlauf gegen die Zeit. Im Klinikum Oberberg lagen wir mit der Zahl der stationär behandelten Fälle an fünfter Stelle im Rheinland. Und 15 Prozent der stationär Behandelten ist gestorben. Wir hatten bei den Erkrankungen sehr unterschiedliche Risikogruppen. So waren beispielsweise Leute, die eine kleinere Wohnungen haben und Infizierte daheim nicht isolieren konnten, einem deutlich höheren Risiko ausgesetzt. Als dann geimpft werden konnte, gab es viel Ärger und Frust in der Ärzteschaft, weil die Abstimmung nicht funktioniert hat.

Als dann in Rekordzeit ein Impfstoff gefunden wurde, ging die Debatte über Sinn bzw. Unsinn des Impfens los. Wie haben Sie das erlebt? Vor allem einzelne religiöse Gemeinschaften lehnten eine Impfung ab.

Veranstaltungen mit über 400 Leuten in einem Raum wurden ja wegen einer drohenden Massenansteckung vom Landrat verboten. Das sagt uns die Wissenschaft. Und was sagt der Glaube? Darüber will ich jetzt nicht urteilen. Aber als Ärzte sind wir verpflichtet, die Menschen zum wissenschaftlichen Stand der Erkenntnisse zu informieren. Meines Wissens steht in keiner heiligen Schrift, dass Wissenschaft verachtet werden muss. Wir waren in einer gesellschaftlichen Situation, in der das eigene Verhalten darüber entscheiden konnte, ob man zu einem Risiko für andere wird.

Haben Sie einen Überblick über die Fälle von Long-Covid in Oberberg?

Ich habe im Kreistag von 400 bis 600 Fällen mit ungewisser Prognose berichtet. Da ist die Zahl der Kinder noch nicht eingerechnet. Ich weiß von einer Familie, in der sind drei Kinder nach Corona bettlägerig und pflegebedürftig. Im Kreistag haben wir der Situation gedacht. Also der Toten, der Langzeitbetroffenen, dem einsamen Sterben in den Heimen aber auch der vielen Menschen, die sich mit ihrer Arbeit der Pandemie entgegen gestellt haben.

Welche anderen Nachwirkungen gibt es?

Junge Menschen wurden im Lockdown der Schulen getrennt von Gleichaltrigen und haben darauf erheblich mit psychischen Störungen reagiert, was Gegenstand von nachgehenden Behandlungsangeboten sein sollte.


Corona-Zahlen für Oberberg

Mit Redebeiträgen von Landrat Jochen Hagt und Vertreter der Fraktionen hatte auch der Kreistag eine Bilanz der Corona-Pandemie gezogen und in einer Schweigeminute der Opfer gedacht.

Am 3. März 2020 wurde der erste Corona-Fall in Oberberg bekannt, in diesem Jahr wurde die Pandemie offiziell als beendet erklärt. Es gibt zwar immer wieder Infektionen mit Covid-19, aber meistens nicht mit schweren Verläufen, wie sie auf dem Höhepunkt der Pandemie zu verzeichnen waren.

565 Oberberger sind an den Folgen von Covid-19 verstorben.

1029 Mitteilungen zu Covid hat der Kreis verschickt.

600.000 Impfungen wurden vorgenommen. (ar)

Langzeit-Covid

Die Folgen von Covid belasten die Gesundheit mancher Menschen auch Wochen und Monate nach einer Infektion. Die langfristigen Auswirkungen sind noch wenig erforscht und die an Langzeitfolgen erkrankten Menschen finden zu wenig Beachtung im Gesundheitssystem, sagt die Krankenkasse AOK. Sie bietet für alle Betroffenen am Dienstag, 24. Oktober, 16 Uhr, eine Patientenveranstaltung in Gummersbach, Moltkestraße 18, an.

Ziel sei es, Versorgungsdefizite aufzudecken und Erfahrungen auszutauschen. Die Experten Dr. S. Melisande Lammers, Chefärztin der Fachklinik für Psychosomatik und Psychotherapie in der MediClin Klinik Reichshof, und Dr. Michael Held, Beratungsarzt der AOK, referieren über Therapieansätze sowie aktuelle Erkenntnisse. Anmeldungen unter (0 22 61) 383 45–11 oder -12, E-Mail claudia.koeppen@rh.aok.de oder barbara.kraemer@rh.aok.de. (lz)