Land der BücherGeschichten aus der Bukowina beim Lit.Eifel-Abend in Metternich
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Weilerswist-Metternich – „Die Bukowina − das Land, in dem Menschen und Bücher lebten“, sagte einst Paul Celan über das Gebiet, das im Norden zur Ukraine und im Süden zu Rumänien gehört. So eröffneten Reinhard Kiefer und Christoph Leisten, Hausautoren des Aachener Rimbaud-Verlags, den Leseabend in Haus Velbrück in Metternich.
Im Rahmen der Lit.Eifel ging es vor rund 40 Gästen −jüngeren genauso wie älteren − in der 90-minütigen Lesung um die historische Landschaft nordöstlich der Karpaten. Leisten und Kiefer lasen aus dem Sammelband „Blaueule Leid“, der Gedichte und Geschichten aus der Bukowina aus den Jahren 1940 bis 1944 zusammenführt. Der Sammelband ist im Rimbaud-Verlag erschienen, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, das literarische Erbe der multikulturellen Kulturlandschaft der Bukowina zu bewahren.
Lesung
So lasen Kiefer und Leisten − mal im Wechsel, mal gemeinsam − Zeilen von Rose Ausländer, Selma Meerbaum-Eisinger, Moses Rosenkranz, Paul Celan, Alfred Kittner und Immanuel Weissglas. Die Lesung der beiden Autoren funktionierte als Gespräch: zum einen als eine Unterhaltung zweier Literaturwissenschaftler untereinander, zum anderen als ein Gespräch unter Freunden.
So tauschten Leisten und Kiefer sich über die literarische Qualität der Gedichte Selma Meerbaum-Eisingers aus. „Ihr Schicksal erinnert an das Anne Franks“, sagte Kiefer. Man habe Mitleid mit dem jungen Mädchen. Doch ihre Texte solle man nicht mit Mitleid lesen, sondern mit ästhetischem Vergnügen.
„Ich möchte leben“, heißt es in dem Gedicht „Gespräch mit einem Kind“ der rumänischen, deutschsprachigen Dichterin, die als verfolgte Jüdin mit 18 Jahren im Zwangsarbeiterlager am Fleckfieber starb. Doch es ging nicht nur um die literarische Qualität, auch an das Leid der verfolgten Juden, von denen es in der Bukowina so viele gab, erinnerten Kiefer und Leisten.
Antisemitismus
In dem Gedicht von Selma Meerbaum-Eisinger heißt es weiter: „Feinde, Kind, sind Menschen, die wir alle hassen müssen.“ Hiermit erinnerten Leisten und Kiefer an den Antisemitismus dieser Zeit. „So literatur- und kulturorientiert die Bukowina war, so sehr die Menschen dort an einer lebensfähigen Zukunft interessiert waren, so wenig lässt diese Zeit uns doch den Hintergrund des Grauens des 20. Jahrhunderts vergessen“, resümierte Leisten.
Gespräch
Das Gespräch zwischen Leisten und Kiefer funktionierte aber immer dann am besten, wenn die Unterhaltung ihren freundschaftlichen Charakter annahm. „Weißt du eigentlich“, wandte sich Leisten zum Beispiel vertrauensvoll an Kiefer, „warum die Gedichte alle in Reimen geschrieben sind?“ „Weil sie damals kein Papier hatten“, antwortete Kiefer. Man habe reimen müssen, um sich die Texte besser merken zu können – um sie wiedergeben und verbreiten zu können.
Bisweilen hatte man das Gefühl, alles sei miteinander verzahnt: Leisten, Kiefer und die Bukowina. Die Autoren, die in dem Band versammelt sind, schienen den Besuchern wie alte Bekannte, vielleicht sogar Freunde zu sein.
Das Gefühl verstärkte sich, als Kiefer eine kleine Anekdote über Alfred Kittner erzählte: „Wir gingen zusammen über die Kö in Düsseldorf und es war wahnsinnig heiß.“ Da habe Kittner gefragt: „Meine Herren, wollen wir nicht einen Cognac trinken?“ Kiefer habe entgegnet: „Aber die Hitze.“ Woraufhin Kittner an die ständige Hitze in seiner Heimat, dem heutigen Rumänien erinnerte.
Fazit: Haus Velbrück war eine charmante Kulisse für ein sehr intimes Gespräch über die Künstler der Bukowina.