Euskirchen – Der Arbeitsplatz von Carsten Bönsch ist alles andere als gewöhnlich. Nur eine 30 Zentimeter dicke Betonschicht trennt den 37-Jährigen beim täglichen Kontrollgang durch die sogenannte Herdmauer von den 1,055 Millionen Kubikmetern Wasser der Steinbachtalsperre. Die Herdmauer dient als Abdichtung zwischen Wasser, Lehm und Fels.
Durch die Herdmauer wird mit Hilfe von Kontroll- und Messvorrichtungen die Sicherheit und Stabilität des Staudamms im Wald zwischen Kirchheim und Arloff gewährleistet. Im Tunnel des Herdgangs, 16 Meter unter der Wasseroberfläche, herrschen an 365 Tagen im Jahr vier Grad Celsius. „Im Winter kann es ganz schön erwärmend sein, im Sommer allerdings auch recht kühl“, so Bönsch, der bei der Regionalgas für die Steinbach- und die Madbachtalsperre verantwortlich ist.
Das Euskirchener Energieunternehmen betreut seit vielen Jahren die Madbach- und die Steinbachtalsperre. Zu Bönschs Aufgaben gehören neben dem morgendlichen Rundgang auch das Ablesen von Wasserständen und das Überprüfen des Herdweges, also des Tunnels in der Herdmauer. Er kontrolliert an rund 200 Messstellen den Druck, die Dammverschiebungen und die Wasserstände.
Ein Fugenblech-Physiometer in der Herdmauer dient der Schnellanalyse nach Erdbeben. „Wenn sich irgendetwas auch nur einen Millimeter verschoben hat, sieht man es“, so Bönsch. Ein Dammbruch sei wegen der Erdbeschaffenheit so gut wie ausgeschlossen. Es handele sich eigentlich nicht um eine Staumauer, sondern um eine Lehmschicht, die mit einer Betonschicht versehen worden ist: „Daher können höchstens Risse entstehen. Wir können dann aber das Wasser noch kontrolliert ablaufen lassen. Dass Schweinheim von einer Flutwelle getroffen wird, wird nicht passieren“, versichert Bönsch.
Die tägliche Kontrolle ist dennoch Pflicht, weil für Talsperren in Deutschland eine ganz besondere Sicherheitspflicht gilt (siehe „Hohe Sicherheitsstufe“). An der Steinbachtalsperre hält seit 1936 ein 22 Meter hoher, 80 Meter breiter und 250 Meter langer Damm den Wasserkräften stand. Die Talsperre wird vom Stein- und Treuenbach gespeist, zwei relativ kleinen Bächen im Vergleich zum riesigen Volumen des Stausees. Im Einzugsgebiet von rund 14 Quadratkilometern nimmt der drei Kilometer lange Steinbach sein Wasser auf. Je nach Niederschlag werden zwischen zehn und mehreren tausend Litern Wasser pro Sekunde geführt. Inmitten des Herdweges „entspringt“ erneut der Steinbach, dem die Talsperre ihren Namen verdankt.
Über den Grundablass verlassen mindestens zehn Liter Wasser pro Sekunde die Talsperre und speisen im Unterlauf den Steinbach – wenn Bönsch es denn möchte. Läuft der Stausee voll, regelt die Hochwasserentlastung, ähnlich wie ein Überlauf in der Badewanne, zusätzlich den Abfluss in den Steinbach.
Das Wasser des Steinbachs wird zunächst im 50 000 Kubikmeter großen Vorstau gesammelt. Hier setzen sich Sedimente ab, und hier wird auch das Treibholz aus dem Wasser gefischt. Vom Vorstau gelangt das Wasser in den eigentlichen Stausee. Wie viel Wasser vom Vorstau in den Stausee läuft, wird genau dokumentiert. Läuft erheblich mehr Wasser hinein als normal, sendet das System automatisch eine Störmeldung. Diese erhält Bönsch, der sich um die Problembehebung kümmert.
Den Posten des Talsperrenwärters hat er von Helmut Mückel Anfang 2015 übernommen. Zuvor hatte dieser sein Wissen aus 35 Dienstjahren an der Talsperre zwei Jahre lang an seinen Nachfolger weitergegeben. Für den 37-jährigen Bönsch ist es ein absoluter Traumberuf.
Bei starken Regenfällen ist er oft schon vor Dienstbeginn vor Ort: „Wenn es die Nacht über geregnet hat, bin ich schon um kurz nach 6 Uhr da, um zu sehen, was los ist. Etwas stressig wird’s im Sommer, wenn viel Publikumsverkehr herrscht. Die Besucher ignorieren das Badeverbot und hinterlassen viel Müll.“
Nicht nur in solchen Fällen, sondern auch bei den in der Vegetationsperiode anfallenden Forst- und Grünpflegearbeiten kann sich der Talsperrenwärter auf seinen Kollegen Leon Migdalski verlassen. Mittlerweile bilden sie ein eingespieltes Duo. Die Arbeit in der Natur macht beiden viel Spaß. Doch es steht auch täglich Büroarbeit auf dem Programm. In einem kleinen Haus am Fuße der Talsperre müssen an jedem Tag alle Daten per Computer dokumentiert und in regelmäßigen Abständen an die Bezirksregierung weitergeleitet werden. Die Messungen der Wasserhöhe werden an allen europäischen Talsperren zeitgleich um 8 Uhr morgens mitteleuropäischer Zeit durchgeführt, auch an Sonn- und Feiertagen. Die Regionalgas hat dafür extra einen Talsperren-Bereitschaftsdienst eingerichtet.