Sascha Hostnik ist Handballer. Er kommt aus Ollheim, spielt dort Handball und lebt mit seinem Mann Dennis in Kuchenheim. Der Weg zum Outing war ein schwerer - auch, weil er sich vor der Reaktion der Mannschaftskollegen fürchtete. Nun will Hostnik Vorbild sein.
Liebe lange verstecktKuchenheimer Handballer outet sich erst spät
Sascha Hostnik ist Kapitän der SG Ollheim-Straßfeld. Er ist Handballtorwart. Er ist in der Verbandsliga aktiv und wirft sich seit 30 Jahren in jeden Ball – ohne Rücksicht auf sich oder den Gegner. Doch der 34-Jährige ist mehr als nur Handballer. Mehr als Kapitän einer Traditionsmannschaft.
Mehr als leidenschaftlicher Sportfan. Sascha Hostnik ist schwul. Der Wahl-Kuchenheimer hat sich geoutet. Noch immer ist er damit einer der ganz wenigen Sportler – auch auf Hobbyebene –, der sich zur gleichgeschlechtlichen Liebe bekennt und dafür einsteht – auch im Kreis Euskirchen.
Outing vor der SG Ollheim-Straßfeld nach dem Training
In diesem Jahr hat er seinen Freund Dennis in Bad Münstereifel geheiratet. Zwischen Heirat und Outing sei es nicht immer einfach gewesen als Homosexueller, sagt Hostnik. Vor dem Outing erst recht nicht. Nach einem Training sei es einst aus ihm herausgeplatzt, erinnert sich der Handballer.
Der Druck sei zu groß geworden. Der Druck die Fassade aufrecht zu halten, die auch das Dorfleben mit sich brachte, war nicht mehr zu ertragen – auch nicht für einen durchtrainierten Sportler. Also erzählte Hostnik. Erzählte davon, dass es da jemand in seinem Leben gibt, den er liebt. Das erste Mal so richtig von Herzen. Das erste Mal mit jemandem zusammen ist, der nicht dem klassischen Mann-Frau-Bild entspricht.
„Ich habe nicht einen negativen Kommentar erhalten. Im Gegenteil: nur Zuspruch“, erinnert sich der Sportler an die Reaktionen seiner Mannschaftskollegen. Und dann sagt Hostnik das, was viele Menschen berichten, die sich geoutet haben. „Der Schritt war eine unheimliche Befreiung. Ich musste nicht mehr zwei Leben führen, sondern konnte nur noch ich sein, Sascha.“
Sascha – der Sascha, der in Ollheim aufgewachsen ist und von seinem Vater, ebenfalls Handballer, schon mit vier Jahren in die Sporthalle mitgenommen worden war. Der Sascha, der sich mit 17 in ein Mädchen verknallte und schon damals spürte, dass sich das nicht richtig anfühlte, dass da etwas anders ist. „Die dörfliche Struktur hat nicht dazu beigetragen, dass man sich früh outet. Es gibt nun mal gewisse Rollenbilder“, sagt der Ollheimer: „Ich habe das alles lange mit mir selber ausgemacht.“
In den vergangenen vier, fünf Jahren habe sich die Gesellschaft geändert, sei offener geworden, sagt der Abteilungsleiter für Betriebsmanagement bei der Kreissparkasse Euskirchen. Komplett frei fühle er sich deshalb aber nicht. „Selbst in Köln überlege ich mir, was die Leute denken, wenn ich mit meinem Mann Händchen haltend durch die Stadt gehe. Es ist mir egal, was andere über mich denken, ohne dass es mir egal ist“, sagt Hostnik.
Er könne daher jeden verstehen, für den Outing „ein enorm schwieriges Thema“ sei. Das liege auch daran, dass es immer noch sehr wenige Vorbilder aus dem Bereich Sport gebe. Zwar hat sich im Oktober dieses Jahres der Bundesliga-Handballer Lucas Krzikalla geoutet, doch der Leipziger Profi bildet eine Ausnahme. „Zur damaligen Zeit gab es keinen aktiven Sportler, der sich geoutet hatte. Mir fehlte ein Vorbild“, so Hostnik.
Sascha Hostnik: Großer Respekt vor dem Outing
Familie und Freundeskreis sei die eine Ebene. Die andere sei die Mannschaft. Natürlich seien Gegenspieler vor seinem Outing schon mal als „Schwuchtel“ bezeichnet worden. „Ich habe das nie einem böse genommen. Trotzdem macht man sich seine Gedanken und hadert mit sich, ob man das jetzt wirklich sagen kann“, erzählt Hostnik: „Und natürlich spielt auch das Thema gemeinsames Duschen nach dem Spiel oder Training eine Rolle. Ich hatte schon Respekt davor, dass sie denken, dass sie vor mir Angst haben, weil sie befürchten, dass ich sie anfassen will.“
Reden mit anderen war ein selbstauferlegtes Tabu – weder mit seinen Brüdern noch mit seinem besten Freund. Und dann trat auch Dennis, damals Azubi bei der Kreissparkasse, in sein Leben. „Mit ihm ist alles anders geworden. Mit ihm habe ich gemerkt, was Liebe bedeutet“, sagt Hostnik. Dennoch habe man versteckt die Gefühle ausgelebt, sei stundenlang, immer und immer wieder, im Auto durch die Gegend gefahren und habe geredet.
Aus dem Reden entstanden zunächst Gefühle, dann Liebe
Aus dem Reden entstanden zunächst Gefühle, dann Liebe. Liebe, die lange versteckt werden musste. „Wir haben nach und nach unsere Familien und Freunde eingebunden. Auch da haben wir bereits positives Echo erhalten“, so der 34-Jährige. Diese Resonanz habe ihn schließlich bestärkt auch seine Mannschaft einzuweihen.
Ein kleiner Teil der Teamkollegen kannte Hostniks Freund schon. Aber eben nur als „Kumpel“. Der 34-Jährige hatte Dennis nämlich als einen solchen mit zum 24-Stunden-Rennen an den Nürburgring mitgenommen. „Unsere Gefühle dort für uns zu behalten, war schon komisch und schwierig“, erinnert sich der leidenschaftliche Motorsportfan.
Kein Händchen halten in den Flitterwochen
Aber auch im Jahr 2022 müssen die Gefühle manchmal noch versteckt werden. Auf der Hochzeitsreise machten die Ehepartner auf Jamaika Halt. Dort sind homosexuelle Handlungen illegal. Also wurde für einen Tag in den Flitterwochen nicht Händchen gehalten. Doch die Liebe habe das natürlich überstanden. „Wir haben schon ganze andere Dinge geschafft“, sagt Hostnik mit funkelnden Augen und blickt auf seinen Ehering. Er ist eben mehr als ein Handballer – ein mögliches Vorbild für viele.