Nach dem Wegfall fast aller Corona-Regeln zieht Amtsarzt Christian Ramolla Bilanz und kritisiert einen Teil der früheren Maßnahmen scharf.
„Plumperquatsch“Kreis Euskirchener Gesundheitsamts-Chef kritisiert einige Corona-Maßnahmen
Was für eine Aufregung! 5. März 2020. Der Krisenstab tagte, viele Mitarbeiter im Kreishaus ließen dafür alles stehen und liegen. Denn ein 63-jähriger Mann aus Bad Münstereifel war positiv auf Corona getestet worden. Der erste Fall im Kreis. In den folgenden knapp drei Jahren wurden laut Robert-Koch-Institut 96 209 Fälle im Kreis gemeldet. 419 Menschen starben demnach mit oder an Corona.
Doch Corona hat seinen Schrecken verloren, fast alle Regeln gelten seit diesem Mittwoch nicht mehr. Die Masken sind gefallen. „Das ist auch okay so“, findet der Chef des Kreisgesundheitsamtes, Christian Ramolla. Auch er gehe wieder ohne Maske einkaufen. „Das ist ja auch eine Kopfsache“, sagt der Mediziner. Infektionsangst sei bei manchen Leuten in etwas Irrationales abgedriftet, daher habe er für sich immer die zulässigen Lockerungen nachvollzogen. Ramolla bittet aber um Verständnis für Menschen, die weiterhin zum „Team Vorsicht“ gehören und Maske tragen wollen.
Corona reihe sich nun ein in die Reihe der anderen Erregerkrankheiten wie etwa Grippe, sagt der Amtsleiter. Zeit für eine Bilanz:
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Werden sich im Karnevalstreiben Hotzspots bilden?
Ja, er stürze sich auch ohne Schutzmaske in den Karnevalstrubel, sagt Ramolla. Ob sich beim jecken Treiben ein Hotspot bilden wird, sei dann wohl kaum noch festzustellen. Ob es nun Corona oder die üblichen Erkältungen nach Schunkeln und Bützjer sind?
Wer wisse das schon, wenn kaum noch getestet werde und die Menschen mit Husten und Rotznase, wenn nötig, einfach zuhause bleiben, ohne der Ursache auf den Grund zu gehen. „Es wird für uns leichter sein herauszufinden, ob eine Salmonellenvergiftung von einem bestimmten Mettbrötchen herrührt, als das wir rauskriegen, bei welcher Karnevalssitzung Leute sich mit Corona angesteckt haben“, sagt Ramolla.
Das Corona-Team im Euskirchener Kreishaus ist aufgelöst
Das Corona-Team im Kreishaus wurde Ende des Jahres 2022 aufgelöst. Die Mittel für diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden seitdem von Land und Bund nicht mehr bezahlt. „Das war einerseits ein stückweit schmerzvoll“, so Ramolla. Aber alle haben auch gewusst, dass dieser Schritt eine Frage der Zeit war. „Aber wir drehen jetzt auch nicht am Däumchen.“ Das Personal sei angesichts der vielfältigen Aufgaben auch vor Corona schon ausgelastet gewesen.
Zwischenzeitlich waren 110 Beschäftigte beim Kreis mit der Corona-Kontaktpersonennachverfolgung und der Eindämmung von Ausbruchsgeschehen beschäftigt – inklusive Soldaten der Bundeswehr. Dazu kamen etwa 150 Personen im Zusammenhang mit den Impfungen. Bei soviel zusätzlichen Kräften waren natürlich auch andere Bereiche im Kreishaus gefordert: Personalamt, Immobilienmanagement und Hausmeister, so Ramolla. Zuletzt waren noch 20 Personen mit Corona beschäftigt, inzwischen arbeiten zehn Leute im Infektionsschutz. Das sind dank Bundesförderung sechs mehr als vor Corona, so Ramolla: „Damit wird der Möglichkeit einer künftigen Pandemie Rechnung getragen.“ Er sei zuversichtlich, dass der Kreis dann gut vorbereitet sein wird.
Die Corona-Hotline ist nicht mehr durch das DRK besetzt
Die 02251/15800, die Corona-Hotline, gibt es noch. Sie wird aber nicht mehr vom DRK besetzt. Wer dort anruft, landet bei den Beschäftigten des allgemeinen Infektionsschutzes.
Die Testzentren schließen voraussichtlich Ende Februar
Ende Februar läuft die Finanzierung der Testzentren durch den Bund aus. „Das ist dann wohl auch der Zeitpunkt, an dem die Testzentren zumachen. Ich bin davon überzeugt, dass wir ab dann keine mehr haben werden“, sagt Ramolla. Bereits in den vergangenen Monaten seien die Teststationen von den Betreibern zurückgefahren worden, das gelte auch für PCR-Teststellen.
Daher werde es auch keine Inzidenzzahlen mehr geben, die jetzt schon ziemlich sinnfrei seien, so Ramolla: „Es ist ja auch der Wunsch, dass die Menschen bestenfalls einen Selbsttest machen und lernen, mit dem Ergebnis umzugehen.“ Die, die erkrankt seien, gehörten natürlich in die Hände der Hausärzte.
Christian Ramolla lobt seine Mitarbeiter und die Bürger
Es ist unüberhörbar: Der Amtsarzt ist stolz auf seine Mitarbeiter. Gerade am Anfang sei die Verunsicherung sehr groß gewesen. „Es sind aber alle bei der Stange geblieben“, so Ramolla. Darüber hinaus lobt der Mediziner die Bürger im Kreis: „Ich bewundere die Leute dafür, dass sie relativ gut die Regeln befolgt haben, auch wenn die nicht immer sinnhaft nachvollzogen worden sind.“
Toll sei auch, dass mit den Lockerungen die sozialen Angebote zurückkämen – etwa in den Vereinen, im Sport, in der Kultur und im Karneval: „Da hatten wir große Angst, dass die Vereine das nicht überleben werden.“ Oft seien es einige wenige Personen, die das in die Hand nähmen. „Das hat ja alles drei Jahre brachgelegen“, sagt der Amtsarzt: „Da brauchte es Leute, die diese verstaubte Kiste wieder aufgemacht haben.“
Euskirchener Gesundheitsamts-Chef kritisiert einige Maßnahmen scharf
Nur wenige Monate vor der Pandemie war Ramolla zum Leiter des Gesundheitsamtes geworden. Das Zusammenspiel mit Land und Bund in dem Maße, wie es wegen Corona stattgefunden hat, war für ihn neu – eine nicht immer gute Erfahrung, wie er resümiert: „Da mussten wir Ärzte auch Sachen vertreten, von dennen wir dachten: Das ist totaler Plumperquatsch.“ Als Beispiele nennt er Spielplatz-Sperren oder „das Wegsperren der alten Leute“. Da hätten sich bis heute die sozialen Kontakte immer noch nicht eingespielt. „Da werden wir noch lange zu tun haben“, befürchtet Ramolla. 95- oder 96-jährige Heimbewohner hätten ihm gesagt: „Wir haben keine Angst vor dem Tod. Doch ihr sperrt uns ein und verweigert uns Besuche. Und wir werden nicht gefragt, ob wir das wollen.“
Abiturienten oder Fahrschüler habe man nicht zur Prüfung gelassen – „nicht, weil sie infiziert gewesen wären, sondern weil sie Kontaktpersonen waren“, zeigt Ramolla Unverständnis. Eine Maske und offene Fenster hätten es auch getan. Aber vor Ort habe keine Möglichkeit bestanden, sich darüber hinwegzusetzen. Er hoffe, dass in der großen Politik aus diesen Fehlern gelernt werde, so Ramolla: „Der Prozess hätte längst eingeleitet werden müssen.“
Kreis Euskirchen organisierte fast 200.000 Impfungen
195.794 Corona-Impfungen hat der Kreis Euskirchen nach eigenen Angaben vorgenommen oder organisiert. Die ersten Impfungen fanden bereits am 27. Dezember 2020 in der Einrichtung Barbarahof in Mechernich statt. Es folgten viele weitere mobile Impfungen im gesamten Kreisgebiet. Insgesamt wurden während der Zeit des Impfzentrums in Marmagen bis zum 30. September 2021 21.329 mobile Impfungen in Einrichtungen, Schulen, Marktplätzen oder sonstigen Unterkünften vorgenommen.
Im Impfzentrum Marmagen selbst gab es zusätzlich 125.295 Impfungen ab dem 8. Februar 2021. Dies ergibt eine Gesamtzahl an Impfungen von 146.624 während der Zeit des Impfzentrums bis zum 30. September 2021. Ab dem 1. Oktober 2021 übernahm die KoCi (Koordinierende Covid-Impfeinheit) die Impfstelle Marmagen. Dort wurden dann bis zum 30. April 2022 insgesamt 22.524 Impfungen verabreicht. Weitere Impfstellen wurden eingerichtet – ab 28. November 2021 die bei den Maltesern in Euskirchen mit 4063 Impfungen. Die Impfstelle im Kreishaus kam ab dem 13. Dezember 2021 auf 15.729 Impfungen, die letzte Impfung erfolgte am 2. Dezember 2022.
Mobile Impfungen wurden auch durch die KoCi weiter beauftragt und durchgeführt, hier wurden laut Kreisverwaltung nochmal 3245 Impfungen getätigt. Zusätzlich wurden im Kreishaus und bei den Maltesern Kinderimpfungen (5 bis 11 Jahre) durchgeführt, insgesamt 3609. Somit gab es während der Zeit der KoCi 49.170 Impfungen. Die mobilen Teams waren an insgesamt 145 verschiedenen Impfstellen im Einsatz, hierzu zählen alle Einrichtungen, Schulen, Feuerwehrgerätehäuser, Kitas und Notunterkünfte. (sch)