Nach 15 Jahren Vorlauf ist der Weg frei für ein Wasserkraftwerk in Gemünd. Knackpunkt war zum Schluss der Schutz von Äschenlarven in der Urft.
Erfolg vor GerichtWasserkraftwerk in Gemünd kann jetzt endlich gebaut werden
Hubert Verbeek war erleichtert. Das Verwaltungsgericht in Aachen hatte am Mittwoch nach rund zweistündiger Verhandlung eine Auflage des Kreises Euskirchen zurückgenommen, wonach das von ihm in Gemünd geplante Wasserkraftwerk zum Schutz von Äschenlarven zwei Monate im Jahr abgeschaltet werden muss. Stattdessen sollen nun vor dem Bau und danach Befischungen durchgeführt werden, um zu sehen, wie sich der Äschenbestand entwickelt. Damit könnte ein Projekt vor der Realisierung stehen, an dem Verbeek schon seit 15 Jahren arbeitet.
Der Investor, der bereits ein Kraftwerk an der unteren Rur betreibt, hatte 2009 bei einer Mountainbiketour das Wehr in Gemünd entdeckt. Daraufhin kaufte er die Wehranlage und angrenzende Flächen, die für das Wasserkraftwerk benötigt werden, und begann mit den Planungen. Zweimal wurde das Projekt im Schleidener Stadtentwicklungsausschuss vorgestellt.
Kreis Euskirchen machte bei seiner Bewilligung zwölf Auflagen
2020 hatte Verbeek endlich alle Genehmigungen zusammen. Ein Jahr später sollten eine Detailplanung für das seinerzeit auf rund 600.000 Euro bezifferte Projekt erstellt und die Aufträge vergeben werden. Mit dem Bau des Wasserkraftwerks, das jährlich etwa 450.000 Kilowattstunden erzeugen und damit rund 150 Vier-Personen-Haushalte mit Strom versorgen kann, sollte 2022 begonnen werden. Die Anlage soll zusätzlich bei Hochwasser auch den Wasserstand der Urft absenken können.
Aber es gab Probleme: Der Kreis Euskirchen erteilte zwar Ende Juli 2020 eine wasserrechtliche Bewilligung für die Entnahme von Wasser aus der Urft zum Antrieb einer Wasserkraftanlage zur Stromerzeugung. Allerdings, so Verbeek, machte er dafür zwölf Auflagen.
Gegen den Bescheid klagten nach Auskunft des Kreises der Landesfischereiverband Westfalen und Lippe und auch Verbeek, der mit mehreren Nebenbestimmungen der Bewilligung nicht einverstanden war. Die Klage des Fischereiverbands wurde laut Kreis nach einer ersten mündlichen Verhandlung im Mai 2022 vom Verwaltungsgericht Aachen abgewiesen.
Anlage in Gemünd sollte jedes Jahr für zwei Monate abgeschaltet werden
Doch die Klage von Verbeek führte laut Kreisverwaltung dazu, dass die Bewilligung im Nachgang abgeändert wurde und so einige klagegegenständliche Aspekte ausgeräumt werden konnten. Doch gegen einen Punkt erhielt Verbeek die Klage aufrecht. Dabei ging es um die Auflage, dass er die Anlage zwei Monate im Jahr abschalten sollte, um Äschenlarven zu schützen. „Ich kenne keine andere Anlage, der man so eine Auflage gemacht hat. Deshalb war ich auch optimistisch, dass das Gericht in meinem Sinne entscheiden wird“, sagte der Elektro-Ingenieur. Er sei froh, dass die Auflage nach dem Prozess nun vom Tisch sei und er die nächsten Schritte in Angriff nehmen könne. Zuerst müsse jetzt die Planung aktualisiert werden.
„Die Äsche wird seit vielen Jahren auf der Roten Liste der Süßwasserfische Deutschlands als stark gefährdet eingestuft. Daher hat der Kreis zum Betrieb des geplanten Wasserkraftwerkes die Auflage erteilt, die Anlage zunächst für zwei Monate im Jahr abzuschalten, um die Äschenlarven und damit das Vorkommen dieser Tierart zu schützen“, teilt Kreis-Pressesprecher Wolfgang Andres mit. Die Äsche sei in dieser Gewässerregion eine „Charakterart“. Ihr Vorkommen könne ein entscheidender Indikator für die Erreichung des ökologisch guten Zustands der Gewässer gemäß der EU-Wasserrahmenrichtlinie sein.
Äschenpopulation der Urft soll vor und nach dem Bau untersucht werden
„In der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kreis die Auflage zur zeitweisen Abschaltung der Anlage im gegenseitigen Einvernehmen zurückgenommen, da sich der Betreiber des geplanten Wasserkraftwerkes bereit erklärt hat, auf eigene Kosten eine Untersuchung zur Äschenpopulation in Auftrag zu geben“, so Andres weiter. Dieses Monitoring, das in Abstimmung mit dem Kreis und dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) zu erfolgen habe, soll einen hinreichenden Überblick zu der Äschenpopulation vor und nach Bau und Inbetriebnahme der Anlage liefern. „Sollte dieses Monitoring ergeben, dass die Population durch den Betrieb des Wasserkraftwerks beeinträchtigt wird, kann der Kreis erneut Auflagen zum Schutz der Äschen erlassen“, heißt es abschließend in der Mitteilung.
„Bei der Verhandlung konnte niemand aktuelle Zahlen zum Äschenbestand vorlegen“, sagte Verbeek. Seit der Flut habe es keine Befischungen mehr gegeben. Er geht davon aus, dass der Bestand von der Flut weggespült wurde. Der Kreis verweist auf regelmäßige Untersuchungen des LANUV, bei denen „ zumindest bis 2015/2016 in diesem Bereich Äschen nachgewiesen“ worden waren.
Verbeek sieht das gelassen: „Wir gehen davon aus, dass sich die Situation für alle Fischarten, nicht nur für die Äsche, verbessern wird.“ Die neue Fischtreppe werde positive Effekte haben. Ziel sei es, im kommenden Jahr mit den Arbeiten zu beginnen. „Wir müssen sehen, wann die Turbinen geliefert werden können“, so der Investor.
Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings hatte das Projekt von Anfang an befürwortet und war dementsprechend erleichtert: „Ich freue mich, dass das Kraftwerk nun realisiert werden kann.“ Verbeek habe sich zum Glück nicht entmutigen lassen.