Auf einem Feld bei Zülpich-Geich sind die ersten Feldhamster ausgewildert worden. Die Biologische Station betreut das Naturschutzprojekt.
100 Tiere werden ausgesetztDer Feldhamster soll die Zülpicher Äcker zurückerobern
Freiheit kann ganz schön furchterregend sein. Vor allem, wenn man bisher zwar eingesperrt, aber auch behütet gelebt hat. Kein Wunder, dass die große weite Welt den kleinen Feldhamstern erstmal eher bedrohlich als verlockend erschien. Kaum ihrer Holzbox entkommen, verschwanden sie blitzschnell in den vorbereiteten Bauen. Ein Dutzend der Nager sind am Dienstag bei Geich ausgewildert worden – Nachkommen der Feldhamster, die in den Jahren 2015 bis 2017 eingefangen worden waren, weil ihr Bestand dramatisch zurückgegangen war. Acht Baue waren es am Ende nur noch, deren Bewohner in eine Aufzuchtstation gebracht wurden.
Der Termin mit dem nordrhein-westfälischen Umweltminister Oliver Krischer, Landrat Markus Ramers und dem Zülpicher Bürgermeister Ulf Hürtgen war nur der öffentlichkeitswirksame Teil des aufwendigen Projektes. Die ersten 70 Tiere sind schon im April eingezogen. Jetzt überließen die tierischen Protagonisten das Feld erst einmal den Menschen: Um die Hamster nicht zu sehr zu stressen, kamen sie erst an, als alle Reden gehalten waren. Ende Mai sollen noch einmal 16 Exemplare folgen.
Kreis Euskirchen ist beim Auswilderungs-Projekt federführend
„Für viele ist die Wiederansiedlung der Feldhamster eine Herzensangelegenheit geworden“, sagte Markus Ramers. Der Kreis Euskirchen ist federführend bei dem Projekt, unterstützt von der Biologischen Station im Kreis Euskirchen und dem Land NRW.
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Herzblut investieren vor allem Rebekka Vogel, beim Kreis zuständig für Naturschutz, und Ute Köhler von der Biostation. Denn die rund fünfeinhalb Hektar große Fläche musste vorbereitet werden auf ihre neuen Bewohner. In Streifen wurden Getreide, Luzerne und Blühpflanzen gesät, die Nahrung und Deckung bieten sollen. Dann wurden „Initialbaue“ angelegt: ein Meter tiefe Löcher, in die sich die Hamster erst einmal flüchten können – auch vor den neugierigen Menschen, die an diesem Tag unbedingt einen Blick auf die eigentlich nachtaktiven Tiere erhaschen wollten. In den Bauen liegt auch eine erste Portion Futter.
Und schließlich wurde – gewissermaßen in letzter Sekunde – ein Zaun um das Gelände gezogen. Das Drahtnetz wird Strom führen, um vor allem den Fuchs davon abzuhalten, die Hamsterkolonie als reichgedeckten Tisch zu entdecken. Über jedem Bau wurde schließlich noch ein Tunnel aus Drahtgeflecht gestellt, um Greifvögel fernzuhalten.
Umweltminister Oliver Krischer hat Jugend-Erinnerungen an den Feldhamster
Dass der Zaun termingerecht stand, sei ein Beispiel für die gute Zusammenarbeit mit den örtlichen Landwirten, sagte Achim Blindert, Allgemeiner Vertreter des Landrats und Geschäftsbereichsleiter der Unteren Naturschutzbehörde. Dies betonte auch Ulf Hürtgen, der sich an schwierige Gespräche in der Anfangszeit erinnerte, aus denen dann eine verlässliche Kooperation erwachsen sei.
Oliver Krischer ging noch weiter zurück in seinen Erinnerungen: in seine Zeit als Zivildienstleistender, in der er beim Bund für Vogelschutz Feldhamster kartiert habe. Der Bestand habe unter der intensiven Bewirtschaftung der Äcker gelitten, jetzt werde neuer Lebensraum geschaffen: „Das sind wir nicht nur dem Hamster schuldig, sondern auch unseren Kindern und Kindeskindern.“ Die meisten könnten sich unter Hamster nur den Goldhamster im Laufrad vorstellen. Der Feldhamster ist im Verhältnis dazu ein anderes Kaliber: um die 25 Zentimeter lang, bis zu 500 Gramm schwer und durchaus wehrhaft, wenn er sich bedroht fühlt.
Die Zülpicher Hamster tragen einen Mikrochip unter der Haut
Einen ganz kleinen Eindruck, wie sich ein wütender Feldhamster anhört, bekamen die Zeugen der Auswilderung immerhin. Eines der Tiere klapperte mit den Zähnen, nachdem es seine Box nur widerwillig verlassen hatte. „Eine Drohung“, erklärte Rebekka Vogel.
Der Kreis hat die bisherigen Kosten des Auswilderungsprojektes minuziös aufgelistet: 3706,12 Euro an Zaunmaterial, 13.994,40 Euro für ein agrarstrukturelles Gutachten. 9796,08 Euro gab es dafür an Zuschuss nach der Förderrichtlinie Naturschutz. Für die kommenden fünf Jahre ist ein Förderantrag beim Land gestellt auf 62.853,98 Euro. Bewilligt ist er noch nicht, aber immerhin konnte die Maßnahmen schon begonnen werden.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Biologischen Station werden die Tiere im Auge behalten, Für die kommenden zehn Jahre ist ein Monitoring geplant. Alle Tiere, die ausgesetzt wurden, tragen einen Mikrochip unter der Haut und sind so zu identifizieren. Im August dieses Jahres soll zum ersten Mal nachgezählt werden, wie Baue auf der Fläche bewohnt sind. Dann gibt es Neues vom Zülpicher Feldhamster und – hoffentlich – vom ersten Nachwuchs.
Feldhamster-Projekt in Pulheim vermeldet bereits Erfolge
Im Jahr 2019 sind in Pulheim im benachbarten Rhein-Erft-Kreis Feldhamster ausgewildert worden. Christian Chmela, Geschäftsführer der Biologischen Station Bonn/Rhein-Erft, ist zufrieden mit Entwicklung des Bestandes. „Wir haben vor Kurzem rund 550 Baue gezählt“, sagte er am Rande der Auswilderungsaktion in Zülpich-Geich. Die Tiere seien an zwei Standorten ausgesetzt worden. Mittlerweile hätten sich die Populationen so ausgedehnt, dass sie schon fast aneinanderstießen. Allerdings: „Wir brauchen dringend einen warmen, trockenen Sommer.“ Im vergangenen Jahr habe es einen kleinen Rückschlag gegeben.
Im ersten Jahr nach dem Auswildern gehe der Bestand sowieso erst einmal deutlich zurück. „Es gibt Untersuchungen, dass nur die Hälfte der ausgesetzten Tiere die ersten vier Wochen überlebt“, sagt Christian Chmela.
Der Feldhamster steht auf der Roten Liste gefährdeter Arten, in NRW ist er vom Aussterben bedroht. Dabei ist es noch gar nicht lange her, dass es sogar Prämien gab, wenn ein Feldhamster gefangen oder getötet wurde. Denn die Nager, galten als Schädlinge in der Landwirtschaft. Die Bezeichnung „Kornwolf“ macht deutlich, dass die Tiere als echte Bedrohung empfunden wurden – immerhin hamstern sie in ihren Bauen bis zu fünf Kilo an Vorräten – vor allem Getreide – für den Winter. Auch ihr Fell war durchaus begehrt.
Noch bis Mitte der 70er-Jahre seien Feldhamster in Mitteldeutschland systematisch gefangen worden, berichtet Ute Köhler von der Biologischen Station im Kreis.