Hauptversammlung CovestroKeine Fahrkarten, keine Aktionäre
Lesezeit 2 Minuten
Köln/Leverkusen – Die Frage ist durchaus berechtigt: „Wie wichtig sind Ihnen Kleinaktionäre“, will jemand wissen, der sich selbst als solchen bezeichnet und aus dem Sauerland kommt.
Ein Weg, den er gewöhnlich mit der Bahn zurücklegt, ergänzt er. Heute aber sei er mit dem Auto angereist – „das ist nicht gerade umweltfreundlich“. Mit gewöhnlich meint der Mann seinen Ausflug zur Bayer-Hauptversammlung. Die war am vorigen Freitag an selber Stelle in fast gleicher Deko. Der Unterschied: Bayer zahlt die Fahrt in Form eines Bahntickets.
Die Kunststoff-Abspaltung Covestro hat das nicht getan, als sie ihre Aktionäre zur ersten Hauptversammlung einlud. Womöglich ist es deswegen so leer in den Nordhallen der Kölner Messe. Rund 300 Anteilseigner verlieren sich dort in den vielen Stuhlreihen. Bei Bayer waren es vorige Woche noch um die 3000.
Dass der aufwendige Rahmen so wenig gefüllt ist, scheint den Vorstand tatsächlich nachdenklich zu machen. „Wir werden Ihren Vorschlag erwägen“, sagt Covestros Finanzvorstand Frank Lutz dem Kleinaktionär. Doch die Fahrtkosten ließen sich nur schwer beziffern. Deshalb lasse sich auch nicht abschätzen, um wie viel teurer die Hauptversammlung würde. Die am Dienstag kostet 2,8 Millionen. Teuer genug, hat man sich im Vorstand gedacht. Lässt Lutz jedenfalls durchklingen. Geld, das den Aktionären verloren geht. Je nach Betrachtungsweise.
Und Covestro will ja ein Dividendentitel sein, den Anteilseigner mit einer sicheren Ausschüttung erfreuen, weniger mit einer spektakulären Kursentwicklung. Eine Art Volksaktie also, um die sich der Anleger nicht kümmern muss. Die Aktionärsstruktur ist aber nicht danach: Allein Bayer hält noch 64 Prozent an Covestro. Und die Entscheidung, das Kunststoff-Geschäft ganz normal an die Börse zu bringen, hat Kleinanleger nicht so angesprochen. Das war vor einem Jahrzehnt bei Lanxess anders. Notgedrungen: Bayers Chemie-Sparte hatte einen dermaßen unattraktiven Zuschnitt, dass sie kaum einen Fremdanleger gelockt hätte. Die Lösung: Lanxess-Papiere wurden den Bayer-Aktionären ins Depot gelegt. Es spricht für Covestro, dass am Dienstag erneut zu hören ist, dass Kleinaktionäre gern mit Covestro-Papieren versorgt worden wären. Schon am Freitag bei Bayer hat Aktionärsvertreter Marc Tüngler Covestro als lohnendes Investment gepriesen. Am Dienstag sagt sein Kollege Thomas Hechtfischer ähnliches. Der Mann von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz will aber auch wissen, wo die Risiken für Covestro liegen. Vorstandschef Patrick Thomas zählt auf: „Das Wachstum auf dem Weltmarkt könnte schwächer ausfallen als erwartet.“ Die Wettbewerber könnten ihre Fabriken schneller ausbauen. Oder es gibt Probleme mit den Anlagen. Die Auswirkungen von Stillständen verringere Covestro mit neuem Anlagen-Management. Thomas resümiert: „Ein Problemkind sieht anders aus.“