Das Schöffengericht in Gemünd verurteilte einen Angeklagten aus der Gemeinde Kall zu 18 Monaten Haft auf Bewährung.
ProzessMann zündete in Kall mit brennendem Briefumschlag das Auto der Mutter an
Da wurde es mal richtig laut im Saal 33 des Amtsgerichts in Gemünd. Denn Amtsrichterin Claudia Giesen war keinesfalls gewillt, Angeklagtem oder Zeugen die Verhandlungsführung zu überlassen. Das musste auch der Gemünder erfahren, der bei der Sitzung des Schöffengerichtes mit dem Entschluss im Zeugenstand Platz genommen hatte, nicht gegen den Sohn seiner Lebensgefährtin auszusagen.
Dass er und seine Partnerin selbst es gewesen waren, die den Mann aus dem Gemeindegebiet Kall bei der Polizei angezeigt hatten, schien ihm jetzt nicht mehr so recht zu sein. Er wolle ihn nicht belasten, sagte er. Allerdings, so bemühten sich Richterin Giesen und Staatsanwältin Anna Kraft ihm zunächst noch geduldig zu verdeutlichen, stehe ihm ein Aussageverweigerungsrecht gar nicht zu, da er mit dem Angeklagten nicht verwandt sei.
Doch diese Rechtsbelehrung schien bei dem Zeugen nicht anzukommen. Beharrlich weigerte er sich, auf die Fragen der Richterin zu antworten, selbst dann noch, als die ihm Beugehaft im gerichtseigenen Zellentrakt androhte. Erst als Verteidiger Sebastian Pelzer ihm versicherte, dass er mit seinem Schweigen dem Angeklagten mehr schade als mit einer Aussage, lenkte er ein und gab zögerlich Auskunft.
Angeklagter hatte vor Gericht ein umfassendes Geständnis abgelegt
Dabei war der Entschluss, nichts zu sagen und dafür sogar eine Beugehaft in Kauf zu nehmen, völlig sinnlos gewesen. Der Angeklagte hatte zuvor bereits sämtliche Punkte der Anklage eingeräumt und ein umfassendes Geständnis abgelegt.
Einen regelrechten Streifzug durch das Strafgesetzbuch hatte der Kaller mit seinen Taten im August und September des vergangenen Jahres gemacht und musste sich daher wegen Hausfriedensbruch, Körperverletzung, versuchter Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung und Brandstiftung verantworten. Schnell stellte sich allerdings heraus, dass die Taten vor allem durch die besonderen Lebensumstände des Angeklagten und seine ausgeprägte Alkoholsucht bedingt waren.
Er lebte bei seiner Mutter und ihrem Lebensgefährten – eine Konstellation, die Pelzer als „Trinkgemeinschaft“ skizzierte. Täglich zwölf bis dreizehn große Dosen Bier, dazu Wodka und Amphetamine habe er zu sich genommen. Und danach sei es zu den Auseinandersetzungen gekommen. „Doch hinterher waren wir immer wieder gut“, so der Angeklagte.
Nach kräftigem Alkoholkonsum wurde gestritten
Nicht so allerdings an dem Abend im September, an dem seine Mutter ihn aus der Wohnung warf. Zuvor habe er wieder gemeinsam mit dem Lebensgefährten der Mutter getrunken, sagte er aus. Als der Streit eskaliert sei, habe er sich einen Briefumschlag genommen, um damit das Auto des Lebensgefährten, das in der Garage der Mutter stand, in Brand zu stecken.
Eigentlich habe der Lebensgefährte ihn mit dem Auto fahren sollen, da er selbst keinen Führerschein besitze, berichtete der Angeklagte. Ob denn der Lebensgefährte einen Führerschein habe, fragte Giesen nach. Nein, habe der nicht. Und die Mutter auch nicht, bekannte der Angeklagte. „Darf der Lebensgefährte ohne Führerschein fahren?“, so die Richterin etwas ungläubig weiter. „Nein“, sagte der Kaller. „Gut, dann ist das wenigstens klar“, so Giesen sarkastisch.
Das Auto habe er anzünden wollen, damit seine Mutter und ihr Partner nicht mehr von A nach B kämen, sagte der Angeklagte weiter aus. Ihm sei am Nachmittag bereits aufgefallen, dass das Fahrzeug ein Leck gehabt und sich unter dem Heck eine Pfütze Benzin gebildet habe. Als er mit dem brennenden Briefumschlag über der Lache gewedelt habe, habe es eine Stichflamme gegeben.
Kaller Feuerwehr brachte Brand in der Garage schnell unter Kontrolle
Er habe das Garagentor geschlossen und das Weite gesucht. Die von Hausbewohnern alarmierte Feuerwehr konnte den Brand schnell unter Kontrolle bringen. Eine Gefährdung der Hausbewohner habe nicht bestanden, so sagte der Brandsachverständige aus, der den Brand begutachtete. Es habe selbst bei einem Vollbrand keine Gefahr bestanden, dass die Bewohner das Haus nicht hätten verlassen können.
Seit der Brandstiftung hatte der Angeklagte in Untersuchungshaft gesessen und diese Zeit genutzt, um nach einem Therapieplatz gegen seine Alkoholsucht zu suchen. Bereits kurz vor der Brandstiftung war er aus einer Entziehungskur entlassen worden. Doch da der Lebensgefährte der Mutter ihn dort mit einer Palette Bier im Kofferraum abgeholt hatte, war die Entziehung nicht sehr nachhaltig.
Angeklagter lebte in schwierigen familiären Verhältnissen
Mit einem Stapel von Schreiben verschiedener Therapieeinrichtungen, die er aus der Aachener Haftanstalt geschrieben hatte, konnte der Angeklagte deutlich machen, wie wichtig ihm eine Überwindung der Sucht sei. Allerdings könne er noch keine feste Zusage für einen Therapieplatz oder eine betreute Wohngemeinschaft vorlegen, da nicht klar gewesen sei, wann er aus der Haft entlassen werde.
Das Gericht habe sich dazu entschlossen, die Verfahren in den zur Last gelegten Taten, die in den familiären Umständen fußten, einzustellen, erklärte die Richterin in der Urteilsbegründung. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Angeklagte in dysfunktionalen Verhältnissen großgeworden und darin gelebt habe, so Giesen. Übrig bleibe aber die Brandstiftung. Dafür wurde der Kaller zu 18 Monaten Haft verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurden.
Die Bewährung habe der Angeklagte sich erarbeitet, indem er sich gekümmert habe. Um ihn zu unterstützen, wurden ihm als Auflage unter anderem ein Bewährungshelfer an die Seite gestellt und regelmäßige Drogenscreenings angeordnet.