Gerichte suchen neue Schöffinnen und Schöffen: Euskirchener Laienrichter berichten von ihrer Arbeit.
EhrenamtWarum Schöffen für die Strafjustiz im Kreis Euskirchen unverzichtbar sind
Dr. Norbert Golz geht jedes Mal zufrieden nach Hause, wenn er das Euskirchener Amtsgericht verlässt. Nicht etwa, weil er einen Prozess gewonnen hätte. Nein, Golz ist Schöffe, und die ehrenamtliche Arbeit bereitet ihm immer wieder Freude, wie er versichert. So ergeht es auch Alexandra Blankenheim. Sie ist schon fast zehn Jahre Laienrichterin. Wie gut ihr die Aufgabe gefällt, lässt sich daran ablesen, dass sie eine dritte Amtszeit dranhängen will.
Sie würde wieder fünf Jahre dauern, und zwar vom 1. Januar 2024 bis zum 31. Dezember 2028. Momentan laufen überall in NRW die Vorbereitungen für das Wahlverfahren. Die Kommunen und die Kreise sind am Auswahlverfahren beteiligt. Sie haben ihre Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, sich für das Schöffenamt zu bewerben und so „als Vertretung des Volkes“ an der Rechtsprechung in Strafsachen teilzunehmen. Alexandra Blankenheim und Norbert Golz kamen jetzt der Bitte dieser Zeitung nach, zu erzählen, wie es ist, wenn man Straftätern gegenübersitzt und mit darüber zu entscheiden hat, ob der oder die Angeklagte freigesprochen wird, mit Bewährung davonkommt oder hinter Gitter muss.
In der Hauptverhandlung bilden die Ehrenamtler mit dem Vorsitzenden, einem hauptamtlichen Richter, das dreiköpfige Schöffengericht. Sie können den Profi-Juristen sogar überstimmen, was in der Regel aber nicht vorkomme, sagt Dr. Wolfgang Schmitz-Jansen: „Wir fällen unsere Urteile so gut wie immer konsensual.“ Schmitz-Jansen leitet in Euskirchen seit 2011 das Schöffengericht für Strafsachen gegen Erwachsene. Auch im Jugendschöffengericht hat er in einem Teil der Verfahren den Vorsitz. „Ich bin froh über die Leute, die als Schöffinnen und Schöffen zu uns kommen und ihre Sache gerne machen“, sagt der 52-Jährige, der 2002 in den Justizdienst eintrat.
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Schöffen müssen mindestens 25 Jahre alt sein
Alexandra Blankenheim bewarb sich das erste Mal 2013, „weil ich schon damals an der Rechtsprechung interessiert war“. Daran habe sich bis heute nichts geändert. „Ich bin gerne bei Gericht“, erzählt die 53-Jährige, die im öffentlichen Dienst arbeitet. Es macht ihr Spaß und sie findet es spannend, die Ergebnisse der Beweisaufnahme zu bewerten und nach den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung die entscheidende Frage zu beantworten, ob die Anklagebehörde mit ihren Vorwürfen richtig oder falsch lag.
Norbert Golz, bis 2016 am Euskirchener Marien-Hospital Chefarzt der Frauenklinik und der geburtshilflichen Abteilung, nahm sich mit dem Eintritt in den Ruhestand vor, „etwas Soziales“ zu machen, also ein Ehrenamt zu übernehmen. Mittlerweile ist er 72. So endet seine Zeit als Schöffe am Ende dieses Jahres, denn die Regeln besagen, dass Bewerber am 1. Januar 2024 mindestens 25 Jahre alt sein müssen und höchstens 69 Jahre alt sein dürfen. Als Laienrichter findet Golz es stets interessant zu hören, „was die Angeklagten erzählen“. Ihm ist dabei bewusst, dass vor Gericht längst nicht immer nur die Wahrheit auf den Tisch kommt. „Und mir ist auch klar, dass es die Aufgabe der Verteidigung ist, das Beste für den Mandanten oder die Mandantin herauszuholen.“ Will sagen: Es wird auch schonmal verschwiegen oder verschleiert, was zur Erhellung des Sachverhaltes beitragen könnte.
So entsteht für das Gericht die Herausforderung, „zu trennen zwischen dem, von dem man nach einer Einlassung innerlich überzeugt ist, und dem, was mit objektiven Fakten belegbar ist“, sagt Richter Schmitz-Jansen. „Und nur das Letztere ist für die Urteilsfindung ausschlaggebend.“ Es komme vor, dass er dem Angeklagten kein Wort glaube, „dass ich seine Aussage aber nicht widerlegen kann“.
Soziale Kompetenz wichtiger als juristische Vorbildung
Sollte man also eine juristische Vorbildung mitbringen, wenn man Schöffe werden möchte? Nein, betonen der hauptamtliche Richter und seine Mitstreiter. Nützlich ist es dagegen, so formuliert es die Stadt Euskirchen in ihrem Wahlaufruf, wenn Schöffinnen und Schöffen „über eine ausgeprägte soziale Kompetenz verfügen und das Handeln eines Menschen unter Berücksichtigung seines ganz persönlichen Werdegangs und sozialen Umfeldes beurteilen können“. Von den Bewerbern erwartet würden „Lebenserfahrung und Menschenkenntnis, die aus beruflicher Erfahrung und/oder gesellschaftlichem Engagement resultieren“.
Die Deutsche Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen nennt zusätzlich unter anderem logisches Denkvermögen, Vorurteilsfreiheit, Gerechtigkeitssinn sowie „Standfestigkeit und Flexibilität im Vertreten der eigenen Meinung“. Wer gewählt wird, wird im Rahmen einer Einweisungsveranstaltung auf seine Aufgaben vorbereitet. Dazu gehört auch der Besuch einer Justizvollzugsanstalt „mit einer Führung durch alle Bereiche“, so Schmitz-Jansen. „Wir sollen sehen, wo wir die Angeklagten im Fall einer Verurteilung hinschicken“, sagt Golz, der es wie die anderen Schöffen und Schöffinnen in den Verhandlungen meistens mit Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, Betrug, Körperverletzung, Diebstahl oder Sexualdelikten zu tun bekommt.
Schöffen übernehmen auch Verantwortung
„Wir haben ja eine gewisse Stammklientel. Viele Delinquenten kommen mehr als einmal zu uns“, erzählt Alexandra Blankenheim. „Oft sind sie irgendwann in ihrem Leben falsch abgebogen, und unser Ziel ist es, sie wieder in die richtige Spur zu bringen. Manchmal klappt es, manchmal nicht“, so die Schöffin. „Doch egal, wer vor einem sitzt: Es ist gut, eine gesunde Distanz zu den Angeklagten und zur Sache im Allgemeinen zu wahren.“ Blankenheim wirbt ausdrücklich für das Ehrenamt: „Hier geht es um eine verantwortungsvolle Aufgabe, vor der Interessierte aber keine Angst haben sollten.“
Golz fügt hinzu: „Als Schöffe wird man als Mensch gebraucht, nicht als Jurist. Wichtig ist, dass man offen ist, zuhören und sich in eine Sache einfühlen kann.“ Wolfgang Schmitz-Jansen will die Laienrichter an seiner Seite nicht missen: „Wir beraten kooperativ und sind offen für Einwürfe der jeweils anderen. Es ist gut, wenn bei der Urteilsfindung nicht alles durch die juristische Brille gesehen wird, sondern auch die Perspektive von außen einfließt.“ Nicht zuletzt bedeute es für ihn, den Vorsitzenden, eine Entlastung, wenn die Verantwortung in dem Dreiergremium geteilt werde.
Kommunen nehmen Bewerbungen bis 31. März entgegen
Bewerbungen für das Schöffenamt nehmen die Kommunalverwaltungen bis zum 31. März entgegen. Die Stadt Euskirchen etwa sucht insgesamt 27 Frauen und Männer, die am Amtsgericht Euskirchen und am Landgericht Bonn in Strafsachen gegen Erwachsene mitwirken möchten, sowie 20 Frauen und Männer für Jugendschöffensachen. Der Stadtrat beziehungsweise der Jugendhilfeausschuss des Kreises wählen aus dem Bewerberkreis Kandidaten und Kandidatinnen aus und schlagen sie dem Schöffenwahlausschuss beim Amtsgericht vor. Dieses Gremium wählt in der zweiten Jahreshälfte die Schöffen für die Jahre von 2024 bis 2028. Alle Details zu dem Verfahren findet man auf den Internetseiten der Kommunen sowie auf weiteren Portalen.
Pro Jahr werden die Schöffinnen und Schöffen am Amtsgericht Euskirchen per Losverfahren in der Regel für acht Sitzungstage eingeteilt, wobei nicht alle Termine tatsächlich zustandekommen. Vom Arbeitgeber werden die Ehrenamtler für diese Zeit freigestellt. Sie erhalten eine kleine Aufwandsentschädigung. Fahrtkosten werden erstattet, bei Verdienstausfall besteht ein Anspruch auf Entschädigung. (ejb)