Die Explosion der Kreisumlage sorgt für Wirbel in Rathäusern und unter den Parteien. Ex-Landratskandidat Johannes Winckler schaltet sich ein.
KreisumlageEuskirchener Landrat Markus Ramers lässt CDU-Kritik an sich abprallen
Was waren das noch für Zeiten! Im Schnitt um 1,3 Prozent stieg laut Gemeindeprüfungsamt zwischen 2014 und 2020 jährlich die Summe, die die elf Städte und Gemeinden an die Kreisverwaltung zahlen mussten. Und nun das: Innerhalb eines Jahres soll die Kreisumlage um satte 23 Prozent auf 230 Millionen Euro steigen. Und für die kommenden Jahre stehen weitere Steigerungen ins Haus.
Auch wenn die Kreisverwaltung vor gut einem Jahr eine sogar noch höhere Steigerung (35 Millionen) vorausgesagt hatte, in den Rathäusern ist in diesen Tagen Schulterzucken angesagt. Die wahrscheinliche Folge vielerorts: Weniger Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger, „dafür“ mehr Steuern. Andere nennenswerte Stellschrauben haben die Kommunen nicht.
Städte und Gemeinden sollen 31 Millionen mehr zahlen als 2024
Schulterzucken auch im Kreishaus. Rasant steigende Sozialausgaben sowie eine gestiegene Umlage, die der Kreis an den Landschaftsverband zahlen muss – Landrat Markus Ramers (SPD) verweist auf die Rahmenbedingungen.
Die Liste aus CDU, FDP und UWV will ihn aber nicht aus der Verantwortung entlassen – und erinnert an seinen Wahlkampfhit von 2020. Dazu meldet sich auch ein alter Bekannter zu Wort: Ramers' damaliger christdemokratischer Gegenspieler um das Landratsamt, Johannes Winckler, erinnert öffentlich daran, dass der Landrat im Wahlkampf die kostenlosen Kitas für alle versprochen habe.
Zum Glück, so Winckler im Gespräch mit dieser Zeitung, habe die Listengemeinschaft aus CDU, FDP und UWV dies verhindert. „Ich hatte 2020 darauf hingewiesen, dass die Kommunen das nicht mehr stemmen können – aber das hat ja keine Rolle gespielt“, erinnert sich Winckler an den Wahlkampf. Letztendlich müssten die Städte und Gemeinden die Zeche zahlen, denn sie finanzierten den Kreis hauptsächlich.
„Und dann zahlt es wiederum die Bevölkerung durch höhere Grundsteuern und die Unternehmen durch die Gewerbesteuer“, so Winckler. Ramers habe sein zentrales Wahlkampfthema vorgetragen, als auch nicht klar war, dass das Land ein weiteres Kita-Jahr finanziere, um die Eltern zu entlasten, so Winckler, der auf Nachfrage ein eigenes politisches Comeback ausschloss.
Die CDU kritisiert Landrat Markus Ramers – und der schweigt
Auch Wincklers Parteikollegin Ute Stolz, Chefin der größten Kreistagsfraktion, schlägt in dieselbe Kerbe: „Das war tatsächlich auch einer meiner ersten Gedanken.“ Beitragsfreie Kita-Plätze seien nicht nur teuer für die Allgemeinheit, sondern auch ungerecht: „Den Verzicht auf die Einnahmen eines weiteren beitragsfreien Kita-Jahres hätte der Kreis ja ganz alleine tragen und an die Kommunen weiterleiten müssen.“
Wäre dieses „zentrale Wahlkampfversprechen des Landrats“ so wie er es vorgehabt habe, realisiert worden, „säßen wir jetzt auch noch auf diesen Kosten“. Profitiert hätten ohnehin die Gutverdienenden. „Am Ende zahlen es die kleinen Hauseigentümer oder Mieter, weil die Kommune die Grundsteuer B anheben muss“, sagt Stolz.
Stattdessen habe der Kreistag unter maßgeblicher Mitwirkung der Listengemeinschaft aus CDU, FDP und UWV den Kreis erweitert, der keine Kita-Beiträge zahlen muss: nämlich die unteren Einkommensgruppen. Diese Entscheidung sei damals richtig gewesen – und sei es nun angesichts Kreisumlageexplosion erst recht.
„Quatsch und wahlkampfgetrieben“: Grünen-Chef attackiert die CDU
Diese Zeitung hatte den Landrat um eine Stellungnahme dazu gebeten. Doch der Landrat wolle sich nicht zu den Vorwürfen äußern, teilte die Pressestelle mit. Es wurde lediglich darauf hingewiesen, dass in den Planungen für 2025 die Kosten für den Kreis im Kita-Bereich um 1,1 Millionen auf 35,3 Millionen im Vergleich zu 2024 sinken. Was aber den CDU-Vorwurf, seine Kita-Pläne hätten die finanzielle Lage nur noch verschärft, nicht beantwortet.
Ute Stolz hat am Montag von Ramers gefordert, Einsparungen in einer Größenordnung von fünf Millionen Euro vorzunehmen. „Er legt was vor, also wird er ja auch detaillierte Zahlen haben“, so Stolz: „Es ist keine Lösung zu sagen: ,Wir haben alles durchkalkuliert und kommen bei 31 Millionen raus – und das ist dann so'.“ Ramers' Pflicht sei es, einen Haushaltsentwurf vorzulegen, „der den Kommunen noch etwas Luft zum Atmen lässt“.
Wie aber kommt Stolz auf die ziemlich exakte Zahl von fünf Millionen, wo sie doch nach eigenem Bekunden die Details des Haushaltsentwurfs nicht kennt? Diese Frage stellt Grünen-Fraktionschef Jörg Grutke, der die CDU-Forderung als „Quatsch“ und „wahlkampfgetrieben“ bezeichnet: „Die Listengemeinschaft schippert völlig ideenlos durch stürmische See und sagt: ,Landrat, mach' mal'“.
Ramers könne dann doch auf die Forderung reagieren, wie er wolle, so Grutke. Die Reaktion der Liste sei absehbar: „Der Daumen wird gesenkt.“
Der Grüne erinnert daran, dass auch der Kreis nur ein Player in einem Umlageverfahren sei. Einer der höchsten Posten sei die Umlagezahlung an den Landschaftverband Rheinland (LVR) in Höhe von gut 60 Millionen Euro. Jener LVR also, der immer wieder darauf hinweist, dass jeder Euro aus dem Kreis durch die Hilfe für Menschen mit Behinderungen, in Kultur und Bildung mehrfach in diesen Kreis zurückfließe.
CDU-Fraktionschefin widerspricht Mechernichs Bürgermeister Schick
„Das hat also auch einen Gegenwert“, stellt Grutke klar: „Wir leben in einem Umlageverband und einem Wirtschaftssystem, das auf Wachstum ausgelegt ist. Das bedeutet auch: Alles steigt, die Löhne und die Preise.“
Und der Kreistag? Hier werden schließlich die Ausgaben beschlossen. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, egal welcher oder auch gar keiner politischen Couleur, beklagen seit Jahren, dass Projekte beschlossen würden, die zwar von EU, Bund oder Land gefördert werden, aber auch nur zum Teil, und der Kreis – und damit letztlich die Bürger – die Eigenanteile aufbringen müsse.
„Also das stimmt so nicht“, widerspricht Ute Stolz: „Wir gucken uns alles kritisch an, was von der Verwaltung vorgelegt wird. Wenn wir aber auch nur eine Stelle unter Sperrvermerk stellen, ist großes Theater“, verweist Stolz auf die Verwaltungsspitze: „Das ist ja dann Majestätsbeleidigung.“ Nun aber müsse man angesichts der miesen Lage noch mal alles genauer ansehen, gibt die CDU-Fraktionschefin die Richtung für die Haushaltsberatungen vor.
Ob der Vorschlag ihres Parteikollegen, Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick (CDU), der Kreis solle auf sich freiwillig ein Haushaltsicherungskonzept (HSK) anwenden, wie es klamme Städte und Gemeinden ja auch tun müssten, hilfreich sei, bezweifelt Stolz: „Den Vorschlag macht er schon immer. Aber was kommt denn anderes dabei raus, als das, was wir schon immer tun: nämlich sorgfältig alle unsere Einnahme- und Ausgabepositionen zu prüfen – natürlich auch im gedachten Sinne eines HSK.“
Kaputtsparen sei auch keine Lösung, wirft Grutke ein: „Die Frage bleibt ja, wie wir die Funktionstüchtigkeit für unsere Bürgerinnen und Bürger aufrechterhalten wollen.“ Wenn es dann Programme gebe, die erstmal eckig Geld kosten, aber auf Dauer noch mehr Geld sparen, weil etwa kostengünstigere und nachhaltigere Energie genutzt werde, sei es sinnvoll, sie zu nutzen. Ähnliches gelte für frühkindliche oder auch politische Bildung.
Meuren und Grutke fordern mehr Kompetenzen für Kommunen
„Dann ist auch unsere Sache zu sagen: Jawohl, da stehen wir hinter“, so Grutke: „Denn es geht auch darum, die Leute von der Straße zu holen und eine gescheite Bildung zu haben, damit wir weiterhin ein politisches System haben, das nicht endet wie in den USA.“
Vielleicht liegt es ja gar nicht am Ob, sondern am Wie? Grutke spricht die Bürokratie und der personelle Aufwand bei den Fördertöpfen an. „Es wäre doch sinniger zu sagen: Kommunen, hier habt ihr einen Topf für Bildung, einen für Nachhaltigkeit und Umwelt und einen für Sport und Kultur.“ Damit wären Rahmenbedingungen gesetzt und die Kommunen hätten mehr Beinfreiheit.
Ähnliche Gedanken beschäftigen Jennifer Meuren. „Aus meiner Sicht“, so die Blankenheimer Bürgermeisterin, „wären Pauschalzahlungen an Kommunen hilfreich, wodurch enorm hohe Personalressourcen auf allen Ebenen freigesetzt würden, die richtig Einsparpotenzial bringen und in Zeiten des Personalmangels geboten sind.“
Hierbei sollten die Kommunen die übergeordneten Ziele und Rahmenbedingungen beachten, aber ob konkret für Projekt A oder B Geld ausgegeben wird, solle Teil der Selbstverwaltung sein. „Gelder könnten so auch zu dem Zeitpunkt ausgegeben werden, wenn sie benötigt werden. Und nicht, wenn das Förderprojekt passt“, so Meuren.
Sie hatte ein moderates Plus im Gemeindehaushalt erwartet – bis dann die Hiobsbotschaft aus der Kreisstadt kam: 1,3 Millionen Euro mehr Kreisumlage als 2024.
„Wir tun alles, um Erhöhungen bei der Grundsteuer zu vermeiden. Ganz entscheidend wird die Entwicklungen in der Gewerbesteuer sein – und die Frage, wann Einnahmen aus Windparks zu verzeichnen sein werden“, sagt Meuren. Es gilt das Prinzip Hoffnung.
Kreistag Euskirchen: „Liste“ fordert rasche Vorlage des Etatentwurfs
Die Fraktionen von CDU, FDP und UWV im Kreistag fordern eine Vorziehung der Beratungen für den Haushalt 2025. Diese sind für Januar vorgesehen, doch wegen des ungewöhnlich hohen Anstiegs der Kreisumlage beantragen die Fraktionen der Listengemeinschaft, dass der Haushaltsplan in der Kreistagssitzung am 11. Dezember 2024 vorgelegt wird.
Zudem fordern sie eine fortlaufende Information über wesentliche Veränderungen der Haushaltsansätze, um den Kommunen eine frühzeitige und fundierte Planung zu ermöglichen.