Malte Duisberg ist Geschäftsführer der Stiftung Evangelisches Alten- und Pflegeheim Gemünd. Für einen möglichen Blackout haben er und seine Mitarbeiter vorgesorgt. Eine Sache macht ihm aber Sorgen.
Horrorszenarien werden entworfenSeniorenheim EvA in Gemünd ist für möglichen Blackout vorbereitet
Das Undenkbare zu denken – das ist das Gebot der Stunde, wenn es darum geht, sich auf die nächsten Wochen und Monate vorzubereiten. Tagelange Blackouts, Lieferstopp von Gas: Viele Horrorszenarien werden entworfen, wenn es um die Gefahren geht, die durch die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine und den Wegfall des russischen Erdgases drohen.
Für Malte Duisberg ist das Undenkbare in den Bereich des Möglichen gerückt. „Das Sicherheitsgefühl bei mir ist weg“, sagt der Geschäftsführer der Stiftung Evangelisches Alten- und Pflegeheim Gemünd (EvA). Er spricht leise und wählt seine Worte sorgfältig, wenn er darüber spricht, wie sein Haus sich auf einen möglichen Blackout vorbereitet. „Die Verpflichtung, 120 Menschen am Leben zu erhalten, ist schlicht ergreifend“, sagt er.
Altenheim in Gemünd hat sowohl von der Flut als auch von Corona viel gelernt
Zwei Lernschleifen habe das Altenheim am Gemünder Berg hinter sich: Corona und die Flut, insofern sei das Thema nicht neu. „Wir haben im Lockdown bereits über die Bevorratung nachgedacht, aber die Flut war eine Steigerung“, berichtet Duisberg. Kein Strom, kein Wasser, und das über mehrere Tage – niemand habe gewusst, welchen Mitarbeitern es gelingen würde, sich durch die zerstörte Infrastruktur zu kämpfen, um das Altenheim zu erreichen.
„Wir haben damals einen Krisenstab gegründet, den wir jetzt wiederbelebt haben“, so der EvA-Geschäftsführer. Grundlage seien die Handreichungen und Checklisten gewesen, die der Verwaltung des Altenheims zur Verfügung gestellt worden seien. Jeder Abteilungsleiter habe eine Liste erhalten – mit der Aufgabe, diese nur mit Blick auf die eigene Abteilung durchzuarbeiten, ohne auf das große Ganze zu achten. „Die Ergebnisse fügen wir jetzt zu einem großen Bild zusammen“, so Duisberg.
Grundsätzlich gehe es bei seinem Haus um die Versorgung von Menschen. 120 Personen leben in dem Gebäude in Gemünd und im Betreuten Wohnen in Kall. „Das heißt, genügend Lebensmittel, Trinkwasser und ausreichend medizinische Hilfsmittel bereitzuhalten. Wir könnten jetzt schon zehn Tage durchhalten“, berichtet Duisberg.
Als die Flut gekommen sei, habe es durch die Corona-Pandemie bereits einen Grundstock an Vorräten gegeben. Die Befürchtung sei gewesen, dass durch den Lockdown keine Belieferungen mehr möglich sein könnten. „Wir haben damals die Vorräte sukzessive aufgefüllt, aber nur für wenige Tage“, sagt er. Nur um Brot zu bekommen, seien er und die Küchenchefin Maria Kirfel durch die Eifel gefahren und hätten die Bäckereien abgeklappert.
Notstromaggregat für Tiefkühlhäuser in Gemünd
Jetzt seien die Lagerräume im Keller voll. Die Tiefkühlhäuser seien technisch so verändert worden, dass ein Notstromaggregat angeschlossen werden könne. Zwei Geräte seien bereits im Haus, das zweite stehe für die Heizung bereit, ein drittes komme demnächst. „Gas sollen wir ja bis zum Schluss bekommen, aber die Heizung benötigt auch Strom“, erklärt er.
Da in der Küche mit Strom gekocht werde, seien ein Kohlegrill und ein Gaskochgerät angeschafft worden, schildert Duisberg die Vorbereitungen. Auch mit Brennpaste betriebene Warmhalteschalen stünden für die einzelnen Abteilungen bereit. Küchenchefin Maria Kirfel habe eigene Speisepläne für den Fall eines Stromausfalls ausgearbeitet. Die Beatmungsgeräte, die mit Strom laufen, seien bereits auf Akkubetrieb umgerüstet worden.
„In der Flutnacht haben unsere Mitarbeiter die Bewohner mithilfe von Handytaschenlampen gepflegt, da haben wir gesagt, das passiert uns nicht noch einmal“, erinnert sich Duisberg. Deshalb seien für jede Abteilung Stirnlampen und Taschenlampen angeschafft worden.
Auch der Bereich Verwaltung musste Vorkehrungen treffen. „Wir dokumentieren zwar alles digital, aber für jeden Bewohner gibt es einen Notfallordner in Papierform, der immer auf dem neuesten Stand ist, um für jeden Medikamente und die richtige Pflege bereithalten zu können. Am Ende kommt man wieder aufs Papier“, so Duisberg.
Feuerwehr in Konzept für das EvA einbezogen
Der Führer der Feuerwehr-Löschgruppe Gemünd, Stefan Träger, sei für eine Begehung in die Einrichtung gekommen. Für den Fall, dass die Telefonnetze wie in der Flutnacht wieder zusammenbrechen, stehe immer ein vollgetankter Wagen vor der Tür, um die Verbindung mit den Wohnbereichen in Kall aufrechterhalten zu können. Im Bereich der ambulanten Pflege seien reduzierte Routenpläne ausgearbeitet worden. Doch die externe Versorgung mit Essen werde im Ernstfall nicht möglich sein. „Man fragt sich immer, was man vergessen haben könnte“, sagt Duisberg.
Bis zum Jahresende will das Altenheim die Vorkehrungen für einen möglichen Blackout abschließen. Ein Problem sei bis dahin allerdings nicht gelöst: Wie kann im Ernstfall die Versorgung der Bewohner mit Medikamenten sichergestellt werden? Aktuell wird das Altenheim einmal pro Woche mit Arzneimitteln beliefert, doch wie wäre das im Ernstfall? „Wir sind mit der Apotheke im Gespräch, wie das gehen kann“, so der Leiter des EvA. Auch der Kreis bemüht sich um eine Lösung.
Sollte ein Blackout mehrere Tage dauern, werde es spannend. Eine Aufgabe stelle dann auch die psychologische Betreuung der Bewohner dar. „Mit warm, satt, sauber ist es nicht getan. Wir müssen den Menschen betrachten: Wie betreuen wir die Bewohner, um Unruhe zu vermeiden?“, sagt er.
Während des Blackouts nach der Flut seien die Mitarbeiter rundgelaufen und hätten die Menschen spüren lassen, dass sie nicht allein seien. „Wir haben durch den Ukraine-Krieg schon große Unruhe unter den Bewohnern, bei denen alte Kriegserlebnisse wieder hochkommen“, erklärt er. Die Mitarbeiter seien extra dafür geschult worden. Für diese sei es aber eine Herausforderung. „Die haben, wenn es ernst ist, auch ihre eigenen Sorgen, die geben sie nicht an der Haustür ab.“
Nicht nur das Evangelische Alten- und Pflegeheim Gemünd beschäftigt sich mit der Möglichkeit eines Stromausfalls, sondern auch der Kreis Euskirchen samt anderer Einrichtungen.
„Der erste Austausch zwischen Vertretern des Kreises und dem Arbeitskreis Menschen mit Behinderung verlief konstruktiv und zeigte, an welchen Stellen der Austausch weiter intensiviert werden sollte. Wir möchten so gut wie möglich auf die speziellen Bedarfe eingehen, beispielsweise durch Informationen in leicht verständlicher Sprache oder in Bildform“, sagt Landrat Markus Ramers.
Der Kreis habe den Kontakt zur Kassenärztlichen Vereinigung aufgenommen, um mögliche „Depotapotheken“ zu diskutieren, die Medikamente für Senioreneinrichtungen und Krankenhäuser vorhalten. (tom)