Rund 10.000 Einwohner aus Mechernich und Umgebung durften das Trinkwasser nicht benutzen. Die Stadt gab am Freitag eine Teil-Entwarnung.
Trinkwasser-GroßalarmDas ist bislang zum Sabotage-Verdacht in Mechernich bekannt
Großalarm in Mechernich am Donnerstagabend. Die Feuerwehr informierte mit Lautsprecherdurchsagen im Hauptort sowie in mehreren Dörfern, dass das Trinkwasser nicht verwendet werden darf. Die Warn-Apps auf dem Handy schlugen an. Betroffen waren nach Angaben der Stadt rund 10.000 Einwohner in Mechernich selbst, in Strempt, Roggendorf, Breitenbenden, Weißenbrunnen und Denrath sowie die Kaserne der Bundeswehr.
Grund für diese Ausnahmesituation war eine mögliche Verunreinigung des Trinkwassers – und die Sorge vor einem möglichen Sabotageakt. Unbekannte hatten einen Zaun, der den Hochbehälter der Stadt nahe dem Bundeswehrgelände schützt, beschädigt und sich so möglicherweise Zutritt verschafft. Unklar war, ob jemand in den Hochbehälter eingedrungen war. Dieser ist laut Mechernichs Beigeordnetem Thomas Hambach sowohl eingezäunt als auch alarmgesichert – und dieser Alarm habe nicht angeschlagen.
Bereits am Donnerstag hatte Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick vor Panik und Überreaktion gewarnt, aber die konsequente Beachtung der Vorsichtsmaßnahmen empfohlen.
Teil-Entwarnung nach den ersten Untersuchungen – Abkochgebot bleibt
Am Freitag hatte die Stadt eine Teil-Entwarnung gegeben: Erste Untersuchungen hätten ergeben, dass das Wasser nicht chemisch verunreinigt sei und der Eintrag biologischer Stoffe weitestgehend ausgeschlossen werden könne. Dennoch soll das Trinkwasser aktuell abgekocht werden. Danach kann es zur Nahrungszubereitung, zum Trinken und zum Zähneputzen genutzt werden. Darüber hinaus kann das Leitungswasser für die Toilettenspülung und andere Zwecke ohne Einschränkung genutzt werden.
„Die noch ausstehenden biologischen Wasseruntersuchungen brauchen jetzt ihre Zeit. Wir hoffen, dass wir am Samstag oder Sonntag über die Ergebnisse informieren können“, so Hambach zu der Frage, wann mit weiteren Erkenntnissen zu rechnen sei.
Das sagt die Stadt Mechernich zum Ablauf des Großeinsatzes
Am Donnerstag gegen 16 Uhr, so Schick, habe die Stadt von der möglichen Verunreinigung des Trinkwassers erfahren: „Wir haben dann so schnell wie möglich in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt des Kreises die notwendigen Schritte eingeleitet, um die Bevölkerung zu informieren.“ Dies sei über die Medien, die Sozialen Netzwerke und Lautsprecherdurchsagen der Feuerwehr geschehen. „Außerdem haben wir für ältere Mitbürger Zettel mit den notwendigen Informationen gedruckt und verteilt“, so Schick.
Das Kreiskrankenhaus sei bei einer Lagebesprechung vertreten gewesen. „Die betroffenen Alten- und Pflegeheime haben wir telefonisch informiert“, ergänzte Hambach, der in der Nacht zum Freitag die städtischen Maßnahmen koordinierte. Im Rathaus wurde darüber hinaus ein Bürgertelefon eingerichtet, an dem die beiden Verwaltungskräfte Björn Schäfer und Petra Greif Fragen die Anrufe von rund 200 Bürgern entgegennahmen. Vor allem für ältere Menschen, die nicht so fit in Sachen Internet und Social Media sind, war diese Einrichtung wertvoll.
Kreispolizei Euskirchen und der Bonner Staatsschutz ermitteln
„Ob Unbekannte das Gelände betreten und das dort aufbereitete Trinkwasser verunreinigt haben, ist derzeit noch Gegenstand laufender Ermittlungen“, hieß es vonseiten der Polizei Euskirchen. Beschädigungen am Hochbehälter und in dessen Bereich seien nicht festgestellt worden. Lediglich ältere Spuren von Wild, die aber typisch seien, wurden entdeckt. „Die Spurensuche vor Ort verlief ohne Ergebnis. Täterhinweise liegen weiterhin nicht vor“, teilte die Polizei mit.
Um einen möglichen Sabotageakt gegen die Bundeswehr auszuschließen, hat der Bonner Staatsschutz die Ermittlungen zum Strafverfahren aufgenommen.
Wachen der Bundeswehr Mechernich entdeckten das Loch im Zaun
Oberstleutnant Ulrich Fonrobert, Leiter der Informationsarbeit beim Landeskommando NRW, schilderte im Telefonat mit dieser Zeitung, wie eine Wache der Mechernicher Bleiberg-Kaserne am Donnerstag die Lücke im Zaun am Hochbehälter entdeckt hatte: „Nach dem Vorfall in Wahn sind die Wachmannschaften noch einmal besonders sensibilisiert worden“, so der für die Bundeswehr-Liegenschaften in NRW zuständige Oberstleutnant. Da sich der städtische Trinkwasser-Hochbehälter zwar nicht im militärischen Sicherheitsbereich, aber doch auf einem Grundstück der Bundeswehr befinde, hätten die Wachen den Bereich „in einem sehr engen Zeitraum“ kontrolliert: „Morgens um 9 war der Zaun noch okay, mittags haben die Wachen dann das Loch festgestellt.“
Bei dem „Loch“, das präzisierte Fonrobert, handele es sich eher um eine Lücke: „Der Zaun wurde offensichtlich nach oben gedrückt oder hochgeschoben.“ Wegen dieses Vorfalls wurden die städtischen Stellen verständigt. Vonseiten der Bundeswehr seien drei Feldjäger-Streifen vor Ort gewesen, die eine Sofortmeldung ans Lagezentrum der Bundeswehr abgesetzt hätten, so Fonrobert.
Durch den Umstand, dass die Beschädigung des Zauns offenbar „am helllichten Tage“ vorgenommen worden sei, unterscheide sich der Vorfall in Mechernich von dem in Wahn. Trotzdem müsse man ihn sehr ernst nehmen. Dass die Bundeswehr in Mechernich nicht über eine eigene Wasseraufbereitung verfügt, ist für Fonrobert nichts Ungewöhnliches: „Einige Standorte haben das, andere werden – wie in Mechernich – über das öffentliche Wassernetz versorgt.“
Die Feuerwehr übernahm die Information der Bevölkerung
Es waren zwar rund 90 Kräfte der Feuerwehr im Einsatz. „Aber es war keine richtige Feuerwehrlage“, so Einsatzleiter Ralf Eichen. Stattdessen habe man im Auftrag des Krisenstabes gearbeitet und etwa per Lautsprecherdurchsagen am Donnerstagabend gewarnt und am Freitagmorgen die Teil-Entwarnung verkündet. Neben rund 30 Kräften der Mechernicher Feuerwehr waren die Informations- und Kommunikationseinheit sowie vom ABC-Zug die Dekontaminationseinheit mit ABC-Erkundern im Einsatz, die beide auf Kreisebene agieren.
Letztere waren von der Analytischen Task Force (ATF) für den Fall, dass Dekontaminationsmaßnahmen nötig gewesen wären, angefordert worden. In der ATF sind Spezialisten, die biologische, chemische und radiologische Gefahren erkennen können. Die Proben wurden von Kräften aus Dortmund entnommen und analysiert. Weitere Proben wurden Kräften aus Essen übergeben, die diese im eigenen Labor analysierten. Von dort kam laut Eichen am Morgen die Meldung, dass keine chemische Kontamination bestehe.
Die ABC-Einheit sowie die ATF hatten sich auf dem Bundeswehrgelände eingerichtet und wurden von der Bundeswehr-Feuerwehr unterstützt. Die Bundeswehr hat außerdem eigene Wasserproben entnommen und analysiert. Bis etwa 4 Uhr hätten alle Führungskräfte zusammengesessen – und um 8 Uhr wieder. Die Zusammenarbeit mit Lanuv, Bezirksregierung, Kreis und Stadt sei hervorragend gewesen.
Kreiskrankenhaus Mechernich sagte OPs ab und kochte ohne Wasser
Das Kreiskrankenhaus war von den Einschränkungen ebenfalls betroffen. Aufgrund des vorliegenden Szenarios sei ein entsprechender Alarmplan in Kraft getreten, und die Stationen wurden darüber informiert, dass das Trinkwasser außer zur Toilettenspülung nicht genutzt werden dürfe. Auch am Freitag, nach der Teilentwarnung der Stadt, durfte das Wasser nicht zum Zähneputzen oder zum Trinken verwendet werden.
„Wir geben an Patienten zum Trinken aber ohnehin nur abgepacktes Wasser aus“, sagte Laura Birkenfeld, kommissarische Abteilungsleiterin der Unternehmenskommunikation der Kreiskrankenhaus Mechernich GmbH. Grundsätzlich habe man einen „Riesenvorrat“ an Mineralwasser im Haus, mit dem man eine bestimmte Zeit auskomme. Noch am Donnerstag habe man aber Wasser bestellt, das am Freitagmorgen geliefert wurde.
Einige Operationen wurden abgesagt – dabei handelte es sich jedoch ausnahmslos um vorher geplante Termine. „Für die Operationen benötigen wir Wasser, um beispielsweise Instrumente zu reinigen“, erklärte Birkenfeld. Auch Patienten wurden keine einbestellt. Für Notfälle habe man Kapazitäten gehabt. „Wir hätten in lebensbedrohlichen Lagen auch Operationen durchführen können. Dafür ist ausreichend steriles Wasser vorhanden“, beruhigte Birkenfeld die Bevölkerung.
Einfallsreich musste allerdings die Küche sein. „Sie hat auf Kochen ohne Wasser umgestellt“, so die Unternehmenssprecherin. Da Geschirr nicht gespült werden konnte, wurde Einmalgeschirr verwendet. Da abgekochtes Wasser am Freitag wieder verwendet werden durfte, wurde dies in der Küche erledigt. Anschließend wurde das Wasser an die Stationen verteilt.
Kreisgesundheitsamt vertraut im Krisenfall auf eingespielte Abläufe
Das Gesundheitsamt des Kreises als zentrale Überwachungsbehörde für das Trinkwasser war unmittelbar nach Bekanntwerden des möglichen Sabotageaktes vom Wasserversorger (also der Stadt Mechernich) und der Bundeswehr informiert worden. Wie der Kreis mitteilte, waren die vordersten Aufgaben die Ursachenermittlung und die Abschätzung der Folgen: „Das heißt, es wurde ermittelt und bewertet, was genau passiert ist, wie groß das betroffene Versorgungsgebiet ist und wie viele Menschen hier leben.“ Auch besondere Einrichtungen wie Krankenhäuser und Pflegeheime wurden in die Planungen einbezogen.
In der anschließenden „Ernsthaftigkeitsprüfung“ gehe es, so der Kreis, um die Frage, wie wahrscheinlich ein Sabotageakt tatsächlich sei: „Nach den Vorgängen in Köln-Wahn und Geilenkirchen am Vortag war das mit besonderer Sensibilität zu betrachten.“ Eine erste Maßnahme war das Abschiebern des Hochbehälters, was bereits von den Stadtwerken Mechernich erledigt worden war.
Außerdem legte das Gesundheitsamt fest, welche Laboruntersuchungen von wem durchzuführen sind. Die Befunde würden abschließend vom Gesundheitsamt bewertet, darauf aufbauend erfolgten weitere Maßnahmen. „Versorgungsunternehmen haben das Gesundheitsamt bei Störfällen unverzüglich zu informieren – egal, ob ein simpler Rohrbruch, eine Laborauffälligkeit oder ein gravierender Störfall vorliegt“, erklärt der Kreis. Brunnen, Vorratsbehälter und das Leitungssystem werden regelmäßig überwacht.