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Drei Jahre Ukraine-KriegViele Geflüchtete haben in der Eifel eine neue Heimat gefunden

Lesezeit 5 Minuten
Anna Dehtiarinska, ihr Mann Denys Dehtiarinsky und ihre Tochter stehen vor einem Eifeler Fachwerkhaus.

In der Eifel heimisch geworden sind Anna Dehtiarinska und ihr Mann Denys Dehtiarinsky, der im August 2022 nachgekommen ist, und die kleine Alina.

Geflüchtete aus der Ukraine fassen in der Eifel Fuß. Helfer bringen unermüdlich Transporte in das überfallene Land.

Drei Jahre nach der Invasion Russlands in der Ukraine beherrscht derzeit US-Präsident Donald Trump mit seiner „Friedensmission“ die Schlagzeilen, der über den Kopf von Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj und der Europäischen Union hinweg mit dem Aggressor Putin angebliche „Verhandlungen“ angeleiert hat.

In der Ukraine gehen die Kämpfe derweil weiter, Millionen Menschen sind seit Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 aus ihrem Heimatland geflüchtet. Viele Ukrainerinnen und Ukrainer haben sich im Westen Europas in Sicherheit bringen können, auch im Kreis Euskirchen.

Kurz nach Kriegsbeginn 2022 sind drei junge Mütter, Freundinnen aus der zu trauriger Berühmtheit gelangten Großstadt Saporischschja (Saporijia) mit dem angegriffenen Atomkraftwerk am Fluss Dnepr, geflüchtet. Sie sind mit ihren Kindern nach einer langen Odyssee in Einruhr gelandet. Dass sie dort, im damaligen Ferienhaus Eifel-Chalet Bachforelle von Sandra und Jan Lehmann aus Oberreifferscheid, unterkommen konnten, hatten sie insbesondere Thomas Claßen zu verdanken.

Marmagener organisierte kurz nach Kriegsbeginn ersten Hilfstransport

Der Polizist aus Marmagen stammt aus Einruhr. Er hatte mit Freunden und Kollegen sofort nach der Invasion einen Hilfstransport in die Ukraine auf die Beine gestellt – und auf dem Rückweg die drei Frauen mit ihren Kindern an der polnisch-ukrainischen Grenze in Korczowa nahe Krakau, nicht weit von der Metropole Lwiw im Westen der Ukraine, zufällig aufgelesen und mitgenommen.

Jetzt gab es ein Wiedersehen genau dort, wo die Frauen und ihr Nachwuchs von hilfsbereiten Mitmenschen, von Nachbarn aus Einruhr und der Umgebung wohlbehütet zu Eifeler Bürgern werden konnten. Thomas Claßen (55) und Anna Dehtiarinska (39) umarmten sich herzlich bei dem Treffen. Mit dabei waren ihr Ehemann Denys Dehtiarinsky, der im August 2022 nachgekommen ist, und Tochter Alina (5). Die Familie lebt nun im Simmerather Zentrum. Die Kleine besucht den Kindergarten.

Ralf Oetinger (von links), Thomas Claßen und Martin Breuer stehen nebeneinander und blicken in die Kamera.

Auch nach drei Jahren helfen Ralf Oetinger (von links), Thomas Claßen und Martin Breuer unermüdlich weiter in der Ukraine.

„Sie spricht schon sehr gut Deutsch“, schwärmt ihre Mutter, die in der Heimat in einer Bank gearbeitet hatte. Jetzt ist sie in der Seniorenpflege tätig. Die deutsche Sprache bringt sie sich sozusagen selbst im Gespräch mit den Kolleginnen bei – noch ist es etwas holprig. Wenn's gar nicht so recht klappt mit der Verständigung, wird kurz die Übersetzungs-App des Handys bemüht. Zu einem Deutschkurs habe die Zeit bislang nicht gereicht, weil sie zunächst auf ihre kleine Tochter aufpassen musste. Ihr Mann hat Arbeit bei einer Spedition in Kall gefunden, fährt einen Lastwagen.

Die Sehnsucht nach der verlorenen Heimat bleibt bestehen

Ist die Rückkehr in die Ukraine ein Thema? „Nicht solange dort der Krieg tobt“, sagt Anna Dehtiarinska. Dann müsse man weitersehen. Inzwischen sind auch ihre Eltern hier, leben im Simmerather Ortsteil Witzerath. Die Sehnsucht nach dem früher Altvertrauten bleibt dennoch.

Vielen Dank an alle, die bei dem herzlichen Empfang mitgeholfen haben.
Tanya Mukututchuk, Geflüchtete aus der Ukraine

Tanya Mukututchuk (40) und ihre Töchter plagten riesiges Heimweh und die Sehnsucht nach ihrem Mann Bogdan (45) und ihren Eltern, die in der Ukraine zurückgeblieben waren: Sie reiste zweimal zurück, kam wieder. Inzwischen lebt sie mit ihren beiden Kindern in Lammersdorf. Sofia (12) besucht das Monschauer Gymnasium, Angelina (10) die Grundschule. Zum Wiedersehenstreff in Einruhr konnte Tanya Mukututchuk nicht kommen, sie war erkrankt. Sie besucht eine Aachener Sprachenschule. „Ich vermisse mein Zuhause und meine Eltern in der Ukraine. Ich habe immer noch meinen Mann, mein Zuhause, meine Familie und meine engen Freunde und auch meine Arbeit. Ich arbeitete in einer Bank in der Kreditabteilung.“

Inzwischen haben die Eifeler Helfer schon 57 Transporte organisiert

Mukututchuk sagt aber auch: „Wir hatten eine wundervolle Zeit in Einruhr.“ Und sie fügt an: „Vielen Dank an alle, die bei dem herzlichen Empfang mitgeholfen haben.“ Ihr Mann sei noch in der Ukraine. „Unsere Familie musste zur Sicherheit der Kinder getrennt werden. Natürlich möchte ich nach dem Krieg nach Hause zurückkehren.“ Die dritte der damals gemeinsam geflüchteten Freundinnen, Tschursina Oihtozifa, lebt inzwischen mit ihren Kindern in Finnland.

Das Wohl und Wehe von ganz Europa wird da entschieden. Es geht um alles. Auch um unsere Zukunft.
Ralf Oetinger, Helfer aus der Eifel

Einer, der bei der Ukrainehilfe kräftig mit anpackt, ist der 51-jährige Polizeihauptkommissar Ralf Oetinger aus Düsseldorf. „Das Wohl und Wehe von ganz Europa wird da entschieden“, sagt er: „Es geht um alles. Auch um unsere Zukunft.“ Er hat in Köln lange mit Thomas Claßen zusammengearbeitet. Schon drei Tage nach Kriegsausbruch war für Oetinger klar: „Wir müssen was machen. Wir konnten das Unrecht so nicht stehenlassen.“

Gemeinsam mit Claßen und Kollegen wurden Sachspenden und Geld gesammelt. Diese Woche wurde der 57. Transport losgeschickt. Die Ziele sind kreuz und quer in der Ukraine. „Wir haben geliefert, was notwendig war“, sagt Oetinger, der sehr froh ist, dass der Polizeipräsident das ehrenamtliche Engagement unterstützt und sogar Sonderurlaub eingeräumt habe.

Viele Unterstützer helfen immer noch mit Geld- und Sachspenden

Mittlerweile könne er auf viele Partner bauen, die das Hilfsprojekt fördern, aber ungenannt bleiben wollen. Oetinger hat nachgerechnet: Bislang seien 1300 Kubikmeter Hilfsgüter transportiert worden, darunter „das ganze Equipment eines Krankenhauses“, aber auch 33 Paletten mit Proteinriegeln mit einem Verkaufswert von 276.000 Euro. Auch konnte mal Marmelade geliefert werden, als kleines Schmankerl. „Unsere einzigen Kosten sind der Sprit, den wir selbst bezahlen.“ Eigens wurde ein 3,5-Tonner gekauft. Geldspenden helfen, spezielle Produkte hinzukaufen zu können.

Was wird derzeit gebraucht? Thomas Claßen, der in der ihm gehörenden Burg Marmagen sammelt, listet auf: Stromgeräte, Orthesen, Krücken, Rollstühle, Rollatoren, Schienen für Arme und Beine, Feldstecher, Wasserkocher, Campingleuchten, warme Jacken und Decken, Verbandskästen, Inkontinenzprodukte zum Beispiel aus Pflegeeinrichtungen, Batterien und, und, und...   Auch ausrangierte Holzöfen sind gefragt. Damit heizen ukrainische Soldaten im Winter in ihren Schützengräben.

„Danke, dass ihr uns geholfen habt“, sagt Anna Dehtiarinska. „Schön, dass es euch gut geht“, entgegnet Thomas Claßen. Und er fügt hinzu: „Wir haben damals das Richtige getan.“

Claßen und Oetinger werden weitermachen, unermüdlich. Auch Martin Breuer aus Einruhr unterstützt das Projekt, so gut es geht: Er steuert Hilfstransporte. Wer helfen will, kann die Ansprechpartner per Mail kontaktieren: ri.sorge@web.de und tc69@gmx.de.


2872 Menschen aus der Ukraine leben im Kreis Euskirchen

Kurz vor dem dritten Jahrestag des Überfalls Russlands auf die ganze Ukraine leben nach den Statistiken des Ausländeramts des Kreises 2872 Ukrainerinnen und Ukrainer mit einer Aufenthaltsgenehmigung in den Städten und Gemeinden des Kreises Euskirchen. Davon sind 1315 männlich und 1557 weiblich. Die meisten von ihnen wohnen in der Kreisstadt Euskirchen.

Auch zahlreiche Kinder sind mit ihren Familien vor dem Krieg geflüchtet und besuchen nun die Schulen im Kreis. Wie Wolfgang Andres, Pressesprecher der Kreisverwaltung, auf Anfrage ergänzte, sind es mehr als 700 Kinder: „Wie haben aktuell 360 Jungen und 346 Mädchen in der Altersspanne von sechs bis 18 Jahren, die schulpflichtig sind“, so Andres.