Kleine Roboter fahren durch die Schulgänge, ersetzen aber nicht den Umgang mit Stift und Papier. Auf die Mischung kommt es an.
Schulalltag 4.0Digitaler und analoger Unterricht im Kreis Euskirchen ergänzen sich
Buch oder iPad? Das ist in vielen Schulen längst keine Entweder-oder-Frage mehr. „Es ist wie so häufig: Die Mischung macht es. Das eine muss das andere doch nicht ausschließen“, sagt Mirjam Schmitz, Leiterin der Katholischen Grundschule in Dahlem.
Die ist ein Beispiel für Digitalisierung im Schulalltag. Es wird nämlich nicht nur mit iPads und anderen digitalen Medien unterrichtet. Auch der Kontakt und der Austausch mit den Eltern erfolgen größtenteils über die App „Schoolfox“.
Digitale Medien kommen in Eifeler Grundschule zum Einsatz
Erst in der vergangenen Woche hat die Eifeler Grundschule in Paderborn eine weitere Zertifizierung für MINT-freundliche und Digitale Schulen erhalten. iPads und Apps spielen an der Schule eine große Rolle. Schulleitern Schmitz sagt aber auch: „Die Kinder bekommen bei uns keine viereckigen Augen. Kinder brauchen Papier und Bleistift, um schreiben zu lernen. Digitale Medien müssen einen Mehrwert bieten.“
Dieser Mehrwert wird in der vierten Klasse bei Lehrerin Sarah Urbanus deutlich. Die junge Pädagogin, die von Chefin Schmitz gerne als Digital Native (ein Mensch, der in der digitaler werdenden Welt aufgewachsen ist) bezeichnet wird, setzt iPads gerne im Unterricht ein – beispielsweise, um den Kindern spielerisch und „irgendwie durch die Hintertür“ Mathematik beizubringen.
Roboter und Lego: Digitale und analoge Werkzeuge werden benutzt
Mithilfe des iPads und der zugehörigen App programmieren Lena und Lisa einen sogenannten Dash. Davon gibt es in Dahlem viele. Die kleinen Roboter, die auch die FC-Hymne abspielen können, wenn die Grundschüler das möchten, fahren auf ihren drei Rädern genau die Strecke ab, die ihnen per digitalem Medium vorgegeben wird. „So bekommen die Kinder spielerisch vermittelt, was ein 90-Grad-Winkel ist oder wie ein Dreieck aufgebaut ist“, erklärt Urbanus.
Während alle auf dem Schulflur aufpassen müssen, dass sie nicht von einem der blauen Roboter umgefahren werden, die wie eine Mischung auf ET, Minion und Wall-E daherkommen, wird im Klassenraum mit Lego gespielt. Auch das ist mehr als nur Spielen – es ist Lernen auf unterschiedlichen Ebenen.
„Es ist soziales Interagieren. Die Kinder müssen sich organisieren, Rollen verteilen. Auch die Frustrationstoleranz wird auf die Probe gestellt, wenn mal etwas nicht funktioniert. Weitermachen, nicht aufgeben. Das sind wichtige Kompetenzen“, sagt Urbanus.
Dahlemer Grundschule: Tafeln wurden durch Smartboards ersetzt
Organisiert haben sich die Jungs in der Klasse schnell. Während einer auf dem iPad die Aufbauanleitung des Lego-Sets Seite für Seite aufruft, werden von einem anderen aus der Kiste die entsprechenden Steine und Bauteile herausgesucht und zusammengesteckt. Und so ganz nebenbei lernen die Grundschüler noch etwas über physikalische Konzepte, Federn, Gewichtssteine, Messelemente und die Wechselwirkung von Zahnrädern.
Außer im Musikraum und den OGS-Räumen gibt in der Dahlemer Grundschule keine grünen Tafeln mehr. Alles ist mit Smartboards ausgestattet. „Wir sind aber keine Hightech-Schule“, sagt Schulleiterin Schmitz und fügt hinzu: „Wenn der Strom ausfällt, haben wir natürlich ein Problem.“
Umgang mit digitalen Medien wird kritisch eingeordnet
Probleme, dass Eltern das Konzept „zu digital“ finden, habe es bisher noch nicht gegeben, erklärt die Schulleiterin. Vielleicht auch, weil alle Überlegungen in Dahlem auf pädagogischen Konzepten wie dem Digitalpass NRW fußen.
Oder auch, weil Prävention ebenfalls großgeschrieben wird. „Wir klären mithilfe der Polizei und des Medienparcours des Kreises Euskirchen natürlich auch über die Gefahren in der digitalen Welt auf – Schüler und Eltern“, so Schmitz.
Grundschulen im Kreis Euskirchen kommunizieren auch per App
Apropos Eltern: Mit ihnen wird in Dahlem – wie unter anderem auch in der Grundschule Gemünd oder der Weststadtschule in Euskirchen – vornehmlich per App kommuniziert. So werden Termine für den Elternsprechtag, den Elternabend oder andere schulische Veranstaltungen in digitaler Form mitgeteilt. Statt einer Unterschrift muss die Mitteilung per Klick bestätigt werden.
Die Kommunikation funktioniert auch andersherum. Kann ein Kind nicht zur Schule kommen, wird es per Tastenklick abgemeldet. Die analoge Entschuldigung ist seitens der Eltern dann einfach nachzureichen, sobald ihr Kind wieder in die Schule gehen kann.
App kann Elternbriefe per KI übersetzten
Die App bietet aus Sicht von Kerstin Berners, Leiterin des Grundschulverbunds Gemünd/Dreiborn, mehrere Vorteile. „Elternbriefe werden nicht im Ranzen vergessen“, sagt sie augenzwinkernd. Der viel größere Vorteil sei aber: Die App übersetzt die Elternbriefe automatisch mithilfe von Künstlicher Intelligenz in die Muttersprache der Eltern. „Gerade bei Eltern mit Migrationshintergrund oder Familien, die gerade erst in Deutschland sind, ist das eine enorme Hilfe“, so Berners.
Doch wie viel Zeit verbringen Kinder im Grundschulalter am Smartphone, Tablet, Fernsehen oder Spielkonsole? Die Schüler der 4a und 4b in Dahlem haben an einem Tag genau Buch geführt. Bei zehn Kindern waren es mehr als drei Stunden, die sie am Nachmittag mit Youtube, Switch, Playstation oder Netflix verbracht haben – hinzukommt die „Digitalzeit“ im Unterricht.
Viele Kinder schauen vor allem Videos auf der Plattform Youtube
„Das ist schon sehr viel. Also wenn ich gegen 15 Uhr mit den Hausaufgaben fertig bin, will ich doch nicht den Rest des Tages vor dem Bildschirm hängen“, echauffierte sich Jonas über seine Klassenkameraden. Die meisten Dahlemer Viertklässler nutzten am Beispielnachmittag zwischen 60 und 90 Minuten ihre digitalen Endgeräte. Nach eigenen Angaben schauen die Schüler vor allem Videos auf Youtube.
Handys sind in der Dahlemer Grundschule verboten. „Im Ranzen dürfen sie natürlich liegen. Aber im Schulgebäude werden sie nicht genutzt“, erklärt Schulleiterin Schmitz. In begründeten Einzelfällen werde hin und wieder eine Ausnahme gemacht.
Diese Ausnahme gibt es in den meisten Grundschulen im Kreis. Auch an der Weststadtschule in Euskirchen, an der Grundschule in Gemünd und ihrem Zweigort Dreiborn oder an der Grundschule in Stotzheim sollten Handys im Idealfall zu Hause bleiben – gleiches gilt für Smartwatches. „Wenn etwas ist, erreichen wir die Eltern schon. Dafür brauchen die Kinder keine Handys“, erklärt Sigrid Kücken, Leitern des Grundschulverbunds Stotzheim/Kirchheim. Da das eine oder andere Kind aber einen längeren Schulweg habe, habe es auch schon mal ein Handy im Ranzen.
Eltern nutzen WhatsApp-Gruppen zum Austausch
In Stotzheim und Kirchheim setzt man übrigens nicht auf Schoolfox, sondern auf Logineo. Das ist das Bildungsportal des Landes NRW, das auch eine digitale Lernplattform beinhaltet. Auch die Hermann-Josef-Schule in Euskirchen nutzt Logineo, um mit Eltern per E-Mail in Kontakt zu treten. Es gehe aber nichts über ein persönliches Gespräch, so Schulleiter Torsten Wanasek.
Und dann gibt es da noch eine digitale Kommunikationsplattform, mit der vor allem Erziehungsberechtigte viel Zeit verbringen – die WhatsApp-Eltern-Klassen-Gruppe. Da wird sich regelmäßig über Schulthemen ausgetauscht. Mitunter auch über das Ziel hinaus, wie Mutter Britta Franzen aus Udenbreth sagt.
Ihr gehe das Verhalten von anderen Eltern auf die Nerven. „Dass sich Eltern an Themen in WhatsApp-Gruppen aufhalten, die die Lehrer schon längst geklärt haben, nervt. Was in der Schule ist, sollen die Lehrer klären und nicht in Sozialen Netzwerken diskutiert werden“, sagt Franzen, die davon nach eigenen Angaben so genervt war, dass sie aus den Eltern-Gruppen ausgetreten ist. Ähnlich wie im Unterricht ist die Digitalisierung eben manchmal Fluch und Segen zugleich.
Medienzentrum ist gefragt
Der Kreis Euskirchen bietet den Schulen durch sein Medienzentrum einen vielfältigen Fundus an digitalen Medien.
Die Materialien sind gefragt: Allein in den ersten fünf Monaten des Jahres wurden Medien und Geräte nach Angaben der Kreisverwaltung wie folgt genutzt:
29 Grundschulen haben sich digitales Equipment wie iPad-Koffer und Apple-TV geliehen. 135 mal wurden Programmier-Sets (Calliope-Mini, Bluebots, Beebots oder das Matatalab ausgeliehen.
Auch die Virtual-Reality-Brille des Kreises wurde von den Grundschulen zu schulischen Zwecken geliehen – exakt dreimal. Die sogenannten Merge Cubes, ein MINT-Spielzeug mit erweiterter Realität, das dabei helfen soll, Wissenschaft, Mathematik oder auch Kunst auf moderne Art und Weise zu erlernen, war neunmal entliehen.
MINT ist eine zusammenfassende Bezeichnung von Unterrichts- und Studienfächern aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Zudem wurden laut Kreis in Beratungsgesprächen der Medienberatenden im Medienzentrum die digitalen Geräte mit den didaktischen Einsatzmöglichkeiten erörtert, vorgestellt und getestet.