AboAbonnieren

Ökokonto der KommunenWer im Kreis Euskirchen Punkte sammelt, kann schneller bauen

Lesezeit 6 Minuten
Das Bild zeigt den Wald zwischen Strempt und Mechernich aus der Luft.

Sammelt man noch oder löst man schon ein? Im Kreis Euskirchen gibt es Ökokonten für Kommunen, aber auch für Privatpersonen.

Im Kreis Euskirchen sammeln die meisten Kommunen bereits kräftig Punkte - für ihr Ökokonto. So können Baumaßnahmen schneller umgesetzt werden.

Kommunen sammeln Punkte. Und so, wie bei bekannten Anbietern auch, können diese Punkte irgendwann eingelöst werden. Im Fall der Kommunen erhalten die aber keine Prämien, sondern können Maßnahmen schneller umsetzen.

Was ist ein Ökokonto? Für naturschutzrechtliche Eingriffe muss ein Ausgleich geschaffen werden. „Was man der Natur wegnimmt, gibt man ihr wieder zurück“, erklärt Rebekka Vogel, Teamleiterin bei der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) des Kreises Euskirchen. Priorisiert wurden früher Ausgleichsmaßnahmen.

Kreis Euskirchen: Beim Ökokonto tritt man in Vorleistung

Muss eine Hecke einem Bauvorhaben weichen, wird eine neue Hecke in der Nähe gepflanzt. Ist dieser Ausgleich nicht möglich, gibt es Ersatzmaßnahmen. Dabei wird entweder etwas anderes in der Nähe oder das Gleiche weiter entfernt angelegt. Klappt beides nicht, muss ein Ersatzgeld gezahlt werden.

Während diese Maßnahmen alle erst dann in Angriff genommen werden, wenn konkrete Vorhaben anstehen, tritt man beim Ökokonto in Vorleistung. Für Aufwertungen beim Naturschutz gibt es beispielsweise Punkte. Die werden dem betreffenden Ökokonto gutgeschrieben – das kann von Kommunen sein oder von Privatpersonen, darunter fallen auch Stiftungen. „Wir sind die Bank“, erklärt Rebekka Vogel lachend.

So funktioniert das Ökokonto im Kreis Euskirchen

Steht dann ein Eingriff an, können naturschutzrechtliche Eingriffe direkt über das Ökokonto kompensiert werden. Man setzt seine Ökopunkte für die Maßnahme ein. Wer ein Ökokonto haben möchte, muss einen Vertrag mit dem Kreis Euskirchen abschließen.

Wie funktioniert das Konto? Biotoptypen erhalten eine numerische Bewertung zwischen null und zehn Punkten pro Quadratmeter. Null entspricht einer vollversiegelten Fläche, zehn einem Urwald. Baut man beispielsweise ein Haus mit vollversiegelter Fläche auf eine bisher intensiv genutzt Wiese (Punktewert drei), muss die Differenz zwischen vorher und nachher ausgeglichen werden, in dem Fall also drei Punkte pro Quadratmeter.

Punkte erhält man für Aufwertungen. Werden auf Ackerflächen oder Wiesen Waldstrukturen errichtet, Hecken gesetzt oder Obstbäume gepflanzt, gibt es dafür Punkte, die dem Konto gutgeschrieben werden. Voraussetzung ist, dass das Zielbiotop in 30 Jahren realistisch erreicht werden kann.

Konkret sollte jede Maßnahme mit der UNB abgesprochen werden, die dann prüfen kann, ob eine Aufwertung überhaupt sinnvoll ist. Denn nicht jede Fläche und jedes Projekt sind geeignet. Andere Verpflichtungen dürfen nicht vorliegen, damit sind beispielsweise der Vertragsnaturschutz oder Prämien für landwirtschaftliche Flächen gemeint.

Ökokonto gibt es nicht nur für Kommunen

Zur Bewertung berechnen die Ökokonto-Inhaber den Ist-Zustand und die Planung und teilen die ermittelten Punkte mit, die UNB prüft diese Berechnung. Ist sie in Ordnung, kann die Maßnahme umgesetzt werden. Am Ende erfolgt die Abnahme. Sind keine Nachbesserungen vonnöten, werden die Punkte gutschrieben. Diese können dann für Maßnahmen verwendet oder an Dritte verkauft werden – beispielsweise Projektentwickler. Darüber müssen Kontoinhaber und Entwickler einen Vertrag abschließen.

Gibt es das Ökokonto nur für Kommunen? Tatsächlich nicht. Für Städte und Gemeinden ist ein Ökokonto allerdings gebührenfrei. Juristische Privatpersonen – das sind für den Kreis Euskirchen alle, die keine Kommune sind, also ebenso Landwirte und Waldbesitzer als auch Stiftungen – müssen Gebühren für Einrichtung und Abnahme sowie einen Cent bei jeder Einbuchung eines Ökokontopunktes zahlen.

Was sind Vor- und Nachteile? „Fläche ist ein knappes Gut. Und wenn eine Fläche benötigt wird, wird sie direkt benötigt. Da ist es vorteilhaft, wenn man schon ein Ökokonto hat“, sagt Rebekka Vogel. Vorher umgesetzte Aufwertungen beschleunigen ein Verfahren also. „Man muss sich keine Gedanken mehr machen.“ Aber es gefällt nicht jeder Kommune, in Vorleistung zu treten, ohne zunächst eine Gegenleistung zu erhalten. Außerdem darf eine Kompensationsmaßnahme nicht mit Fördermitteln kombiniert werden. Da kann es schnell teuer werden.

Das Bild zeigt einen umgefallenen, toten Baum.

Ein umgefallener, toter Baum liegt im Gebüsch. Er ist mit Moos und Pilzen bewachsen.

Wie sind die Erfahrungen mit dem Ökokonto? Laut Rebekka Vogel funktioniert das Ökokonto gut. Tatsächlich sammeln die meisten Kommunen im Kreis auch Punkte. Den Anfang machte Nettersheim (2013), es folgten Dahlem und Weilerswist (beide 2014), Hellenthal und Kall (beide 2015) sowie Euskirchen und Zülpich (beide 2021). Bad Münstereifel und Schleiden haben die Vertragsunterlagen seit März 2023 vorliegen, sie aber noch nicht unterzeichnet. Schleiden hat derzeit ein ähnliches System wie die Stadt Mechernich.

„Die Erfahrungen mit dem Ökokonto sind grundsätzlich gut“, teilt Jan Lembach, Bürgermeister von Dahlem, exemplarisch mit. Der Aufbau mit dem Nachweis der Maßnahmen sei „eher aufwendiger und bürokratisch“ verlaufen, die Nutzung sei relativ einfach: Ausgleich beim Bauantrag beantragen, die Genehmigungsbehörde errechnet die Zahl der Ökopunkte, der Projektierer erwirbt diese Zahl und weist sie nach – Verfahren abgeschlossen.

Dahlem sammelte für Windpark Ökopunkte

So konnten in Dahlem für den ersten Windpark 2016 Ökopunkte entnommen werden. Auch für die Errichtung von Siloanlagen von Landwirten ging es ans Konto. Inzwischen verlange die UNB wieder mehr Flächenausgleich, also Neupflanzungen, so Lembach: „Das Ökokonto der Gemeinde Dahlem ist auf jeden Fall noch gut gefüllt und steht für Abbuchungen gerne zur Verfügung.“

Wo muss nachgebessert werden? Aktuell läuft eine Überarbeitung des Ökokonto-Konzepts, damit beispielsweise auch Freiflächen-Photovoltaik berücksichtigt wird. Doch Rebekka Vogel geht das noch nicht weit genug. Denn aktuell werden CEF-Maßnahmen, also vorgezogene Artenschutz-Ausgleichsmaßnahmen, nicht berücksichtigt. Das verhindert beispielsweise die schnelle Umsetzung eines Gewerbegebietes.

Mechernich arbeitet mit einem eigenen System

Denn die CEF-Maßnahmen müssen erst ihre volle Wirkung entfalten, also eventuelle Umsiedlungen von Tieren wie Feldlerche auf der Ausgleichsfläche nachgewiesen werden. „Es wäre schön, wenn diese Maßnahmen auch ins Ökokonto eingebracht werden können. Das habe ich so auch dem Landesumweltministerium übermittelt“, sagt Rebekka Vogel.

Wie funktioniert das Mechernicher System? Schon 2010 hat die Stadt Mechernich ein System mit dem Kurztitel „Ökopunkte-Kartierung Mechernich“ erarbeiten lassen, wie Thomas Schiefer, Fachbereichsleiter Stadtentwicklung, mitteilt. Dieses sei von der Uni Bonn unter der naturschutzfachlichen Beratung von Prof. Dr. Wolfgang Schumacher entstanden. Die Ökopunkte-Kartierung beinhalte Waldflächen, die in einen höherwertigen Zustand versetzt wurden.

Die Stadt Mechernich schätzt solche Arbeitsformen, weil hier ohne das Hauptproblem unserer Zeit, die Überbürokratisierung, eigenverantwortlich und unbürokratisch gearbeitet werden kann.
Thomas Schiefer, Fachbereichsleiter Stadtentwicklung in Mechernich

So habe die Stadt sukzessive über zwei Millionen Ökopunkte gewonnen. „Damit konnten wir einem Teil unserer Ausgleichsverpflichtungen nachkommen. Oftmals wurde der Ausgleich aber auch direkt in oder an den Baugebieten durchgeführt.“ Die Hälfte der Punkte sei noch übrig, so Schiefer.

„Die Stadt Mechernich schätzt solche Arbeitsformen, weil hier ohne das Hauptproblem unserer Zeit, die Überbürokratisierung, eigenverantwortlich und unbürokratisch gearbeitet werden kann und wir jederzeit einen ökologischen Ausgleich ohne große Abstimmungen, Grundstücksverhandlungen, vertragliche Regelungen oder Punkte-in-Geld-Umrechnungserfordernisse herstellen können“, so Schiefer. Er betont zudem, dass die Mechernicher Punkte nur für den Eigenbedarf genutzt und nicht weiterverkauft werden.


Industriebrache der Ruhr KG

Viele Jahre war es still um die aufgelassene Industriebrache Ruhr KG bei Buir. Doch seit diesem Sommer ist Bewegung in die Angelegenheit gekommen, nachdem auch das Umweltministerium NRW zugestimmt hat, zur Finanzierung des Rückbaus Ersatzgelder des Kreises einzusetzen. Zurzeit ist das Verfahren in eine entscheidende Phase gekommen.

Nach dem einstimmigen Ratsbeschluss übernimmt die Gemeinde Nettersheim das Eigentum des herrenlosen Grundstücks – Voraussetzung dafür, dass die landeseigene Gesellschaft AAV den Rückbau der Industrieruine realisiert. „Wir befinden uns zurzeit in Abstimmung mit dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb Düsseldorf und werden in Kürze den Vertrag unterzeichnen“, teilte Bürgermeister Norbert Crump mit. Denn im November tage der Vorstand des AAV, der die Gelder für das Gutachten bewillige, mit dem der Rückbau der Gebäude vorbereitet werde. (sev)