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Schüler sollen profitierenDiese Euskirchener Grundschulen sind Teil eines Pilotprojekts

Lesezeit 4 Minuten
Das Bild zeigt vier Kita-Kinder kurz vor dem Start der Schule.

Der Übergang von der Kita zur Schule kann schwierig sein. Mit einem Projekt sollen die Bildungschancen nun verbessert werden.

Faire Bildungschancen, unabhängig vom Einkommen und der Herkunft – gibt es in der Theorie. In Euskirchen soll es sie auch in der Praxis geben.

„Wir fangen einfach mal an – im Sinne unserer Kinder“, sagt Monika Tilk, Leiterin der Grundschule Nordstadt. Ihr Kollege Torsten Wanasek, Leiter der Hermann-Josef-Grundschule, kann dem nur zustimmen. Die beiden Euskirchener Schulen sind vom Land NRW für das Pionierprojekt „Startchancen“ angefragt worden. Ohne lange zu überlegen, habe man zugesagt, sagen Wanasek und Tilk unisono. Der Grund: Das Projekt ist zwar vor allem für Schüler gedacht, aber auch die Schulen können profitieren – und damit dann wieder die Schüler.

Mit dem Startchancen-Programm werden in NRW zunächst 400 Schulen mit einem hohen Anteil benachteiligter Schüler gefördert – die einzigen beiden im Kreis Euskirchen sind die Grundschule Nordstadt und die Hermann-Josef-Schule. Das Projekt soll Lesen, Schreiben und Rechnen fördern sowie die sozialen und emotionalen Kompetenzen stärken oder mitunter erst entwickeln.

Faire Bildung in der Grundschule ist ein Milliarden-Euro-Projekt

NRW erhält dafür für die kommenden zehn Jahre rund 2,3 Milliarden Euro vom Bund. Das Land will bis zur selben Summe noch mal aus dem eigenen Haushalt investieren. Die Hoffnung: die Leistungsfähigkeit des Bildungssystems nachhaltig zu verbessern und so die Bildungs- und Chancengerechtigkeit zu erhöhen.

Die Auswahl der geförderten Schulen erfolgte laut Tilk auf der Grundlage wissenschaftsgeleiteter Kriterien. In NRW wird dafür vor allem der Schulsozialindex herangezogen. Der berücksichtigt den Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Armutsgefährdung, Migrationshintergrund und Förderbedarf an einer Schule.

Das Bild zeigt die beiden Leitungen der zwei Euskirchener Grundschulen.

Sind Teil des Startchancen-Projekts: Kathy Niemann (v.l.) und Monika Tilk von der GGS Nordstadt sowie Torsten Wanasek und Michael Müller von der Hermann-Josef-Schule in Euskirchen.

Welche der insgesamt gut 600 Schülerinnen und Schüler der beiden Schulen für das Programm infrage kommen, wollen und sollen die Lehrer nun herausfinden. Eine konkrete Handreiche seitens des Landes dafür gibt es noch nicht. Daher wolle man mit dem sogenannten Screening einfach mal angefangen – im Sinne der Kinder.

Angefangen hat bei der Hermann-Josef-Schule in dieser Woche eine pädagogische Fachkraft. Sie ist Teil des neuen Multiprofessionellen Teams (MPT) der Grundschule und wird über das Startchancen-Programm finanziert. An der Nordstadt-Schule werden laut Schulleiterin Tilk noch ein paar Tage vergehen, aber auch dort steht eine neue MPT-Kraft – zunächst befristet auf fünf Jahre – in den Startlöchern. In Zeiten von Lehrer- und Fachkräftemangel habe es an beiden Schulen zahlreiche Bewerbungen gegeben, berichten die Schulleiter.

Mehr als zwei Millionen Euro für die Infrastruktur an zwei Euskirchener Grundschulen

Groß war nicht nur der Bewerber-Pool, groß sind auch die finanziellen Mittel. Insgesamt 1,6 Millionen Euro stellt das Land den Schulen gemeinsam zur Verfügung. Weitere 480.000 Euro gibt die Stadt als Schulträger dazu.

Das Geld soll nicht nur in Personal investiert werden, sondern auch in die Infrastruktur und die Ausstattung der Schulen. „Sanierungen sind davon ausgenommen. Toilettenanlagen können damit nicht erneuert werden“, erklärt Tilk. Aber es dürfte beispielsweise gebaut und somit das Raumangebot der Schulen erweitert werden. So benötigt die Grundschule Nordstadt laut der Schulleiterin eine Art Aula, in der kleinere Veranstaltungen abgehalten werden können. Der Raum könnte dann auch als Rückzugsort, als Atelier, als alternatives Lernzentrum oder für die Offene Ganztagsschule genutzt werden.

Schulleiter klagt über fehlende soziale Interaktionen bei Schülern

Während das schon ein konkreter Wunsch ist, ist vieles auch Pionierarbeit, die die Schulen nun leisten. „Von unseren Erfahrungen können im kommenden Jahr weitere Schulen profitieren“, erklärt Wanasek. Dann sollen nämlich 500 weitere Schulen in das Landesprojekt aufgenommen werden.

Wahrscheinlich können die Verantwortlichen der Hermann-Josef-Schule dann auch berichten, wie die Vernetzung untereinander geklappt hat, wie die Mitarbeitenden aus den Multiprofessionellen Teams in den Schulalltag integriert worden und wo sie den Kindern eine Hilfe sind. Schulleiter Wanasek schwebt beispielsweise eine „Tut-gut-Stunde“ vor, in der Kinder gruppendynamische Prozesse erlernen und miteinander interagieren.

„Das müssen sie nämlich heute in der Schule lernen. Da wird nicht nach einem Radiergummi gefragt, sondern man boxt dem Sitznachbarn auf den Arm. Dann entbrennt verständlicherweise eine Diskussion. Die hätte vermieden werden können, wenn man miteinander gesprochen hätte“, erläutert Wanasek. Die Sozialkompetenz habe – auch durch die Corona-Pandemie – gelitten. „Auch, weil Eltern nicht mit ihren Kindern sprechen. Kommunikation wird nicht mehr praktiziert“, sagt der Schulleiter: „Da bringen Eltern ihre Kinder zur Schule und schauen die ganze Zeit aufs Handy.“

Zudem wolle man das Projekt nutzen, um mit den Eltern verstärkt in den Austausch zu kommen. Auch da wolle man an der Basis beginnen, schließlich habe man in den unterschiedlichen Kulturen unterschiedliche Auffassungen von dem, was Schule, was Bildung leisten müsse, sagt Wanasek.