In Tondorf gärt es: Das Vorhaben der Gemeinde Nettersheim, Geflüchtete im Haus Nikolaus unterzubringen, löst Besorgnis aus.
Haus Nikolaus in TondorfWeitere Unterkunft für Geflüchtete in der Gemeinde Nettersheim
Es dürfte keine angenehme Bürgerversammlung für Nettersheims Bürgermeister Norbert Crump gewesen sein, der er sich am Montagabend im Dorfsaal in Tondorf stellen musste. Denn in dem Ort gärt es, seit bekannt wurde, dass die Gemeinde das Haus Nikolaus, die ehemalige Tondorfer Dorfschule, erworben hat. Dass in dem Gebäude Geflüchtete untergebracht werden sollen, hatte sich schnell herumgesprochen.
Für die aufgeheizte Stimmung in der Bürgerversammlung war allerdings nicht unbedingt die Tatsache verantwortlich, dass demnächst Geflüchtete in das lange als Landschulheim genutzte Haus Nikolaus einziehen sollen. Denn eigentlich hat sich Tondorf in den vergangenen Jahren offen und hilfsbereit den Neuankömmlingen gegenüber gezeigt.
Die Pläne der Gemeinde stoßen in Tondorf auf wenig Gegenliebe
Allein drei der insgesamt zehn Flüchtlingsunterkünfte der Gemeinde liegen in dem Ort. 14 Geflüchtete leben aktuell in drei Häusern, die die Gemeinde angekauft hat. Über Probleme ist nichts bekannt. Und auch während der Bürgerversammlung waren keine Beschwerden zu hören.
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Zuerst ging es durchaus friedlich im Dorfsaal zu. Simon Jung, Nachfolger von Sarah Krapohl im Amt des Ortsvorstehers, stellte sich vor. Dann ging es fast eine Stunde lang um verschiedene problematische Verkehrssituationen in Tondorf, bis der eigentliche Aufreger des Abends zur Sprache kam.
Die Absicht, mit dem Haus Nikolaus dort eine vierte Unterkunft zu betreiben, stößt in Tondorf auf wenig Gegenliebe. Der Grund dafür ist, dass das Umfeld als wenig geeignet dafür angesehen wird. Nur durch eine Straße von dem Gebäude getrennt liegt ein Kindergarten, und auch ein Bushaltestelle ist in der Nähe. Einige Mütter äußerten, dass sie Angst um ihre Kinder hätten.
Zuerst sollen 13 Frauen und Kinder ins Haus Nikolaus einziehen
Das Konzept, mit dem die Gemeindeverwaltung das Haus betreiben und damit auch den Sorgen begegnen will, klingt plausibel. Im Februar oder März sollen dort 13 Frauen mit Kindern einziehen, die bereits in anderen Unterkünften der Gemeinde gelebt haben und der Verwaltung als besonders integrationswillig bekannt sind. Die danach erfolgenden Zuweisungen durch die Bezirksregierung Arnsberg sollen dann in den freigewordenen Räumlichkeiten untergebracht werden.
Gemeinsam mit den Tondorfern sollen Wege erarbeitet werden, die Geflüchteten zu betreuen und mit ihnen zu arbeiten. Auch sollen die Räume im Erdgeschoss der Schule für Integrationskurse genutzt werden. Vor allem aber sollen die Asylbewerber in Arbeit gebracht werden, kündigte Crump an.
Doch die Tondorfer sehen einige Pferdefüße dieser Planung. Im Haus Nikolaus gibt es aktuell 50 Betten. Er habe nicht vor, diese Zahl zu erreichen, sondern wolle in Kooperation mit den Tondorfern eine verträgliche Belegung erreichen, betonte Crump.
Über weitere Zuweisungen wird in Arnsberg entschieden
Doch die Krux liegt woanders, erläuterte auch der Teamleiter Soziales, Rainer Breinig: Die Gemeindeverwaltung ist nicht Herr des Verfahrens. Wann wie viele Geflüchtete in Nettersheim untergebracht werden, entscheide die für die landesweite Verteilung zuständige Arnsberger Bezirksregierung, sagte er. Zu der bestehe mittlerweile ein gutes Vertrauensverhältnis, so dass vor allem gut integrierbare Asylbewerber nach Nettersheim kommen sollten. „Wir haben die Zusage, dass nur so viele kommen, wie wir unterbringen können“, so Crump.
Viele kritische Fragen wurden gestellt, zum Beispiel, warum der Kindergarten nicht in das Haus Nikolaus einziehe. „Das hätte ich gerne gemacht“, so Crump. Doch der Kreis Euskirchen als Träger habe dem Plan eine klare Absage erteilt.
„Es ist nicht sinnvoll, eine Flüchtlingsunterkunft gegenüber einer Kita zu bauen“, monierte ein Mann. Man müsse auch den Mut haben, nein zu sagen.
Crump machte deutlich, dass er genau diese Option nicht habe, er sei gezwungen, die Zugewiesenen unterzubringen. Weitere Häuser seien derzeit auf dem Immobilienmarkt nicht zu haben. „Wenn ihr Lösungen habt, dann sagt sie“, sagte er. Die prompte Antwort: „Es ist eure Aufgabe, Lösungen zu finden!“
Tondorfer üben harte Kritik an der Nettersheimer Gemeindeverwaltung
Was das Vertrauensverhältnis der Tondorfer zu ihrem Bürgermeister angeht, so scheint das in manchen Fällen gestört zu sein. „Sie fordern Vertrauen, geben aber kein Vertrauen ins Dorf und fragen uns nicht vorher“, klagte eine Frau. Jetzt zu sagen, alles solle gemeinsam gemacht werden, sei ein bisschen frech.
Er denke schon, dass man ihm vertrauen könne, erwiderte Crump, und sah sich daraufhin höhnischem Gelächter und Buhrufen ausgesetzt. „Jetzt kommen drei Mütter mit Kindern – und im April 40 Jugendliche, so sehe ich das“, rief ein Mann. Immer wieder drohte die Situation zu eskalieren, weil die Bürger nur noch laut durcheinanderriefen, so dass der neue Ortsvorsteher eingreifen musste.
Mehrfach wurde kritisiert, dass die Gemeindeverwaltung nicht vorher die Tondorfer über die Pläne informiert habe, sondern vor vollendete Tatsachen gestellt habe. „Ich bin bitter enttäuscht, ich fühle mich hinters Licht geführt“, sagte eine Frau. Das Chaos sei programmiert. Sie habe nach der Veranstaltung noch mehr Angst und sei verunsichert, da sie gemerkt habe, dass es gar kein Konzept gebe. „Wenn der Rat bestimmt, dass eine vierte Unterkunft nach Tondorf kommt, ist es Aufgabe von Rat und Verwaltung, da Lösungen zu finden“, betonte ein Mann.
Diese sollten mit den Tondorfern gemeinsam erarbeitet werden, so warben Crump und Breinig immer wieder um die Kooperation der Dorfbewohner. Er habe nicht vorher informieren können, weil zuerst der Rat den Kaufvertrag habe genehmigen müssen, sagte der Bürgermeister. Im neuen Jahr könne ein erstes Treffen stattfinden, bei dem Lösungsmöglichkeiten erarbeitet werden könnten.
Nach zweieinhalb Stunden löste sich die Versammlung auf. Ein Konsens hat sich in deren Verlauf nicht abgezeichnet.
96 weitere Geflüchtete sind für die Gemeinde Nettersheim angekündigt
Das Haus Nikolaus wurde 1920 als Dorfschule in Tondorf gebaut. 1982 erwarb der Förderverein Haus Nikolaus das Gebäude und nutzte es fortan als Begegnungsstätte für die eigenen Bedürfnisse. Aber auch als Landschulheim diente es. 80 Gruppen pro Jahr mit insgesamt bis zu 3500 Übernachtungen nutzten das Gebäude. Das Haus ist derzeit auf 50 Betten ausgelegt.
Bereits Anfang des Jahres habe der Förderverein die Gemeinde kontaktiert, um über einen Verkauf der Alten Dorfschule zu sprechen, informierte Bürgermeister Norbert Crump. Seit Oktober seien die Verhandlungen in eine entscheidende Phase getreten. Am 12. Dezember stimmte der Rat dem Kauf zu, am 13. Dezember unterzeichnete Crump den Kaufvertrag.
Derzeit leben 132 zugewiesene Geflüchtete in der Gemeinde Nettersheim. Davon bewohnen 75 kommunale Unterkünfte und 57, vor allem Ukrainer, privaten Wohnraum. Die bis zu 750 Geflüchteten in der ehemaligen Eifelhöhen-Klinik stehen in der Betreuung und Verantwortung des Landes, werden aber auf die Zuweisungen von nicht anerkannten Asylbewerbern angerechnet.
Derzeit hat die Gemeinde hinsichtlich der noch aufzunehmenden Flüchtlingsanzahl eine Erfüllungsquote von 48 Prozent. 96 Geflüchtete werden demnächst von der Bezirksregierung Arnsberg der Gemeinde zugeteilt.