Seit einem Jahr ist die einstige Eifelhöhen-Klinik Marmagen Notunterkunft. Es gab Probleme, die Stimmung drohte zu kippen. Nun ist die Lage ruhig.
Eifelhöhen-KlinikWie 1600 Marmagener nun entspannt mit 750 Geflüchteten zusammenleben
Es ist wieder ruhig geworden in Marmagen. Es herrscht Normalbetrieb wie in jedem anderen Ort dieser Größe. Vor der Bäckerei, der Metzgerei und der Zahnarztpraxis im Ortskern ist ein wenig mehr Betrieb, in den Wohnbereichen sind nur vereinzelt Menschen unterwegs. Unter den Passanten sind auch Menschen mit dunklerer Hautfarbe als die der nicht gerade sonnenverwöhnten Eifeler anzutreffen.
Dass das Aufeinandertreffen und Miteinander unterschiedlichster Nationalitäten in einem so kleinen Ort funktioniert, ist vor allem einer Gruppe engagierter Ehrenamtler zu verdanken, die sich für das Zusammenleben von Geflüchteten und Eifelern stark macht.
Die Ausgangslage in Marmagen war nicht einfach
Das Ausgangsszenario war schwierig und am Anfang problembehaftet: In dem Ort mit rund 1600 Einwohnern wurde in der ehemaligen Eifelhöhen-Klinik eine Notunterkunft des Landes für 750 Geflüchtete installiert. Ein derartiges Mengenverhältnis von Einwohnern zu Geflüchteten sorgt andernorts für Demonstrationen und Proteste.
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Auch in der Eifel hielt sich die Begeisterung der Anwohner über die neue Situation – freundlich ausgedrückt – in überschaubaren Grenzen. Doch das Land und die Bezirksregierung, getrieben von der hohen Zahl Geflüchteter, setzten das Projekt durch. Mit Beginn des Jahres 2023 zogen die ersten Geflüchteten in der Eifelhöhen-Klinik ein. Im Frühjahr erreichte die Einrichtung ihre Vollbelegung mit 750 Menschen.
Im Hinterraum des Café Milz sitzen an diesem Vormittag im Januar 2024 neun Menschen zusammen. Viel Platz für Kaffeetassen ist nicht mehr auf dem hölzernen Tisch. Diverse Papiere und Schreibblöcke stapeln sich. Hier geht es nicht um Gemütlichkeit.
Hier wird gearbeitet, das wird schnell klar. Einmal im Monat treffen sich Ehrenamtler aus Marmagen und hauptamtliche Mitarbeiter des Umfeldmanagements vom DRK, das die Einrichtung betreibt. Sie besprechen gemeinsame Veranstaltungen. Es ist ein Projekt, bei dem die Beteiligten erst einmal selbst erarbeiten mussten, wie es vielleicht funktionieren könnte.
Am Anfang gab es mehrere Diebstähle und Einbrüche im Ort
Schon kurz nachdem die ersten Bewohner vor zwölf Monaten in das bis dahin leerstehende Gebäude der ehemaligen Eifelhöhen-Klinik eingezogen waren, gab es die ersten Kontakte der Ehrenamtler zu der Notunterkunft. Schwierig war es zu der Zeit, denn das zuständige Ministerium erschwert und verhindert bis heute, dass Besucher ins Gebäude kommen.
Die Stimmung im Ort drohte zu kippen, als es erste Probleme mit Geflüchteten gab. „Wir hatten einige hier, die nicht wussten, wie sie sich benehmen sollten“, drückt es Manfred Poth, Vorsitzender des Vereinskartells, aus. Es gab Diebstähle und Einbrüche, Müll wurde in der Landschaft verteilt – also nichts, was dem Zusammenleben von Wohnbevölkerung und Geflüchteten förderlich war.
Zahlreiche Maßnahmen beruhigten die Lage in Marmagen
Dass die Lage sich änderte, ist vor allem dem Umstand zu verdanken, dass die Störer, die Straftaten begingen oder durch ihr Verhalten auch das Leben in der Unterkunft durcheinanderbrachten, schnell entweder in Haft kamen oder in anderen Einrichtungen untergebracht wurden. Seitdem werden dem Vernehmen nach Geflüchtete, von denen im Vorfeld bekannt ist, dass Probleme zu erwarten sein können, gar nicht erst nach Marmagen geschickt. Regelmäßige Streifen von Polizei und Ordnungsamt sowie Bürgersprechstunden fanden statt. Letztere wurden eingestellt, als sie nicht mehr nachgefragt waren.
So besserte sich zwar die Lage, doch die Bevölkerung war immer noch unruhig. „Es war am Anfang schwer“, erinnert sich die aus Irland stammende Caoimhe Mund. Doch dann hätten die Leute gemerkt, dass etwas geschehe.
Mit einer Müllsammelaktion mit Geflüchteten wurde ein erster Schritt gemacht. Beim Sportfest der SG Sportfreunde Marmagen-Nettersheim wurden Flüchtlinge aktiv zur Teilnahme animiert. Dabei nutzte Poth, Vorsitzender der Sportfreunde, geschickt die Tatsache, dass sein Verein bereits seit Jahren die Turnhalle in der Eifelhöhen-Klinik nutzt und diese immer noch zur Verfügung stand. Eine Konstellation, die es in anderen Notunterkünften nicht gibt. Auch die Kapelle der ehemaligen Klinik, in der noch alle zwei Wochen ein Gottesdienst stattfindet, stellt eine Besonderheit dar.
Eine Aktion der AfD in Marmagen samt Infostand lief ins Leere
„Ich glaube, das Land war überrascht von dem Willen der Bevölkerung“, sagt Poth heute. Bei einem Besuch des Regierungspräsidenten Dr. Thomas Wilk im Sommer habe er diesen Eindruck gewonnen. Seitdem habe er nicht das Gefühl, dass dem Engagement der Ehrenamtler noch Grenzen gesetzt werden.
Im Gegenteil, seit August ist in der Notunterkunft ein Umfeldmanagement eingerichtet. Sandra Bärlach, Nazmi Rrahmani und Frank Bosse treffen sich nun regelmäßig mit den Ehrenamtlern wie Manfred Poth, Ortsvorsteher Bernd Maus, Burkhard Ohlerth und Caoimhe Mund. Mit dabei sind auch Lea Blindert und Uschi Mießeler, die als Vertreterinnen der Gemeinde Nettersheim das Projekt unterstützen.
Er habe Marmagen nicht der AfD überlassen wollen, sagt Poth offen. Die Partei hatte im Frühjahr die aufgeheizte Stimmung im Dorf nutzen wollen, hatte Flugblätter verteilt und einen Infostand errichtet. „Ich glaube, die waren auf dem Eiffelplatz sehr einsam“, erinnert sich Poth lächelnd. „Ich saß an dem Tag beim Friseur und konnte beobachten, dass niemand zu dem Infostand gegangen ist“, bestätigt Mund.
Von irgendwelchen Anfeindungen von Marmagenern habe er nichts mitbekommen, sagt Poth. Es sei Ruhe im Dorf – mehr sei nicht möglich. Doch letztendlich sei das alles nur durch die gute Zusammenarbeit mit den hauptamtlichen Kräften vom DRK möglich gewesen.
Auch hänge das Gelingen des Prozesses mit der Immobilie selbst zusammen. „Die Marmagener fürchten nichts mehr, als dass die Klinik leer steht“, sagt Poth. Es müsse gezeigt werden, dass dort auch eine Notunterkunft möglich sei. Schließlich, so fügt Maus hinzu, sei das auch nicht anders gewesen, als das Gebäude noch eine Rehaklinik gewesen sei. „Da waren die Leute in Rollstühlen am Anfang auch fremd“, erinnert er sich.
Veranstaltungen und Aktivitäten
Eine bunte Mischung an Angeboten haben die Ehrenamtler gemeinsam mit dem Umfeldmanagement ins Leben gerufen. So wurden Fahrradtouren veranstaltet und Plätzchen gebacken. Oder den Kindern aus der Notunterkunft vermittelt, wie aus Äpfeln Saft entsteht.
Probleme wurden angegangen. Nachdem am Anfang von Geflüchteten in Marmagen Fahrräder entwendet wurden, um nach Nettersheim einkaufen zu fahren, wurden über soziale Netzwerke alte Fahrräder gesucht und gesammelt. Anschließend wurde in der Einrichtung eine Fahrradwerkstatt aufgebaut, und die Zweiräder instandgesetzt. Seitdem sind Fahrraddiebstähle in Marmagen kein Thema mehr.
Mehr als 1200 Menschen, sowohl Geflüchtete als auch Marmagener, sind zu den durchgeführten Veranstaltungen gekommen, teilt die Gruppe mit. Es sei nicht der Maßstab, wie viele Marmagener zu den Veranstaltungen kämen, betont Manfred Poth. Doch über mangelnde Beteiligung können sich die Organisatoren eigentlich nicht beschweren. Bereits zur ersten Veranstaltung, einer Wanderung zur Görresburg, seien zehn Marmagener gekommen. Bei der Kunstausstellung im September im Schützenhaus und dem Konzert mit Geflüchteten in der Pfarrkirche St. Laurentius mit Treffen im Pfarrheim, das im Oktober stattfand, sei jedes Mal die Hütte voll gewesen. Von dem Konzert schwärmen die, die dabei gewesen sind, noch immer.
Zu Weihnachten wurden den Kindern der Notunterkunft Geschenkpakete in Schuhkartons überreicht, und auch der Nikolaus war mit dabei. „Das war die einzige Veranstaltung, die wir bisher in der Einrichtung gemacht haben“, informiert Poth. Nicht immer sei es einfach, die Bewohner der Unterkunft zum Mitmachen zu begeistern. „Bei denen, die gerne Sport machen, ist es einfacher“, berichtet Sandra Bärlach.
In der Regel seien die Geflüchteten auch gar nicht lange genug da, als dass langfristig mit ihnen gearbeitet werden könnten. Doch es gebe Deutschklassen in der Notunterkunft, und sie gehe mit den Bewohnern regelmäßig durch Marmagen. „Die möchten gerne raus und Kontakt aufnehmen“, sagt sie. Seit einem gemeinsamen Tischtennisturnier kommen regelmäßig bis zu zehn Flüchtlinge zum Training des Sportvereins. Für die Zukunft planen die Organisatoren unter anderem ein Schachturnier.