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FinanzenKommunen im Kreis Euskirchen haben mehr als 487 Millionen Schulden – Die Gründe

Lesezeit 10 Minuten
Ein Taschenrechner liegt auf verschiedenen Euro-Banknoten.

In den Kämmereien im Kreis Euskirchen ist Sparen angesagt.

Die Städte und Gemeinden im Kreis Euskirchen sitzen auf einem hohen Schuldenberg. Experten aus den Rathäusern erklären, was das bedeutet.

Es klingt erstmal nach sehr viel: Mit 487,6 Millionen Euro stehen der Kreis Euskirchen und seine elf Städte und Gemeinden in der Kreide. Diese Summe haben kürzlich die Statistiker des Landes NRW veröffentlicht.

Doch ein Blick in die Zahlen von IT NRW zeigt auch, dass sich die Finanzen der Kommunen in den vergangenen zehn Jahren insgesamt ganz gut entwickelt haben – dank sprudelnder Steuerquellen, niedriger Zinsen und angewandter Haushaltsdisziplin. 2013 lagen die Gesamtschulden im Kreis nämlich noch fast um ein Drittel höher (siehe auch „Viele Kommunen haben sich in den vergangenen Jahren gut entwickelt“).

Wie stehen die Kommunen im Kreis im NRW-Vergleich da? Gar nicht so schlecht. Auf jeden Kreisbürger fallen rechnerisch 2450 Euro kommunaler Schulden, landesweit sind es rund 1000 Euro mehr, nämlich 3492 Euro (Stand 31. Dezember 2023). Allerdings reicht die Spanne der Pro-Kopf-Verschuldung im Kreis Euskirchen in den Kommunen selbst von 574 Euro in Hellenthal bis 5078 in Mechernich.

Wir müssen diszipliniert bleiben.
Ralf Claßen, Kämmerer der Stadt Mechernich

Hat Mechernich etwa schlecht gehaushaltet? „Nein“, sagt Kämmerer Ralf Claßen: „Im Gegenteil.“ Zwar hat die zweitgrößte Kreiskommune den höchsten Schuldenstand in der Summe und auch pro Kopf. „Doch man darf nicht nur die nackten Zahlen sehen“, so der Mechernicher Kämmerer. Es sei vieles so wie im richtigen Leben: Wer Urlaub auf Pump mache, stehe danach finanziell ziemlich blank da. Wer aber etwa einen Kredit für ein Haus aufnehme, habe einen Gegenwert, sagt Claßen.

So sei es auch in seiner Kommune. „Für das Gros dessen, was wir investiert haben, haben wir Aktivposten in der Bilanz“, stellt der Kämmerer fest. Und investiert habe Stadt Mechernich reichlich. So hat sie Claßen zufolge in den vergangenen zehn Jahren 70 Millionen Euro mit Bedacht ausgegeben, etwa für Schul- und Kita-Gebäude. Damit habe die Kommune nicht nur Werte aus Stein geschaffen, sondern auch in die Jugend und damit in die Zukunft investiert. „Eine bessere Investition gibt es nicht“, sagt Claßen.

Mechernich: Mit dem Geld wurden Schulen und Kitas gebaut

11,5 Millionen Euro seien in neue Gewerbegebiete geflossen und hätten dazu beigetragen, dass 2023 die Rekordsumme von 13,5 Millionen Euro an Gewerbesteuer dem städtischen Haushalt zugutegekommen seien. Dass es auch richtig gewesen sei, zehn Millionen zur Verbesserung des Energienetzes einzusetzen, zeigten die jährlichen Überschüsse aus diesem Bereich – selbst wenn man Tilgung und Zinsen berücksichtige. Das alles habe mit dazu geführt, so der Kämmerer, dass die Stadt Mechernich seit neun Jahren ununterbrochen positive Jahresabschlüsse vorweisen könne.

Wie wird die Entwicklung in den Kommunen eingeschätzt? Fragt man zum Beispiel den Kämmerer der Stadt Euskirchen, Klaus Schmitz, mit welchen Empfindungen er auf die Arbeit in den vergangenen Jahren blicke, lautet seine Antwort: „Es freut einen, wenn man sieht, dass man der Stadt mit den verfügbaren Geldern Kredite ersparen und damit durch ersparte Zinsen zu einer positiven Entwicklung beitragen kann.“ Die Kreisstadt verfüge seit 2015 über eine ausreichende Liquidität, so dass die Notwendigkeit für Kassenkredite auf Null habe zurückgeführt werden können.

Was hat es mit den Kassenkrediten auf sich? Kassenkredite sind in den Kämmereien ähnlich beliebt wie der Dispo bei Otto Normalverbraucher. Sie sind dann nötig, wenn es mit der Liquidität eng wird, weil die Einnahmen die Ausgaben nicht mehr decken können. Aber manchmal sind sie auch unausweichlich: im Privaten, wenn etwa Kühlschrank und Waschmaschine gleichzeitig den Geist aufgeben; im Kommunalen, wenn die Einnahmen nicht ausreichen, um beispielsweise den Betrieb der Schulen und Kitas aufrechtzuerhalten oder die Pflege und Unterhaltung der Infrastruktur (etwa Straßen) zu gewährleisten.

„Trick“: Land NRW hat Schulden bei den Kommunen „geparkt“

Viele der Kommunen im Kreis haben die Kassenkreditschulden in den vergangenen Jahren zurück- oder gar auf Null fahren können. „13,5 Millionen Kassenkredite sind für eine Kommune von der Größe Mechernichs nicht so viel“, zeigt sich Ralf Claßen zufrieden.

Zuweilen stehen die Kassenkredite auch nur als statistische Größen in den Büchern. Für die Gemeinde Dahlem zum Beispiel weist IT NRW Kassenkredite in Höhe von 365.000 Euro aus.

Bürgermeister Jan Lembach stellt aber klar: „Der Posten ist eine frühere Landesförderung ,Gute Schule 2020', die bei den Kommunen geparkt wurde, aber vom Land getilgt wird. Das war damals ein ,Trick' der Landesregierung, damit diese Schulden des Landes nicht dort in der Bilanz auftauchen.“

Kämmerer der Gemeinde Blankenheim sieht „einen guten Trend“

Auch die Gemeinde Blankenheim vermeldet, dass 700.000 Euro ihrer Kredite aus diesem Programm des Landes stammen, also vom Land getilgt werden. Selbiges gilt für 4,2 Millionen Euro Schulden, die die Kreisverwaltung zu Buche stehen hat. Die weiteren 7,5 Millionen, die IT NRW als Schulden des Kreises aufführt, gehen größtenteils auf Beteiligungen zurück – etwa an der Anstalt öffentlichen Rechts für die Entwicklung der Prime Site Rhine Region in Euskirchen/Weilerswist.

Das Bild aus dem Jahr 2022 zeigt die Erft und daneben Bauabgrenzungen.

Der Wiederaufbau nach der Flut schlägt sich in den Finanzen der Stadt Bad Münstereifel nieder – trotz der Hilfe von Land und Bund.

Von den 11,8 Millionen Kassenkrediten Blankenheims sind Kämmerer Robin Poensgen zufolge 5 Millionen tatsächlich aufgenommene Kassenkredite, wobei davon wiederum 3 Millionen zwischenzeitlich als Festgeld angelegt worden seien.

Seit 2013 habe die Ahrgemeinde die Kassenkredite um 2,5 Millionen Euro gesenkt, weist Poensgen auf die Entwicklung hin: „Dieser gute Trend wird in diesem Jahr fortgesetzt werden können. Dadurch kann die Zinsbelastung weiter gesenkt werden.“

Viel Fläche, wenig Bürger: So kam Bad Münstereifel zu den Schulden

Bad Münstereifel, das nun wahrlich nicht finanziell auf Rosen gebettet ist, wies Ende 2023 laut IT NRW Kassenkredite von 25 Millionen Euro auf. Anders war die Infrastruktur laut Stadtverwaltung nicht auszubauen beziehungsweise instandzuhalten. Es handele sich schließlich um 57 Ortsteile auf 151 Quadratmetern Fläche, in denen zu wenige Menschen wohnen oder Betriebe ihren Standort haben, als dass sie der Stadt ausreichend Einkommens- und Gewerbesteuern für diese Aufgaben zahlen könnten.

2023 hat die Kurstadt die Schuldensumme der Kassenkredite um knapp 30 Prozent gesenkt. Das ist natürlich ein Kraftakt, aber auch eine Befreiung von Teilen der Tilgung und der zuletzt gestiegenen Zinsen. „Um diese Mehrbelastung zeitnah zu reduzieren, hat die Stadt Bad Münstereifel ihre Finanzmittel vorrangig zur Tilgung von Liquiditätskrediten genutzt“, so ein Sprecher.

Warum sind die Kernhaushalte maßgeblich? Dort finden sich die Einnahmen und Ausgaben der jährlichen Haushalte wieder. „Eigentlich ist nur der Kernhaushalt relevant“, sagt Dahlems Bürgermeister Lembach und weist erfreut darauf hin, dass in Dahlem die Schulden in diesem Bereich binnen zehn Jahren um knapp drei Viertel auf 1,85 Millionen Euro gesenkt worden sind.

Kommunen im Kreis Euskirchen: Ausgabendisziplin weiterhin nötig

Mit den Schulden der ausgelagerten Bereiche, die also nicht Bestandteil der Kernhaushalte sind, verhält es sich laut Ralf Claßen nämlich so: Wenn etwa der Eigenbetrieb „Abwasser“ Kredite aufnimmt, um neue Wohn- oder Gewerbegebiete zu erschließen, tilgt und verzinst er diese mit den Gebühren, die die Neubürger oder Gewerbebetreibenden dann zahlen – und über die allgemeine Gebührengestaltung, die zu guter Letzt eine schwarze Null schreiben muss. Dass ein modernes Netz sich positiv auf die Kosten und damit auf die Gebühren auswirkt, komme noch hinzu.

Wie geht es nun weiter? Höchste Ausgabendisziplin ist womöglich wichtiger denn je. Höhere Preise und Zinsen, schlechtere Konjunktur und damit weniger Steuereinnahmen für die Kommunen lassen wohl keinen anderen Weg zu. „Wir müssen diszipliniert bleiben“, mahnt Ralf Claßen.

Auch Euskirchen drohen wieder schwierigere Zeiten

Was das heißt, wissen sie in Bad Münstereifel sehr genau. Die Kurstadt befinde sich seit 2013 nahezu durchgängig in einem Haushaltssicherungskonzept, verlautet aus dem Rathaus. Seitdem sind die Schulden auch spürbar gesunken. Für 2023 war sogar wieder ein ausgeglichener Haushalt angepeilt – dann kamen Corona und Flut. Bevor nämlich die Landesmittel für den Wiederaufbau fließen, müsse ein großer Teil vorfinanziert werden, so die Stadt.

Auch der Euskirchener Kämmerer Klaus Schmitz hat den Politikern in einer Vorlage jüngst vorgerechnet, dass etwa Anfang 2026 die bisherige Liquidität aufgebraucht sein werde, „so dass wieder Kassenkredite aufgenommen werden müssten“.

Unter Zugrundelegung der Daten des vorliegenden Haushaltsentwurfs sei zum Ende des aktuellen Planungszeitraums am 31. Dezember 2027 mit einem Kassenkreditbestand von rund 37,7 Millionen Euro zu rechnen, so Schmitz.


So haben sich die Kommunen im Kreis Euskirchen finanziell entwickelt

286,5 Millionen Euro hatten die Kommunen im Kreis Euskirchen und die Kreisverwaltung laut IT NRW am Ende des Jahres insgesamt an Schulden in ihren Kernhaushalten. Zehn Jahre zuvor waren es noch 31,3 Prozent mehr.

Dazu kommen noch die Schulden der kommunalen Eigenbetriebe (etwa Abwasser), der eigenbetriebsähnlichen Einrichtungen und der kommunalen Anstalten öffentlichen Rechts, so dass die Gesamtschuldenzahl im Kreis Ende 2023 bei 487,6 Millionen Euro lag. 2013 waren es knapp 10 Prozent mehr (540,7 Millionen). Die Schulden aus Kassenkrediten sanken in diesem Zeitraum um 60 Prozent auf 54,7 Millionen Euro. Hier ein Überblick über die Entwicklung in den Städten und Gemeinden:

Bad Münstereifel: Von 2013 bis 2023 wurden die Gesamtschulden von 65 auf 53,1 Millionen Euro um 18,2 Prozent gesenkt, die Pro-Kopf-Verschuldung von 3751 auf 3039 Euro um 19 Prozent. Bei den Kassenkrediten ist die Entwicklung weniger gut: Sie stiegen von 20,1 Millionen in 2013 auf 25 Millionen Euro (plus 24 Prozent). Die Schulden im Kernhaushalt beliefen sich Ende 2023 auf 37,6 Millionen Euro (5,2 Prozent mehr als 2013).

Blankenheim: Bei den Gesamtschulden der Gemeinde ist die Entwicklung überschaubar: Um 0,3 Prozent stiegen sie von 30,0 in 2013 auf 30,2 in 2023. Davon waren 22,3 Millionen Schulden aus den Kernhaushalten (2,9 Prozent mehr als 2013). Die Kassenkredite liegen bei 11,8 Millionen Euro (-29,4 Prozent).

Dahlem: Die Gemeinde hat ihre Gesamtschulden um fast die Hälfte (48,8 Prozent) von 2013 bis 2023 von 10,3 auf 5,3 Millionen gesenkt. 1,8 Millionen kommen aus dem Bereich Kernhaushalte (-74,1 Prozent seit 2013). Die Kassenkredite sanken in diesem Zeitraum gar um 90,9 Prozent von 4 Millionen auf 365 000 Euro.

Einige Städte und Gemeinden haben ihre Schulden stark abgebaut

Euskirchen: Um 11,1 Prozent sanken die Gesamtschulden von 2013 bis 2023 – von 159 auf 141,4 Millionen Euro. Die Schulden in den Kernhaushalten gingen um 58,8 Prozent auf 46,7 Millionen zurück. Den Bestand der Kassenkredite hat die Kreisstadt von 27 Millionen Euro in 2013 bis Ende 2023 auf 0 runtergefahren.

Hellenthal: Gesamtschulden 2013: 21,8 Millionen, Gesamtschulden 2023: 4,3 Millionen Euro (-80 Prozent). Kernhaushalt: Minus 80 Prozent auf 4,3 Millionen. Der Bestand der Kassenkredite sank von 14,5 Millionen auf 0.

Kall: Gesamtschulden 2013: 27,6 Millionen, Gesamtschulden 2023: 19,3 (-30 Prozent); für den Kernhaushalt gelten dieselben Zahlen, denn Kall hat keine Eigenbetriebe. Kassenkredit-Bestand: 2013: 4 Millionen, 2023: 0.

Mechernich: Die Gesamtschulden sind von 2013 bis 2023 von 109,9 Millionen auf 145,5 Millionen um 32,4 Prozent gestiegen. Die Schulden in den Kernhaushalten stiegen von 60,3 auf 71,3 Millionen (plus 18,2 Prozent). Jedoch ist der Schuldenstand bei den Kassenkrediten in diesem Zeitraum von 17,5 auf 13,5 Millionen um 22,8 Prozent gesunken.

Nettersheim: Von 2013 bis 2023 stiegen die Gesamtschulden von 13,3 auf 19,4 Millionen Euro, also um 46,4 Prozent, die Kassenkredite stiegen von 1,5 auf 2,5 Millionen (plus 66,7 Prozent). Die Schulden aus den Kernhaushalten nahmen um 11,6 Prozent auf 7 Millionen Euro zu.

NRW-Statistik: In Heimbach liegt die Pro-Kopf-Verschuldung bei 6642 Euro

Schleiden: Um 30,2 Prozent sank der Gesamtschuldenstand und damit auch der Kernhaushaltschulden von 36,5 auf 25,5 Millionen Euro. Die Stadt Schleiden hat wie Kall keine Aufgaben ausgelagert. Der Bestand der Kassenkredite sank in den zehn Jahren von 11,6 Millionen auf 410 000 Euro (-96,5 Prozent).

Weilerswist: Der Gesamtschuldenstand hat sich fast halbiert, nämlich um 48,3 Prozent. Bei 34,8 Millionen lag er 2013, zehn Jahre später bei 18 Millionen. Die Miese in den Kernhaushalten sanken um 57 Prozent auf 13,8 Millionen. Die Summe der Kassenkredite ging sogar um 98,5 Prozent zurück: von 9 Millionen auf 140 000 Euro.

Zülpich: Um 48,2 Prozent sank der Gesamtschuldenstand von 26,5 Millionen in 2013 auf 13,7 Millionen in 2023. Auch Zülpich hat keine Eigenbetriebe, insofern sind Gesamtschulden und Schulden aus den Kernhaushalten identisch. Den Bestand der Kassenkredite hat die Stadt von 11,5 Millionen auf 708 000 Euro um 93,8 Prozent zurückgefahren.

Heimbach: Der Bestand der Gesamtschulden ist von 2013 bis 2023 um 42,1 Prozent von 20,4 auf 29 Millionen Euro gestiegen. Damit fielen laut IT NRW am 31. Dezember 2023 auf jeden Einwohner Heimbachs rechnerisch 6642 Euro städtischer Schulden (Der Schnitt im Kreis Düren liegt bei 2904 Euro). Von diesen Gesamtschulden befanden sich 23,4 Millionen in den Kernhaushalten. Bei den Kassenkrediten stieg der Bestand in den Jahren von 2013 bis 2023 von 16,2 Millionen auf 18,2 Millionen (plus 12,3 Prozent).