Kall-Sistig – Dass an Heiligabend die Kirchen voll sind, ist zu erwarten – wenn nicht gerade eine Pandemie herrscht. Doch wenn das am Sonntagnachmittag nach Neujahr geschieht, ist wohl eher etwas Besonderes zu erwarten. In Sistig war es eine Corona-Impfaktion, zu der die Impfwilligen spontan kommen konnten, ohne einen Termin vereinbaren zu müssen.
Schon früh bildete sich eine Schlange vor der Tür, die zeitweise bis auf die Straße reichte. Bereits um 13 Uhr, eine Stunde, bevor die improvisierte Impfstelle in der Pfarrkirche St. Stephanus öffnete, standen die ersten Impfwilligen an.
Ärztin aus Köln lädt zur großen Impfaktion in Kall ein
Initiiert hatte die Aktion Dr. Wiebke Müller-Eising. Eigentlich als Orthopädin mit eigener Praxis in Köln tätig, ist sie am Wochenende regelmäßig in ihrem Ferienhaus in Diefenbach anzutreffen. „Ich war in der Metzgerei in Sistig und habe mich nach dem Boostern erkundigt“, berichtete sie. Dabei habe sie zu hören bekommen, dass es doch eher schwierig sei, an Impftermine zu kommen. „Ich wollte das etwas beschleunigen, aber auch niemandem auf die Füße treten“, sagte sie.
Bereits seit Mai habe sie mitgeimpft, was in Köln bei den Fachärzten gang und gäbe gewesen sei. „Dort war es oft einfacher, einen Termin zu bekommen, das war ein Geheimtipp“, verriet sie. Kurz vor Weihnachten habe sie Kontakt mit dem in Sistig lebenden Dr. Karl Vermöhlen aufgenommen, der im belgischen St. Vith eine Covid-19-Station leitet. Der sei sofort begeistert gewesen und habe seinen Sohn Daniel Vermöhlen mit ins Boot geholt, der in der Praxisgemeinschaft Eifel als Internist tätig ist.
Kirche in Kall war „Corona-Rappelvoll“
200 Dosen Moderna für die Über-30-jährigen und 25 Dosen Biontech für die unter 30-Jährigen hatten die Ärzte mit nach Sistig gebracht. Ob die Menschen das Angebot auch annehmen würden, sei im Vorfeld nicht sicher gewesen. „Wir haben gesagt, wir gucken mal“, sagte Müller-Eising. Doch schnell war die zum Wartezimmer umfunktionierte Kirche rappelvoll. „Corona-Rappelvoll“, korrigierte Lothar Gerhards vom Sistiger Kirchenvorstand. Auf rund 60 Menschen schätzte er die Anzahl der Wartenden in den Bänken.
Er hatte sofort, als die Anfrage von den Ärzten an ihn gerichtet wurde, die Kirche als Impfzentrum zur Verfügung gestellt. Immer wieder war er in den Gängen unterwegs, um die Menschen so zu verteilen, dass sich keine Pulks bildeten. „Das ist ein Erfolg, ich könnte mir keinen besseren Jahresbeginn vorstellen“, sagte er.
Karl Vermöhlen: So voll war die Kirche schon lange nicht mehr
„Super ist das“, sagte auch Karl Vermöhlen erfreut. So voll sei die Kirche schon lange nicht mehr gewesen, fügte er mit einem Augenzwinkern an. Boostern sei das Einzige, was gegen die Omikron-Variante wirksam sei. „Nur Impfen bringt uns weiter“, betonte er.
Ob er denn auf seiner Corona-Station in St. Vith schon Geimpfte gehabt habe, die gestorben seien? „Nein“, sagte er entschieden. Und: Er habe noch nicht einmal einen Geimpften auf der Intensivstation gehabt. „Über Weihnachten hatten wir nur Ungeimpfte dort“, betonte Vermöhlen.
Sein Sohn Daniel war an diesem Nachmittag zum Schreibdienst abkommandiert. „Sonst hänge ich ja eher an der Nadel“, sagte er lachend. Die Impfungen verabreichten Müller-Eising und Vermöhlen Senior. Schwiegertochter Vanessa Vermöhlen fertigte für die Computerausdrucke an, mit denen die Impfung auf die Handy-Apps übertragen werden können.
Impfwillige aus Schleiden und Köln kommen nach Kall
Aus Schleiden waren Hans und Helga Schulz nach Sistig gekommen. Bei ihrem Hausarzt seien sie auf der Warteliste, hätten dort aber noch nichts von einem Termin gehört und sich deshalb sie sich auf den Weg gemacht. „Die erste Impfung mit Astra habe ich gar nicht gut vertragen, die zweite mit Biontech war super“, sagte Helga Schulz. „Heute kriege ich Moderna, dann habe ich fast alles schon einmal gehabt“, ergänzte ihr Mann. Jetzt gebe es die dritte Impfung, dann sei er zunächst rundum versorgt. „Ich glaube aber, das mit dem Impfen wird eine Dauereinrichtung – wie bei der Grippe.“
Raphael Gerhards lebt normalerweise in Köln, doch jetzt sei er in der Eifel in Urlaub. „Als junger Mensch, der auch was unternehmen will, muss man in der Stadt geimpft sein“, sagte er. Außerdem habe er gefährdete Personen in der Familie, schon deshalb sei es für ihn eine Selbstverständlichkeit, sich impfen zu lassen.
Gegen 14.30 Uhr waren die Schlange vor der Kirche abgebaut und fast alle Wartenden mit einer Nummer versehen. An das Ende der kurz gewordenen Schlange am Eingang hatte sich Bernd Pütz mit seiner Frau eingereiht. Das Impfangebot sei überraschend gekommen, doch er finde die Idee in Ordnung, sagte Pütz. Zwar sei es ihm gelungen, einen Impftermin bei seinem Hausarzt zu bekommen. „Doch der ist erst in drei Wochen“, sagte er. Da wolle er sich lieber vorher boostern lassen. Aber stundenlang warten wolle er auch nicht.