Andrea Kanonenberg will für die SPD nach Berlin. Die Wesselingerin kandidiert im Wahlkreis 91 und damit auch für den Kreis Euskirchen.
Interview zur BundestagswahlHochwasserschutz im Kreis Euskirchen ist die größte Baustelle
![Das Bild zeigt die Sozialdemokratin Andrea Kanonenberg.](https://static.rundschau-online.de/__images/2025/02/12/449ac20d-5a2b-4414-858f-b37028380722.jpeg?q=75&q=70&rect=0,2,4000,2250&w=2000&h=1334&fm=jpeg&s=583756e8f14832975c96502b41223b13)
Bundestagskandidatin Andrea Kanonenberg tritt für die SPD im Wahlkreis 91 an.
Copyright: Regina Spitz
Insgesamt dürfen am 23. Februar im Wahlkreis 91 (Kreis Euskirchen, Brühl, Erftstadt und Wesseling) 248.603 Menschen ihr Kreuz machen. Davon sind 9482 Erstwähler. Neun Kandidaten stehen zur Wahl. Wir stellen die Direktkandidaten für den Bundestag in Reihenfolge des Stimmzettels vor. Den Anfang macht Andrea Kanonenberg von der SPD.
Wann haben Sie begonnen, sich für Politik zu interessieren? Gab es eine Initialzündung?
Ursprünglich war Politik für mich einfach eine Wissenschaft, die ich in Bonn studiert habe, weil ich sie seit der Schulzeit interessant fand. Der Studiengang in Bonn war damals aus alter bundesstädtischer Tradition sehr zeitgeschichtlich orientiert. Mich hat die Geschichte unseres Landes in der Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg fasziniert; wie die Kanzlerschaften ganz unterschiedlicher Männer und einer Frau und viele, viele Einzelentscheidungen uns als Land innenpolitisch prägten und uns einen neuen Platz in Europa und in der Welt gaben. Ich habe dabei viel über Aktion, Reaktion und Strategie gelernt.
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Erst die Jobs als Pressereferentin bei der Stadt Bonn in der SPD-Fraktion und dann als Fraktionsgeschäftsführerin haben dem Ganzen einen handfesten Realitätscheck gegeben. Das Erarbeiten von Ideen, das Verhandeln von Mehrheiten, der Austausch mit Bürgern, Vereinen und Verbänden, die Möglichkeit, den Alltag und das Leben der Menschen zu gestalten – das hat mich gepackt und nicht mehr losgelassen.
Welches politische Ereignis hat Sie in den vergangenen Jahren am meisten bewegt oder berührt?
Der Brexit hat mich sehr beschäftigt. Zunächst die absichtlichen Fehlinformationen im Wahlkampf zum Referendum, was die Höhe möglicher finanzieller Einsparungen betraf. Das hat mich aus der Ferne wütend gemacht. Einer der großen Wahl-Erfolge von Fake News. Dann begann der Verhandlungsmarathon, und zum Schluss stand die Abstimmung im Europäischen Parlament über das Austrittsabkommen. Ich habe die Debatte live verfolgt, als eine große europäische Nation, die uns im Zweiten Weltkrieg befreit hat, Europa verließ.
Nachdem Parlamentspräsident David Sassoli das Ergebnis verkündet hatte, standen die nicht-britischen und ein paar britische Parlamentarier auf, hielten sich an den Händen und sangen „Auld Lang Syne“. Das hat mich erwischt. Ich hatte Gänsehaut, fühlte mich ausgerechnet in diesem Moment so europäisch, wie es nur geht, und habe ein paar Tränchen der Rührung vergossen. Für uns ist es so selbstverständlich, von befreundeten Ländern umgeben zu sein, dass wir ganz vergessen, welch langen Weg wir miteinander zurückgelegt haben.
Was ist die größte Baustelle im Kreis Euskirchen?
Die größte Baustelle ist der Hochwasserschutz. Die Menschen im Kreis haben nach der Flutkatastrophe so viel geleistet. An vielen Stellen wurde der Wiederaufbau für eine Modernisierung der Infrastruktur genutzt. Jetzt muss das, was wir aufbauen, besser geschützt werden. Dafür braucht es einfachere Verfahren und mehr Unterstützung durch Land und Bund.
Warum sollten die Menschen im Wahlkreis 91 Sie wählen?
Unsere Kommunen brauchen (finanzielle) Unterstützung aus Berlin und Düsseldorf und nicht immer nur weitere Aufgaben, die von dort weitergereicht werden. Nach 15 Jahren – erst hauptamtlich in der Kommunalpolitik und nun in der Kommunalverwaltung – weiß ich aus meinem Arbeitsalltag, mit welchen Herausforderungen die Städte und Gemeinden, die Kitas und Schulen, die Vereine und Unternehmen zu kämpfen haben. All das Wissen aus der Praxis nehme ich mit nach Berlin und werde mich dort für unseren Wahlkreis, für die Städte und Gemeinden einsetzen.
Warum ist der Kreis Euskirchen lebenswert?
Der Kreis Euskirchen hat viel zu bieten – Stadt und Land, Freizeitangebote, attraktive Arbeitsplätze –, aber vor allem sind es die Menschen, die den Kreis ausmachen. Das große ehrenamtliche Engagement, die gute Nachbarschaft, die Vereine, das große rheinische Herz.
Was wollen Sie in Berlin für den Kreis Euskirchen erreichen?
Meine Motivation, für den Bundestag zu kandidieren, ist aus meiner Arbeit in der Kommunalpolitik und der Kommunalverwaltung entstanden. Jeden Tag sehe ich, wie die Kommunen an ihre Leistungsgrenzen und darüber hinaus gebracht werden, weil die Aufgaben von Bund und Land weitergegeben werden, ohne dass eine ausreichende Finanzierung dafür folgt.
Wenn das so weitergeht, werden die Städte nur noch ihre Pflichtaufgaben erfüllen und immer mehr freiwillige Aufgaben in Kultur, Wirtschaftsförderung etc. streichen müssen. Dabei sind das die Dinge, die unsere Städte lebenswert machen. Am Ende steht oft eine Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuern, damit das Geld reicht. Der Fachkräftemangel bleibt. Denn die Wirtschaft zahlt in entscheidenden Berufsbildern besser als der Öffentliche Dienst.
Die Fördermittelkulissen, mit denen die strukturelle Unterfinanzierung aufgefangen werden soll, sind realitätsfern zugeschnitten und geprägt von endlosen bürokratischen Verfahren. Das kann ich von hier aus aber nicht ändern. Deshalb möchte mich in Berlin für unsere Städte hier und Kommunen überall einsetzen. Auf Entbürokratisierung ist auch die Wirtschaft bei uns angewiesen. Genehmigungs- und Planungsverfahren müssen beschleunigt und digitalisiert werden. Außerdem muss die Schuldenbremse reformiert werden, damit endlich wieder investiert werden kann.
Wie würden Sie einen Nichtwähler davon überzeugen, sein Kreuz auf dem Stimmzettel zu machen?
Wer nicht wählt, überlässt anderen die Entscheidung über Themen, die uns alle betreffen – von Bildung über Gesundheit bis hin zu sozialer Gerechtigkeit. Eine Stimme ist Ausdruck deiner Meinung und deiner Werte. Jede Wahl ist eine Chance, Veränderungen herbeizuführen und für die Themen einzutreten, die dir wichtig sind. Immer wieder gibt es ganz knappe Wahlergebnisse, gerade um Wahlkreise. Jede Stimme kann den Unterschied machen.
Welchem Ihrer Mitbewerber würden Sie den Einzug ins Parlament gönnen und fachlich zutrauen?
Christian Schubert würde frischen Wind in den Bundestag bringen. Er ist klug und eloquent, fest verwurzelt in unserem Wahlkreis und politisch über die Region hinaus vernetzt. Und vor allem hat er keine Angst vor Platzhirschen. Er wäre ein Gesicht für einen Generationswechsel und eine Identifikationsfigur für die Menschen in unserem Wahlkreis, die sich in konservativen Weltbildern nicht wiederfinden. Ein Einzug in den Bundestag käme jetzt sehr früh, mögen einige sagen.
Das muss aber so sein, wenn der Bundestag unsere Gesellschaft widerspiegeln soll. Ich bin Herrn Seif und Herrn Herbrand dankbar für ihren jahrelangen Einsatz für unseren Wahlkreis. Beide sind anerkannte Fachleute in ihren Bereichen. Das Abstimmungsverhalten ihrer beiden Fraktionen gemeinsam mit der AfD in migrationspolitischen Fragen am 29. Januar im Bundestag macht es mir jedoch unmöglich, sie auf diese Frage zu nennen.
Mit welchem Politiker würden Sie niemals ein Bier trinken gehen?
Grundsätzlich bin ich immer interessiert an den Lebenswirklichkeiten anderer. Ich höre gern zu und möchte verstehen, wie jemand zu den jeweiligen Ansichten und Lebensentscheidungen gekommen ist. Ich glaube allerdings, ein Bier mit Björn Höcke bräuchte ich nicht, um festzustellen, dass ich mir nicht anhören kann und möchte, was er über seine Sicht auf die Welt zu sagen hat.
Zur Person
Andrea Kanonenberg ist 43 Jahre alt und lebt in Wesseling. Sie ist Leiterin des Geschäftsbereichs Bürgermeister bei der Stadt Wesseling und hat keine Kinder. Seit 2010 ist sie Mitglied der SPD in Wesseling. Von 2016 bis 2018 war sie stellvertretende Vorsitzende der SPD Wesseling und von 2019 bis 2021 war sie stellvertretende Vorsitzende der SGK Rhein-Erft (Sozialdemokratische Gemeinschaft der Kommunalpolitik).
Seit vergangenem Jahr ist sie stellvertretende Vorsitzende der SPD Rhein-Erft. In ihrer Freizeit liest die SPD-Bundestagskandidatin nach eigenen Angaben gerne. Zudem mag sie Musik, quizzen und Sport gucken. Wer mehr über die SPD-Kandidatin erfahren will, kann auf ihre Social-Media-Kanäle und ihre Homepage gehen.