Mädchenbildung in LeverkusenVon Analphabetinnen bis zu Abiturientinnen
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Leverkusen – Pay-Gap, Gendersternchen oder die durch Corona wieder aufkeimende Debatte über ungleich verteilte Care-Arbeit: Der Internationale Frauentag am 8. März bietet Gelegenheit, sich Gedanken zu machen, wie der Stand der Geschlechtergerechtigkeit ist. In diesem Jahr geht der Blick zurück: Dass Frauen sich einen gleichberechtigten Platz in der Gesellschaft eroberten und immer noch erobern, ist eng mit Bildung verknüpft.
Dass der weibliche Teil der Gesellschaft in den Genuss höherer Bildung kommt, war in der Vergangenheit jedoch oftmals nicht selbstverständlich.
Zwei Drittel der Frauen, die in den Jahren 1820 und 1821 in Opladen und Schlebusch getraut wurden, konnten ihre Heiratsurkunde nicht unterzeichnen, schreibt Gabriele John im Buch „Leverkusen – Geschichte einer Stadt am Rhein“. Die frühere Leiterin des Stadtarchivs, die Ende 2020 in Ruhestand ging, hat dem Thema Mädchenbildung ein eigenes Kapitel in der Stadtchronik gewidmet. Und auch eine Broschüre des städtischen Frauenbüros „Spurensuche Frauenleben“ geht dieser Frage nach.
Mädchen grundsätzlich eine spezifische Bildung zu gewähren, kam als Idee in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf. Zuvor war lange Zeit die einklassige Elementarschule der Regelfall gewesen.
Mitte des 19. Jahrhunderts seien einige „Nähschulen“ aufgekommen, schildert Gabriele John – beispielsweise in Schlebusch und Lützenkirchen (auf Anordnung der Düsseldorfer Regierung). Später konnten Mädchen dann auch von Gemeinden und Unternehmen gegründete „Haushaltungsschulen“ besuchen. Eine davon war bereits 1905 von den Farbenfabriken (dem Vorgänger der Bayer AG) gegründet. Hier lernten die Töchter der Arbeiter Hauswirtschaft, Gartenbau, Turnen und Schwimmen.
Das Ziel dieser Näh- und Haushaltungsschulen war, Armut zu verhindern. Gabriele John schreibt, dass diesen frühen Schulen „die Auffassung zugrunde lag, dass Armut in erster Linie zurückzuführen sei auf die Unfähigkeit zu wirtschaften“ – und eine entsprechende Anleitung der zukünftigen Ehefrauen Abhilfe bringen werde.
Mädchenschulen in Opladen
In Opladen wurden 1866 zwei höhere Mädchenschulen gegründet. Wobei die Bezeichnung irreführend sei, darauf weist John im Buch hin: Mehr als 40 Jahre lang boten die Schulen lediglich eine niedrige Bildung. Im Mai 1866 startete die private evangelische Mädchenschule an der Peter-Neuenheuser-Straße als Ina-Seidel-Schule. Sie kam auf Betreiben unter anderem der Fabrikanten Ulenberg und Römer zustande. Zwei Monate später eröffnete das Marianum, die heutige Marienschule, ins Leben gerufen von Dechant Stephan Krey.
1909 wurde das Marianum in ein Lyzeum (Realschule für Mädchen) umgewandelt, steht es heute auf der Internetseite der Schule geschrieben. Doch es sollte dauern, bis Mädchen tatsächlich in den Genuss „höherer Bildung“ kamen: Erst 1930 legten die ersten fünf Schülerinnen ihr Abitur ab. An der evangelischen Mädchenschule, die Jahrzehnte später im Landrat-Lucas-Gymnasium aufging, sollte es sogar noch weitere zehn Jahre dauern, bis auch hier Frauen mit einem Abiturzeugnis durch die Tür gehen konnten. In den Anfangsjahren war auch bei den „höheren Schulen“ das vorherrschende Ziel die „Sicherung des Milieus“ sowie die Verbesserung der Heiratschancen, schreibt Gabriele John.
Wiesdorf erhielt 1923 sein Pendant in den Räumen der heutigen Musikschule: das spätere Lise-Meitner-Gymnasium. 1925 sei es an das Realgymnasium angegliedert worden, heißt es in der Chronik des Gymnasiums. 1934 wurde zusätzlich die Frauen-Oberschule eingerichtet. Hier konnten Frauen 1937 zum ersten Mal ihre Reifeprüfung ablegen.