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Schutz und BildungEuskirchener Ehrenamtler helfen Mädchen in Kolumbien

Lesezeit 5 Minuten
Frauen und Mädchen haben die Hände zu einem Dach über dem Kopf geformt.

Die zum Dach über dem Kopf geformten Hände sind das Symbol von Casa Hogar.

Der Euskirchener Arzt Theodor Rüber hat den Verein Casa Hogar gegründet, der Frauen und Mädchen in Kolumbien hilft.

Ein bisschen ist es wie ein Paradies: mit üppiger Vegetation, verschwenderischer Vielfalt an süßen Früchten, farbenprächtigen Blüten. Doch Kolumbien ist Paradies mit Schattenseiten. Die Flüsse sind mit Quecksilber verseucht vom illegalen Goldabbau, die Fische darin nicht mehr essbar. Der Regenwald wird großflächig abgeholzt. Es gibt giftige Schlangen und Spinnen. Rebellentrupps und Drogenbanden machen das Leben gefährlich, vor allem für Frauen und Mädchen.

Gerade ihnen will der Verein Casa Hogar ein sicheres Zuhause schaffen in diesem Land voller Gegensätze. Im Januar war eine Abordnung des Vereins in Kolumbien. Jule Rüber, Mutter des Vereinsgründers Dr. Theodor Rüber, und Geschäftsführer Lukas Overkott berichten von der Reise, vom Fortschritt der Projekte und auch von Misserfolgen. „Nicht alles läuft gut, aber vieles “, zieht Jule Rüber Bilanz.

Derzeit wäre eine Reise wie im Januar gar nicht mehr möglich, es gibt aktuell eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für Kolumbien. Aber auch schon vorher war die Gruppe immer in Begleitung eines einheimischen Paters unterwegs, ausgestattet mit einem Schreiben des Bischofs, das im Falle einer Entführung hilfreich sein sollte.

Jule Rüber aus Euskirchen liegen vor allem die Mädchen am Herzen

Dennoch sagt Jule Rüber: „Ich hatte keine Angst. Das lag vermutlich auch an einer ordentlichen Portion Naivität meinerseits.“ Vor allem aber habe es an den Menschen gelegen, die sie dort getroffen habe und die eine ungeheure Lebensfreude ausgestrahlt hätten. „Die Menschen in Kolumbien machen Dinge machbar“, beschreibt die Euskirchenerin die Mentalität.

Die Besucher aus Deutschland stehen mit einigen kolumbianischen Mädchen im Dschungel.

In ihren gelben T-Shirts sind die Mitarbeiter von Casa Hogar unverkennbar. In der Mitte Dr. Theodor Rüber, der Gründer der Hilfsorganisation.

Auf einer Brachfläche stehen drei einstöckige Gebäude.

Der neue Schlaftrkat für die Mädchen noch nicht eingerichtet, aber das Küchengebäude wurde schon eingeweiht. Das dritte Gebäude seht noch im Rohbau.

Ihr liegen vor allem die Mädchen am Herzen, denen der Verein ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen möchte. Dazu braucht es nicht nur Schutzräume, sondern vor allen den Zugang zu Bildung, die dann wiederum den Weg in ein besseres Leben eröffnet. In der Kleinstadt Ismina hat Casa Hogar für sie ein Haus eingerichtet. 15 Mädchen, zwischen neun und 16 Jahren alt, leben und lernen dort.

Doch das Haus sei eng und dunkel, erzählen die beiden Reisenden. Also wird nicht nur Ersatz geschaffen, sondern gleich eine Nummer größer gedacht. Das neue Projekt ist nicht mehr nur ein Mädchenwohnheim, sondern es sollen insgesamt sieben Gebäude entstehen. Ein Schlaftrakt und das Küchengebäude sind schon fertig, ein zweiter Schlaftrakt steht im Rohbau.

Auch ein Gemeindezentrum ist geplant

Geplant ist auch ein Gemeindezentrum für die Nachbarschaft. „Damit die Menschen die Einrichtung nicht nur akzeptieren, sondern sich damit identifizieren. Und damit alle gemeinsam einen starken Schutzschild gegen die Banden bilden“, wie Lukas Overkott sagt. Die Region Chocó, in der sich Casa Hogar engagiert, liegt zwischen dem Atlantik und den Ausläufern der Anden. Sie ist geprägt vom Bürgerkrieg – derzeit gibt es wieder Gefechte –, von Drogenanbau und Schleuserrouten.

Die meisten Orte sind nicht über Straßen, sondern nur über Wasserwege zu erreichen. Für manche Mädchen würde das einen siebenstündigen Schulweg bedeuten, wenn ihre Familien überhaupt die Möglichkeit haben, sie zur Schule zu schicken. Da ist das Wohnheim eine Lösung, auch wenn es den Kindern schwerfällt, Familie und dörfliches Umfeld zu verlassen. Aber schon bald nach der Gründung stellte sich die Frage, was aus den Mädchen werden soll, wenn sie die Schule absolviert haben.

Unterstützung bei Ausbildung oder Studium

Da war der nächste logische Schritt die Gründung eines Wohnheims für Studentinnen. Die jungen Frauen, die aus entlegenen Gegenden kommen, besuchen die Universität mit einem Stipendium. Für andere sucht der Verein mit seinen Partnerorganisationen vor Ort Ausbildungsplätze, im Krankenhaus beispielsweise oder im Handwerk. Damit sie gerüstet sind für ein besseres Leben.

Die Obengenannten stehen vor Bambusstauden.

Jule Rüber und Lukas Overkott waren in Kolumbien.

Im Frauenhaus von Casa Hogar finden die Frauen Schutz, die akut gefährdet sind. Etwa 200 pro Jahr kommen dort vorübergehend unter. Für viele ist die Lage so dramatisch, dass sie untertauchen müssen, notfalls mit einer neuen Identität. Neben den drei großen gibt es auch diverse kleinere Projekte.

Lukas Overkott, der eigentlich Unfallchirurg ist, erzählt von einem Dorf, das überfallen wurde. Die Rebellen erschossen den Häuptling, vertrieben die Bewohner, um in den Besitz des fruchtbaren Landes zu kommen. Statt an einem Fluss hausten die Menschen dann an einem Bächlein, ohne sauberes Wasser. Die Hilfe war ganz pragmatisch: Casa Hogar unterstützte mit Tanks, in denen jetzt das Regenwasser aufgefangen wird.

Helfer aus Euskirchen sind von ihrem Projekt überzeugt

Wie es ist, wenn jemand einfach Land okkupiert, haben die Helfer aus Deutschland auch schon erfahren müssen. 2019 hatte eine Gruppe einen Teil des Grundstücks, auf dem das neue Mädchenheim gebaut werden sollte, kurzerhand für sich beansprucht und eingezäunt.

Eine juristische Klärung hätte vermutlich Jahre gedauert, Casa Hogar gab nach und suchte einen anderen Standort. Rückschläge gibt es immer wieder, auch, dass ein Mädchen das Heim verlässt, um mit einem Rebellen in den Dschungel zu ziehen. Doch Jule Rüber und Lukas Overkott sind überzeugt von dem Projekt: „Es ist nachhaltig und gibt so viel zurück“, sagt der Mediziner.


Der Euskirchener Verein ist auf Spenden angewiesen

Geplant war eigentlich nur ein Praktikum in einem Krankenhaus in Kolumbien. Doch als er zurückkam, war der junge Mediziner Theo Rüber entschlossen, dauerhaft zu helfen und vor allem Mädchen und Frauen Zugang zu Bildung zu verschaffen. Zehn Jahre ist das her. Seitdem ist der Verein Casa Hogar (Spanisch für Zuhause oder Heimat) kontinuierlich gewachsen, neue Projekte sind hinzugekommen.

Um Geld dafür zusammenzubekommen, werden beispielsweise Benefizkonzerte veranstaltet. Namhafte Künstler und Künstlerinnen sind Kulturbotschafter des Vereins. Theodor Rüber ist Vorsitzender des eingetragenen Vereins. Der Vorstand wird von einem Kuratorium beraten.