Seit dieser Woche sind auch die Hausärztinnen und -ärzte ins Impfen eingestiegen.
Wir haben Dr. Ursula Seeger aus Schleiden bei einem Hausbesuch begleitet.
Ihre 90-jährige Patientin ist froh über den Impfstoff von Biontech.
Schleiden – Zu hören, dass sie gegen das Coronavirus geimpft werde, war für Helene Winter „das schönste Ostergeschenk“. Der Anruf von Hausärztin Dr. Ursula Seeger aus Schleiden kam am Gründonnerstag. Knapp eine Woche später, am Mittwoch kurz nach 13 Uhr, ist es soweit. Die 90-Jährige bekommt in ihrer Küche zwischen Esstisch und Vitrine die ersehnte Spritze. Der Impfstoff kommt von Biontech.
Als wäre es ein Besuch wie jeder andere, sitzt die 90-Jährige in ihrem Rollstuhl und beobachtet, wie Seeger ihr Equipment auspackt und auf dem Esstisch verteilt: die Kühltasche, die Spritzen mit dem Impfstoff, das Desinfektionsmittel für die Einstichstelle und den Stempel der Praxis, der später in den Impfpass kommt.
Transport ins Impfzentrum nicht mehr möglich
„Das geht nicht so einfach wie bei einer Grippeimpfung“, erklärt die Allgemeinmedizinerin. „Die Corona-Impfung ist mit so viel Papierkram verbunden.“ Winters Sohn Horst, der mit seiner Mutter zusammenlebt und sie pflegt, hat im Vorhinein schon mal einen Aufklärungsbogen und eine Einwilligungserklärung ausgefüllt. Die Papiere hat er gleich nach dem Anruf vergangene Woche in der Praxis abgeholt, damit es heute schneller geht.
Die Liste der Vorerkrankungen seiner Mutter sei so lang, dass er sie gar nicht alle eintragen könne, sagt er. Warum seine Mutter nicht schon längst im Impfzentrum geimpft wurde? „Der Transport zum Impfzentrum ist nicht mehr möglich“, berichtet er. „Ich kann ja gar nicht mehr auf zwei Beinen stehen“, ergänzt die 90-Jährige.
Auch Sohn wird zu Hause in Schleiden geimpft
Angst vor der Spitze habe sie keine, sagt sie. Bisher habe sie alle Impfungen gut vertragen. Als es soweit ist, hält Winter gespannt den gerafften Ärmel ihres grauen Pullis oben zusammen. Die Impfung dauert nur wenige Sekunden. Als die Ärztin fertig ist, sagt Winter: „Na, Sie sind aber vorsichtig.“ Fast schon, als wäre sie enttäuscht, nichts gespürt zu haben. „Die Einstichstelle könnten Sie noch ein paar Tage spüren“, klärt Seeger auf. „Mit Schmerzen kenne ich mich aus“, antwortet die 90-Jährige nüchtern und rollt zur Seite. Nun ist ihr Sohn dran.
Als Angehöriger seiner stark pflegebedürftigen Mutter bekommt auch er eine der 30 Biontech-Impfdosen, die die Gemeinschaftspraxis von Seeger diese Woche für die Patienten bekommen hat. „Wir hatten 50 Dosen in der Apotheke bestellt, um möglichst viele impfen zu können. Das war die maximale Anzahl. 30 haben wir dann bekommen“, so die Hausärztin, die an diesem Tag insgesamt zwölf ältere Patienten und gegebenenfalls deren pflegende Angehörige impfen wird.
Sie wird zu denjenigen fahren, die auch sonst zu Hause untersucht werden, weil sie den Weg in die Praxis nicht mehr schaffen. Nur eine Patientin, die die Hausärztin gemäß den Vorgaben ausgesucht hatte, habe für die Impfung abgesagt. Beziehungsweise ihr Ehemann. Er habe Angst, dass seine demenzkranke Frau nicht mehr in der Lage sei, Bescheid zu geben, sollte es ihr nach der Impfung nicht gut gehen, berichtet die Ärztin.
Ab Dienstag soll in der Praxis selbst mit dem Impfen begonnen werden. In den kommenden Wochen soll die Anzahl der gelieferten Impfdosen steigen. Auch andere Impfstoffe als der von Biontech werden dann geliefert.
Froh über Impfung mit Biontech
Auf die Frage, ob er sich auch mit dem Impfstoff von Astrazeneca hätte impfen lassen, antwortet Horst Winter mit einem klaren Nein. Dafür habe es in den vergangenen Wochen zu viel Hin und Her gegeben. Auch seine Mutter ist froh, dass ihr die Entscheidung abgenommen wurde. „Es ist schon gut so, wie es ist“, sagt sie.
Nach der Spritze setzt sich Seeger vor Kopf an den Küchentisch, um die Impfungen in die Impfpässe einzutragen. „Die zweite Impfung trage ich dann auch gleich mit Bleistift ein“, sagt sie. In sechs Wochen, am 19. Mai, wird sie wieder in die Küche der Winters kommen. Dann ist die zweite Dosis dran.
Hausärzte schaffen Vertrauen
Horst Winter begleitet Seeger durch den dunklen Flur, die Treppen hinab zurück bis zum Auto. Der 60-Jährige sieht erleichtert aus, als er die Maske draußen abnimmt und lächelt.
Auf der Fahrt zum nächsten Patienten erklärt Seeger, warum sie froh ist, ihre Patienten nun selbst impfen zu können. „Es hieß ja immer, dass es gut sei, dass wir die Patienten kennen. Das Entscheidende ist aber, dass die Patienten uns kennen“, sagt die 56-Jährige. Das schaffe Vertrauen. Ebenso wie das Aufklären der Patienten über die Impfstoffe und mögliche Nebenwirkungen.
Grundsätzlich empfehle sie die Impfung allen, die nicht gerade in Chemo sind oder kürzlich einen allergischen Schock hatten. Für Seeger steht fest: „Wir werden die Pandemie erst in den Griff bekommen, wenn genügend Leute geimpft sind. Und ich denke, in Masse erreichen wir die Menschen über die Praxen. Aber es ist wichtig, dass auch die Impfzentren parallel weiterhin impfen.“
Die Mehrarbeit, die das Impfen für die Hausärzte bedeute, nehme sie gerne in Kauf. So wie an diesem Mittwoch. Eigentlich hat Seeger in dieser Woche Urlaub.