Kreis Euskirchen – In dieser Situation gibt es wohl keine Gewinner, aber ganz sicher einen großen Verlierer: den Amateurfußball. Am Montag hat der Fußballverband Mittelrhein (FVM) bekannt gegeben, dass zum zweiten Mal in Folge die Saison abgebrochen wird.
„Die Entscheidung zur Annullierung der Saison ist zweifellos ein massiver Eingriff in den Spielbetrieb“, sagt Markus Müller, Vorsitzender des Verbandsspielausschusses: „Wir haben die Entscheidung deshalb auf allen Ebenen sorgfältig vorbereitet und breit abgestimmt.“
Der Verband
„Wir wollten unbedingt die sportliche Lösung, aber die Pandemie hat uns ausgebremst“, bedauert Bernd Neuendorf, Präsident des FVM. Die Entscheidung zum Saisonabbruch haben laut Neuendorf der FVM-Beirat und der FVM-Jugendbeirat einstimmig beschlossen. Die Entscheidung betrifft alle Ligen der Herren, Frauen und Jugend – von der Mittelrheinliga bis in die Kreisligen. Da die für eine sportliche Wertung erforderliche Anzahl an Spielen von mindestens 50 Prozent nicht mehr erreicht werden kann, wird die Spielzeit annulliert.
Das heißt: Es gibt keine Meister, Auf- und Absteiger. „Das war die Voraussetzung, unter der alle Vereine in die Meisterschaft gestartet sind. Es wird leider immer Ungerechtigkeiten geben“, so Neuendorf: „Wir müssen uns an unsere Beschlüsse und Satzungen halten, sonst werden wir unglaubwürdig. Das ist das schlimmste, das einem Verband passieren kann.“
Eine grundsätzliche Verlängerung der Saison über den 30. Juni hinaus sei nicht möglich, sagt Verbandsspielausschuss-Chef Müller. Dafür gebe es zwei Gründe: die am 5. Juli beginnenden Sommerferien und die Saison 2021/22, die nach Wunsch des FVM wieder zum normalen Zeitpunkt beginnen soll – also Ende August, Anfang September.
Die Gewinner
Alle Mannschaften, die wohl ohne einen fußballerischen Kraftakt die Klasse nicht gehalten hätten. Dazu hätte wohl beispielsweise der SV Frauenberg gehört, der bis zum achten Spieltag in der Bezirksliga drei Unentschieden verbucht hatte. Auch der FC Heval ist ein Gewinner. Der A-Ligist zog über den Losentscheid als dritter Teilnehmer aus dem Kreis in den FVM-Pokal ein – wenn er denn ausgespielt werden kann. Zudem sind der SV Bessenich und Erftstadt-Lechenich qualifiziert.
Die Verlierer
Der SV Bessenich hatte vor der Saison viel Geld in die Hand genommen und schließlich einen hochkarätigen Kader zusammen. Entsprechend wurden die ersten acht Spiele in der A-Liga allesamt gewonnen. Mit dem Aufstieg wird es in diesem Jahr dennoch nichts. Auch der SC Roitzheim war perfekt in der Kreisliga C gestartet, hatte noch keinen Gegentreffer kassiert. Auch dort wird man einen neuen Versuch starten müssen.
Mechernichs Trainer Guido Mertens bleibt der ihm gebührende Abschied verwehrt. Nach der Saison wäre für den Erfolgstrainer Schluss gewesen. Nun endete seine Trainertätigkeit zu unspektakulär am Grünen Tisch.
Der ETSC hatte seine Mannschaft nach dem fünften Spieltag aus der Landesliga zurückgezogen. Dieser Rückzug gilt trotz Annullierung der Meisterschaft. Hätte man drei Spieltage länger gewartet, dann könnte man in der neuen Saison wieder Landesliga spielen.
Die JSG Erft hätte es dem FC Heval im Spiel um Platz 3 wohl schwer gemacht. So fiel das Los gegen den B-Ligisten aus Kuchenheim.
So geht es weiter
Offen ist noch die Entscheidung zu den Pokalwettbewerben der Herren (Bitburger-Pokal) und Frauen auf Verbands- und Kreisebene. Die Vertreter der spielleitenden Stellen führen in den nächsten Tagen Gespräche mit allen beteiligten Vereinen. Ziel ist es, einen Teilnehmer für den DFB-Pokal der Herren und Frauen zu melden.
Ohne Wertung sind die Pokalwettbewerbe im Jugendbereich auf Verbands- und Kreisebene beendet.
Einen Plan für die kommende Saison habe man nicht in der Schublade, sagt Markus Müller, Vorsitzender des Verbandsspielausschusses. Auch die Fragen, ob in der neuen Saison mehr Spieltage in der Vorrunde angesetzt werden, um schneller auf die 50 Prozent der Spiele zu kommen, die nötig sind, damit eine Saison gewertet wird, oder ob es eine Spielplanreform geben wird, ließ der Verband offen. Eine Möglichkeit, die der Kreis Euskirchen vor zwei Jahren für die Kreisliga C diskutiert hatte, von den Vereinen aber mehrheitlich abgelehnt worden war, wird der Handballverband-Mittelrhein umsetzen. Umfasst die Liga mehr als zehn Mannschaften soll zunächst eine Herbstrunde ausgespielt werden. Nach Abschluss der Hinrunde werden eine Meister- und eine Abstiegsrunde gespielt. Hierzu werden dann die Mannschaften die in der Hinrunde zwischen Platz 1 und 8 in der Meisterrunde und die Mannschaften die zwischen Platz 9 bis 16 in der Abstiegsrunde platziert, wobei die Ergebnisse aus der Vorrunde übernommen werden.
Doris Mager, Vorsitzende des Fußballkreises, lässt noch offen, ob die neue Runde des Kreispokals bereits im Juli oder August gestartet wird. Für solche Planungen sei es derzeit ebenfalls noch zu früh. Wichtig sei zunächst, dass überhaupt trainiert werden könne.
Und sonst?
Der SV Sötenich hat die erste Verpflichtung getätigt. Marvin Neumann vom SV Bessenich wechselt zum Bezirksligisten in die Eifel. „Ihn wollten wir schon immer haben“, freut sich Trainer Christian Hammes über den Transfer.
Beim SV Frauenberg steht der Kader nach Angaben von Spielertrainer Sebastian Kaiser schon. Lediglich ein Spieler aus dem Team habe sich noch Bedenkzeit erbeten. Torwart Dominik Schöpfer verlässt den SSV Lommersum. Der Schlussmann schließt sich dem SV Bessenich an und wird dort Luis Urbig ersetzen, den es in die USA zieht.
Viel Verständnis für die Entscheidung: Die Stimmen zum Saisonabbruch
Martin Kerkau, Zweiter Vorsitzender des Bezirksligisten SV Nierfeld: „Die Entscheidung ist aufgrund der hohen Zahlen natürlich nachvollziehbar. Trotzdem ist es eine sehr traurige Nachricht, weil der Sport eine enorme Wirkung auf die Gesellschaft ausübt. Besonders leid tun mir die vielen Kinder und Jugendlichen, die ihren Bewegungsdrang nicht wie sonst ausleben können. Aber auch für diejenigen, die sich in den letzten Monaten Konzepte für die mögliche Weiterführung des Spielbetriebs überlegt haben, ist es extrem schade.“
Gerrit Ueckert, Trainer des B-Ligisten DHO: „Wir hätten sehr gerne weitergespielt, standen gut. Gerne hätten wir es zumindest versucht und noch mal angegriffen. Ob es gereicht hätte, weiß man nie. Letztlich ist die Annullierung die logische Konsequenz und wir sind froh, dass der Verband eine Entscheidung getroffen hat.“
„Eigentlich hatte ich schon früher damit gerechnet“
Dirk Kleefuss, Trainer des B-Ligisten SV Mutscheid: „Ich bin damit nicht einverstanden, weil die Ansteckungsgefahr bei Kontaktsport im Freien sehr gering ist, was auch ausreichend belegt wurde. Leider muss sich unser Verband dem beugen. Das kann man gut nachvollziehen. Leider können wir Amateure nur zusehen, wie Profis Millionen scheffeln und wir dürfen unserem Hobby nicht nachkommen? Es gibt die Möglichkeit von Schnelltests und Hygienekonzepte. Warum können diese nicht auch im Amateursport eingesetzt werden? Ich hoffe, dass es in der neuen Saison wieder nur um den Fußball geht und alle Beteiligten den nötigen Ehrgeiz mitbringen, um so eine verkorkste Saison zu vergessen.“
Benjamin Wiedenau, Spieler beim Bezirksligisten TuS Zülpich: „Eigentlich hatte ich schon früher damit gerechnet, dass diese Entscheidung gefällt wird. Dass sie richtig ist, darüber muss man angesichts der aktuellen Pandemie-Lage wohl nicht diskutieren. Was hätte es uns gebracht, in der dritten Welle wieder mit dem Fußballspielen anzufangen? Für mich steht außerdem völlig in den Sternen, wann es überhaupt wieder losgehen kann. Dazu gibt es insgesamt noch viel zu viele offene Fragen.“
Wolfgang Prieß, Trainer des B-Ligisten SV Metternich: „Die Entscheidung kommt nicht überraschend, auch wenn ich wegen der guten Arbeit der Truppe bisher gehofft hatte, dass zumindest die vier Spiele der Hinrunde noch stattfinden könnten. Die Annullierung ist schade für jeden, aber vermutlich das Vernünftigste. Jetzt gilt es, die Jungs bei der Stange zu halten. Es brennen alle darauf, zumindest noch mal adäquat trainieren zu können – aber wann und ob das möglich ist, steht derzeit bekanntlich noch in den Sternen.“
Start vor Oktober „unrealistisch“
Guido Mertens, bis zum 31. Dezember Trainer beim Bezirksligisten TuS Mechernich: „Für den einen oder anderen Verein ist es durch die Annullierung sicherlich eine verlorene Spielzeit. Bei meinem ehemaligen Klub ist das vorzeitige Saisonende allerdings keine so schlechte Sache. Denn der Kader ist nicht so breit besetzt und speziell auf der Torhüterposition gibt es neben Max Mies keine weitere Alternative. Da hätte es im Hinblick auf die zahlreichen Partien unter der Woche einige Probleme gegeben.“
Paul Esser, Trainer des Landesligisten SC Germania Erftstadt-Lechenich: „Ich habe die Bekanntgabe des Verbands wohlwollend aufgenommen, denn es geht einzig und allein um die Gesundheit der Fußballer und darüber hinaus auch um deren berufliche Existenz. Egal, ob es das Studium, die Lehrstelle oder den Arbeitsplatz betrifft – kein Amateurspieler sollte einem zu hohen Risiko ausgesetzt werden. Allerdings glaube ich, dass die Gefahr nicht auf dem Sportplatz an der frischen Luft, sondern eher in der Kabine oder im Vereinsheim lauert. Der Verband sollte schon jetzt darüber nachdenken, wie es mit der kommenden Saison weitergehen könnte. Einen Start vor Ende September oder Anfang Oktober halte ich für sehr unrealistisch.“
Sebastian Kaiser, Trainer des Bezirksligisten SV Frauenberg: „Die Entscheidung war zu erwarten. Es ging letztlich nur um den Zeitpunkt. Wir freuen uns auf ein weiteres Jahr in der Bezirksliga. Aber wir hätten auch gerne weitergespielt und versucht, es sportlich zu schaffen.“
Christian Hammes, Trainer des Bezirksligisten SV Sötenich: „Ich freue mich natürlich über ein weiteres Jahr Bezirksliga, bin aber davon überzeugt, dass wir es auch sportlich geschafft hätten. So ist es erfreulich, aber die Umstände sind tragisch, weil wir wieder auf den Platz wollen. Wir hatten nach acht Spieltagen sechs Punkte Vorsprung. Wenn mir das vor der Saison jemand gesagt hätte, den hätte ich für verrückt erklärt. Die Mannschaft bleibt zusammen und wird punktuell verstärkt.“
„Beschluss ist richtig und alternativlos“
Oliver Bosbach, Trainer des A-Ligisten SSV Weilerswist: „Es war länger abzusehen, dass eine Fortsetzung der Saison nicht realisierbar ist. Der Abbruch ist absolut alternativlos. Vielleicht hätte unser zweiter Platz wegen eines guten Quotienten für den Aufstieg gereicht, aber eine abgebrochene Saison ist nichts Halbes und nichts Ganzes.“
Marcel Timm, Trainer des B-Ligisten SG Dahlem-Schmidtheim: „Ich will nicht sagen, ob die Entscheidung richtig oder falsch war. Sie ist auf jeden Fall gegen den Fußball. Aufgrund der hohen Inzidenzwerte aber sicherlich nachvollziehbar.“
Gerd Teuber, Sportlicher Leiter der Sportfreunde 69 in der Kreisliga A: „Die zur Verfügung gestandene Vorbereitungszeit für einen Beginn Anfang Mai hätte ich schon kritisch gesehen. Der Beschluss ist richtig und alternativlos.“
Christoph Hemmersbach, Trainer BC Bliesheim (A-Liga): „Es war die richtige Entscheidung, die ich mir früher gewünscht hätte. Man hat sich die ganze Zeit versucht fit zu halten und sich zu motivieren. Jetzt können wir uns auf die neue Saison freuen. Hoffentlich coronafrei.“ (bra/vju/küp/tom)