Kreis Euskirchen/Berlin – Sie ist derzeit bundesweit eines der Aufregerthemen: die Maskenaffäre. Mittendrin der Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein (bis zum 8. März CSU-Mitglied), der in Zusammenhang mit Geschäften mit Corona-Masken unter Korruptionsverdacht steht. Ermittler durchsuchten nun Büros und Wohnungen in Deutschland und Liechtenstein.
Einer, der bei solchen Polizeiaktionen schon mehrfach dabei war, ist der CDU-Parlamentarier Detlef Seif aus Weilerswist. „Ich muss dann darauf achten, dass von den Ermittlern keine Unterlagen oder Datenträger mitgenommen werden, die die Arbeit des Deutschen Bundestags betreffen“, berichtet Seif. Welcher Kollege im Fadenkreuz der Ermittlungen steht, erfährt er auch erst im letzten Moment.
Der betroffene Abgeordnete werde zunächst nicht informiert
„Wenn Ermittlungen gegen einen Abgeordneten aufgenommen werden sollen, muss die zuständige Staatsanwaltschaft den Bundestagspräsidenten informieren“, erklärt Seif. Dann werde vom Bundestagspräsidenten und dem Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung geprüft, ob es sachfremde Gründe für die Ermittlungen gebe.
Der betroffene Abgeordnete werde selbst in der Regel nicht informiert, weil sonst die Gefahr bestehe, dass Beweismittel vernichtet werden. 48 Stunden nachdem der Bundestagspräsident in Kenntnis gesetzt wurde, dürfen die Ermittlungen aufgenommen werden.
Richter muss zustimmen
„Es gibt einen Vorratsbeschluss des Bundestags, der dies gestattet“, sagt der Weilerswister. In den Fällen, in denen ein Abgeordneter auf frischer Tat ertappt werde, könne er bei Bestehen eines Haftgrundes ohnehin sofort verhaftet werden.
„Wenn sich der Verdacht gegen einen Abgeordneten erhärtet und die Staatsanwaltschaft erwartet, dass sie Beweismittel findet, wird eine Durchsuchung der Arbeits- und Privaträume beantragt“, sagt Seif. Dem müsse ein Richter zustimmen, und der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung müsse eine entsprechende Empfehlung abgeben.
Erst danach werde der Fall im Bundestag behandelt. „Der Punkt steht dann aber nicht auf der Tagesordnung der Sitzung, sondern wird kurzfristig dazwischen geschoben. Ich kenne bislang keinen Fall, bei dem eine Durchsuchung abgelehnt wurde“, erklärt der Euskirchener.
Während über die Angelegenheit im Bundestag abgestimmt werde, stünden die Ermittlungsteams schon bereit, um loszuschlagen. „Nur wenige 100 Meter von den Einsatzorten entfernt wird in den Autos auf die Entscheidung des Bundestags gewartet. Sobald die telefonisch mitgeteilt wird, fahren die Ermittler in ihren Zivilfahrzeugen vor und klingeln“, erzählt der Bundestagsabgeordnete.
Auch Erst- und Zweitwohnsitz werden durchsucht
Neben dem Büro im Bundestag und dem Wahlkreisbüro würden auch der Erst- und, wenn vorhanden, der Zweitwohnsitz durchsucht. Manchmal kämen auch andere Standorte wie etwa ein Firmensitz hinzu. „Zu den Teams, die aus fünf bis zehn Personen bestehen, gehören in der Regel ein Staatsanwalt sowie je nach Vorwurf Mitarbeiter des Bundes- oder des Landeskriminalamts und jeweils ein Abgeordneter des Bundestags.“ Ist niemand zu Hause, versuchen die Ermittler, jemanden zu finden, der einen Schlüssel hat, oder sie fordern einen Schlüsseldienst an.
„In der Regel sind bei den Durchsuchungen Abgeordnete dabei, die selbst Volljuristen sind und im Rechts- oder Innenausschuss sitzen oder Mitglied im Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung sind“, sagt Seif, der selbst Rechtsanwalt ist. Er wird ein bis zwei Tage vor der Aktion informiert, erfährt dabei aber immer noch nicht, um welchen Kollegen es sich handelt. Die betroffenen Kollegen seien meist geschockt, wenn ihr Büro im Bundestag durchsucht werde.
Beruhigung der Angehörigen gehört dazu
„Viel schlimmer ist es aber für die Ehepartner oder sonstigen Angehörigen, die zu Hause sind. Für sie bricht meist eine Welt zusammen, wenn ein Tross von bis zu zehn Personen vor der Tür steht und klingelt. Da fließen dann oft auch Tränen.“ Deshalb versuche er, die Angehörigen erst einmal zu beruhigen.
Seif erinnert sich, dass es bei einer Durchsuchung sogar zu Handgreiflichkeiten kam: „Ein aufdringlicher Medienvertreter hatte sich auf das Grundstück geschlichen und war daraufhin von dem Sohn des Abgeordneten mit einem Kinnhaken niedergestreckt worden. Der Medienvertreter landete in einem Graben und die örtliche Polizei musste anrücken.“
Meist zwischen fünf und acht Stunden
Die Durchsuchungen dauern meist zwischen fünf und acht Stunden. „Da muss man sich schon mal ein Butterbrot einpacken.“ So weit wie möglich, würden alle Datenträger und Unterlagen bereits vor Ort gesichtet. Geräte und Unterlagen, die keinen Bezug zur Arbeit im Deutschen Bundestag haben, könnten die Ermittler mitnehmen. Gebe es doch einen Bezug, müssen Laptops, Smartphones und ähnliche Geräte vor dem Abtransport versiegelt werden.
„Wenn die Dateien später gesichtet werden, muss wieder ein Abgeordneter dabei sein.“ Er habe den Ermittlungsbehörden gegenüber keine Weisungsbefugnis: „Aber die Zusammenarbeit ist sehr kooperativ und höchstvertraulich.“
Der Weilerswister wird nur angefragt, wenn Abgeordnete der CDU/CSU betroffen sind. „Jede Fraktion hat dafür ihre eigenen Leute.“ Im Schnitt gibt es nach seiner Einschätzung bei den Christdemokraten zwei Fälle pro Jahr. Seif ist dabei durchaus herumgekommen: „Ich hatte schon Einsätze in Mecklenburg-Vorpommern und in Baden-Württemberg.“
Dass ein Kollege nach einer Durchsuchung sauer auf ihn gewesen sei, habe er noch nicht erlebt: „Dann würde ich ihm aber auch den Marsch blasen. Schließlich muss ein Abgeordneter hinnehmen, dass ein Rechtsstaat seine Arbeit macht.“