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Proteste nach Polls ProvokationLandratskandidaten stellen sich den Fragen der IHK

Lesezeit 6 Minuten
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Fünf der sechs Kandidaten und Kandidatinnen für das Landratsamt stellten sich in der Wahlarena den Fragen des IHK und der anwesenden Bürger: Camelia Dederichs (v.l.), Hans-Werner Ignatowitz, Frank Poll, Markus Ramers und Johannes Winckler.

  1. Digitale Infrastruktur, Klimakrise, Corona – das waren die großen Themen am Wahlarena-Abend, den die Industrie- und Handelskammer (IHK) Aachen veranstaltet hat.
  2. Etwa 50 Gäste kamen zu der Diskussionsrunde ins Euskirchener City-Forum.
  3. Am Ende kam es zu einem kleinen Tumult. Der Grund waren die letzte Frage und die Antwort des AfD-Kadidaten.

Euskirchen – Der Wahlarena-Abend, den die Industrie- und Handelskammer (IHK) Aachen veranstaltet hatte, endete in einem kleinen Tumult.

Der Grund waren die letzte Frage und die Antwort des AfD-Kadidaten. Mit wem aus der Runde würden die Kandidaten einen Kaffee trinken, wollten die Moderatoren Raphael Jonas und Philipp Piecha wissen. Frank Poll (AfD) nannte Johannes Winckler (CDU), weil sie politisch in derselben Heimat verwurzelt seien. Lautes Gemurmel, Proteste aus den Reihen der anwesenden CDU-Politiker und in Teilen höhnisches Gelächter waren die Folge. Auch Winckler wehrte die Aussage ab, sagte aber weiter nichts dazu.

Polls Aussage wirkte wie eine gezielte Provokation, nachdem er in der zweistündigen Diskussion eher unauffällig geblieben war. Digitale Infrastruktur, Klimakrise, Corona – das waren die großen Themen. Geladen waren die sechs Landratskandidaten und -kandidatinnen. Melanie Hill (Die Linke) hatte kurzfristig abgesagt. Etwa 50 Gäste kamen zu der Diskussionsrunde ins Euskirchener City-Forum. Zu Beginn hatten die Bewerber je drei Minuten Zeit erhalten, um ihre Ziele vorzustellen. „Ich stehe für Veränderung“, sagte Camelia Dederichs (ÖDP). Schon deshalb, weil sie eine Frau sei. Eine Landrätin hat es im Kreis bisher nicht gegeben. Zudem bringe sie viel Wissen aus der freien Wirtschaft mit.

Dederichs sorgt mit Aussage zu Bad Münstereifel für Irritation

Dederichs war ihre im Vergleich zu den Kontrahenten geringe politische Erfahrung anzumerken. Für Irritation sorgte ihre Aussage, die Pflegeschule in Bad Münstereifel könne doch zu einem ganzen Gesundheitsstandort ausgebaut werden. Auch Zwischenrufe, dass es sich bei der FH um eine Rechtspflegeschule handelt, hielten sie nicht davon ab, ihren Punkt zu Ende zu bringen.

Hans-Werner Ignatowitz (Bündnis 90/Die Grünen), mit 52 Jahren der älteste Kandidat, sagte, Fridays for Future habe gezeigt, dass gerade jungen Leuten der Klimaschutz sehr wichtig sei. Und deshalb trete er an. Auch wenn Klimaschutz inzwischen in vielen Wahlprogrammen stehe: „Wir sind das Original.“

Poll nennt Konsolidierung der kommunalen Haushalte als sein Hauptthema

AfD-Kandidat Poll nannte als sein Hauptthema die Konsolidierung der kommunalen Haushalte. Viele Kommunen im Kreis seien Sanierungsfälle, das müsse sich ändern. Außerdem sei es wichtig, „dass wir die unsinnigen Corona-Regeln beenden“.

Das wollte SPD-Kandidat Markus Ramers so nicht stehen lassen. Er betonte, es sei unerlässlich, dass alle sich an die Corona-Regeln hielten und verantwortungsvoll mit der Situation umgingen. Als Landrat wolle er innovativ vorangehen und sich vor allem um die Gesundheitsversorgung kümmern. Denn es fehlten nicht nur Pflegekräfte, sondern auch Fachärzte: „Diese Zeit braucht jemanden, der gestalten möchte.“

Landratsduell im Live-Stream

Wer die Kandidaten live erleben möchte, kann am Donnerstag, 3. September, 18 Uhr, unseren Live-Stream mit den Redakteuren Michael Schwarz und Tom Steinicke einschalten. Alle sechs Kandidaten, die die Nachfolge von Günter Rosenke antreten wollen, haben für die Diskussionsrunde zugesagt.

www.rundschau-online.de/landratsduell

Unsere Leserinnen und Leser haben die Möglichkeit, allen sechs Kandidatinnen und Kandidaten, die am 13. September zur Wahl antreten werden, Fragen zu stellen. Senden Sie im Vorfeld oder auch während der Gesprächsrunde Ihre Fragen per E-Mail an die Redaktionsadresse. (jre)

redaktion.euskirchen@ ksta-kr.de

Als Letzter in der Reihe kam CDU-Mann Johannes Winckler zu Wort: „Geht es unserer Wirtschaft und unserem Tourismus gut, geht es den Menschen im Kreis Euskirchen gut.“ Als langjähriger Erster Beigeordneter der Stadt Euskirchen und Volljurist verfüge er zudem über die nötige Erfahrung und das Wissen für die Position des Landrates.

Was die digitale Infrastruktur angeht, waren sich alle Kandidaten einig, dass der Breitbandausbau und der Ausbau des Mobilfunknetzes im Kreis vorangetrieben werden müssen. Während Winckler und Dederichs forderten, in dieser Hinsicht vor allem noch einmal bei Land und Bund Druck für geeignete Förderprogramme zu machen, sprachen sich Ramers und Ignatowitz dafür aus, im Kreis eigenen Programme zu schaffen. Poll erklärte, dass das Problem in der Privatisierung liege und eigene Programme im Kreis zwar theoretisch möglich, aber finanziell nicht leistbar seien.

Ähnliche Einschätzungen zur Digitalisierung

Auf die Frage aus dem Publikum, wie sie zur Digitalisierung der Kreisverwaltung stünden, äußerten sich alle fünf ähnlich in die Richtung, dass mehr Digitalisierung nötig sei.

Kontroverser wurde die Diskussion, als es um die Frage ging, wie die Kandidaten sich als Landrat für den Ausbau der erneuerbaren Energien im Kreis einsetzen wollen. Ignatowitz sagte: „Wir brauchen Fotovoltaik auf mindestens allen neuen Dächern.“ Auch die Windkraft müsse ausgebaut werden. Wichtig sei, dass die Wertschöpfung dabei im Kreis bleibe.

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Winckler erklärte, künftig müsse viel in Sachen Fotovoltaik und Windkraft geschehen, allerdings brauche es auch Zwischenspeicher für die Zeiten, in denen die Sonne nicht scheine oder der Wind nicht wehe. Hier könne Wasserstoff eine Lösung sein. Als Landrat wolle er technologie-offen an die Sache herangehen und vor allen Dingen Fördermittel aus dem Strukturwandel für den Kreis abgreifen.

Verständnis für die Windkraftgegner im Kreis äußerte Ramers. Nichtsdestotrotz gebe es noch Potenziale beim Ausbau, etwa entlang der Autobahn. Auch Fotovoltaik müsse ausgebaut werden, allerdings nicht über ein Pflichtsystem, wie von Ignatowitz vorgeschlagen, sondern über Anreize an Unternehmen und Privatpersonen. Einig war sich Ramers mit dem Kontrahenten von den Grünen, was die Wertschöpfung angeht. Der Bürgerwindpark in Herhahn beispielsweise zeige, wie gut das funktionieren könne. Von solchen Projekten brauche es mehr.

Poll sagte, dass es bereits genug Windkraft und Fotovoltaik im Kreis gebe. Dederichs sprach sich wie Ramers dafür aus, Bürger und Unternehmen stärker für den Bau von Fotovoltaik-Anlagen zu motivieren. Auch für sie sei klar, dass der Windkraftausbau im Kreis noch nicht beendet sei.

Corona kommt zum Schluss

Zum Schluss ging es um das Thema Corona. Gerade Hotellerie, Gastronomie und die Veranstaltungsbranche seien hart getroffen, so die Moderatoren vom IHK. Sie fragten die Kandidaten, wie sie als Landrat diesen Branchen unter die Arme greifen würden. Dederichs schlug vor, nach der Pandemie ein großes Kunst- und Kultur-Festival im Kreis zu veranstalten, um bundesweit, aber auch in den Nachbarländern mehr Sichtbarkeit zu erzeugen.

Ignatowitz sagte, er halte es für legitim, dass beispielsweise die Gastronomen, um selbst zu profitieren, die Mehrwertsteuersenkung nicht an den Kunden weitergeben. Für den Tourismus sei diese Krise auch eine Chance, denn viele Menschen in Deutschland entdeckten nun, wie schön es sich im Kreis Euskirchen urlauben ließe. Nun gelte es, die tolle Natur richtig zu vermarkten. Ähnlich äußerte sich Ramers: Die Angebote im Kreis seien gut, sie müssten nur vermarktet und genutzt werden. Neben der Corona-Pandemie treffe diese Branchen auch das Nachwuchsproblem. Viele Betriebe fänden einfach keinen Nachfolger, so Ramers. Auch darum wolle er sich als Landrat kümmern.

Marketing-Konzept für den Kreis für alle wichtig

Winckler sagte, er wolle sich als Landrat an das Land wenden. Denn die Soforthilfen kämen nicht überall an. Gerade was die Veranstaltungsbranche angehe, müsse von Land und Bund noch etwas kommen. Ansonsten wolle er sich wie Ramers und Ignatowitz für ein gutes Marketing-Konzept für den Tourismus im Kreis einsetzen. Poll erklärte, es gebe zu viele Tagesausflügler, die zu wenig Geld im Kreis ließen. Da müsse der Kreis ein Konzept auflegen.

Auf die Frage, wie die Kandidaten das Geld einsparen wollen, das durch die Pandemie verloren gehe, antwortete Winckler, dass er die Schnittstellen zu den Kommunen überprüfen wolle und auf Wahlversprechen verzichte, die nicht zu finanzieren seien. Ramers will Geld durch die Digitalisierung der Verwaltung einsparen, Dederichs durch den Stopp der Gebäudeerweiterung des Kreishauses. Poll gab an, alle Ausgaben corona-bedingt neu bewerten zu wollen, und Ignatowitz sagte, dass er als langjähriger Verwaltungsbeamter sicherlich Einsparmöglichkeiten in der Kreisverwaltung finden werde.