Die Historie der Stadt, aber auch die Legenden von Bad Münstereifel kennt Harald Bongart wie kaum ein Zweiter.
StadtgeschichteHarald Bongart kennt auch die geheimen Türchen von Bad Münstereifel
Eine Tür war der Auslöser. „Ich saß mit meiner Schwester auf der Außenterrasse des Café Marielle“, teilte Thilo Waasem im Schatten der Stiftskirche in Bad Münstereifel seine Erinnerungen: „Dabei ist uns eine Tür in der Erftmauer unterhalb des Schulhofes der Grundschule aufgefallen.“ Die anschließenden Überlegungen zur Lösung des Rätsels führten die Geschwister zu keinem Ergebnis. „Wenn einer das weiß, dann ist es Harald Bongart“, war Waasem sicher und suchte den Kontakt.
Und Bongart, in der Kurstadt als „wandelndes Geschichtsbuch“ bekannt, lieferte die Lösung. „Wir haben uns gedacht, dass es in der Stadt viele solcher kleinen Geheimnisse gibt, die Einheimische interessieren“, erläuterte Waasem die Entstehung der Stadtführung „Münstereifel für Profis“, für die sich nun am Klosterplatz bei schönstem Wetter 30 Teilnehmer versammelt hatten.
Um den Körperumfang der Bürgermeister rankt eine Legende
„Für die heutige Führung habe ich mich besonders intensiv vorbereitet“, verriet Harald Bongart, der seit 1986 die unterschiedlichsten Gruppen zu diversen Themen durch die Kurstadt führt. „Wie hat Bad Münstereifel einmal ausgesehen, was glauben wir zu wissen und was ist gesichtet der Quellen tatsächlich belegt? Das waren die Fragen, die ich mir dabei gestellt habe“, so der 60-Jährige.
So begann der Rundgang durch die Stadt an der Stiftskirche St. Chrysanthus und Daria, der „Keimzelle Bad Münstereifels“. Das Tochterkloster der Abtei Prüm, im Jahr 830 als sogenanntes Kollegiatsstift errichtet, wurde durch römische Reliquien zu einer wichtigen Pilgerstätte. „Ich stelle mir den Himmel wie eine Verwaltung vor“, erläuterte dazu Bongart. „An den obersten Chef kommst du nicht heran, aber an die Sachgebietsmitarbeiter der einzelnen Dezernate“, erzählte der Münstereifeler, der selbst bei der Stadtverwaltung arbeitet: „Chrysanthus und Daria gelten als Schutzpatronen für die Ehe, und die Berührung der Reliquien galt als Verbindung zu den Wolken.“
Von der Stiftskirche und der Frage, ob es sich hier um ein Kloster oder ein Stift handelte, ging es weiter zum Rathaus mit der geheimnisvollen weißen Tür. Die Legende, dass der schlanke Körperumfang des Bürgermeisters am Tag nach seiner Wahl durch sein Auftreten an der weißen Tür bemessen wurde, stellte Bongart infrage: „Damals galt derjenige als wirtschaftlich gut aufgestellt, der wohlgenährt war.“ Neben den verschiedenen Bauphasen des Rathauses, das um 1550 erstmals als solches dokumentiert benannt wurde, gab Bongart auch Wissenswertes zum „Stein des Anstoßes“ und zum „Schlitzohr“ zum Besten.
Eine Legende, die sich hartnäckig hält, ist die des Secktürmchens. „In den 1980er-Jahren war Carmen Thomas mit ihrer Sendung ‚Hallo Ü-Wagen‘ in Bad Münstereifel direkt vor dem Michael-Gymnasium“, verriet Bongart den Ursprung der Geschichte: „Dort erzählte man ihr, dass der gegenüberliegende Turm das Secktürmchen von Bad Münstereifel sei, in dem man früher Urin für die Wollverarbeitung sammelte.“
Harald Bongart kennt die wahre Geschichte des Secktürmchens
Dass diese Sendung für die WDR-Moderatorin Anlass genug war, dass Thema zu vertiefen und ein Buch mit dem Titel „Ein ganz besonderer Saft – Urin“ zu veröffentlichen, in dessen Vorwort die Autorin auf die Sendung aus Bad Münstereifel verweist, ist das eine. Dass der Turm erst 1905 als Lüftungsturm für die Mälzerei der Brauerei Hendrichs errichtet wurde und mit dem körpereigenen „Wundermittel“ nichts verbindet, das andere.
Beim Abstecher zum Zwentibold-Brunnen beschäftigte sich Bongart mit der Frage, ob der Namensgeber tatsächlich König oder „fieser Möpp“ war und wie er seinen Weg auf die Spitze des Münstereifeler Brunnens fand. Das Apothekenmuseum und mit ihm Franz Maria Ferdinand Stephinsky, einst Provisor der dort ansässigen Bresgenschen Schwanen-Apotheke, und Erfinder des nach ihm benannten Magenbitters, waren ebenso Teil der Stadtführung, wie die Geschichte der Eheleute Sturm.
Die Flut hat in Bad Münstereifel auch bislang Verborgenes freigelegt
„Ein Steinkreuz an der Erft erinnert an die Ehefrau von Jakob Sturm, Anna Katharina, die bei der Flutkatastrophe im Jahr 1416 ums Leben kam“, gedachte Bongart einer Münstereifelerin, die dem bisher schlimmsten Hochwasser zum Opfer fiel. Auch das Hochwasser auf Platz zwei der Stadtgeschichte, das seit 2021 im kollektiven Gedächtnis präsent ist, spielte eine Rolle. „Das Wasser hat Baureste freigelegt, die bisher im Verborgenen waren“, erläuterte Bongart dazu. „Hier wurden Keller sichtbar, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Stapelhaus der Stadt gehörten“, informierte er die Anwesenden vor den Toren des St.-Michael-Gymnasiums.
„Ich bin oft gefragt worden, was ich von der neuen Pflasterung für eine Mittelalterstadt wie Bad Münstereifel halte“, berichtete Bongart von Themen neuerer Zeit. „Dazu kann ich nur sagen, dass sich wahrscheinlich niemand einen Straßenbelag von damals zurück wünscht. Den gab es gar nicht, die Straße war ein einfacher Lehmboden, der mit Urin und Kot der Tiere durchtränkt war“, sagt Bongart. Für ihn ist nach einer Katastrophe wie der von 2021 wichtig, dass die Stadt schöner als zuvor wieder aufgebaut wird.
Wozu diente eigentlich das geheime Türchen zur Erft?
„Die Führung ist wirklich sehr aufschlussreich“, befand Hildegard Gerlach. „Man erlebt bei allem Schrecken der Flutkatastrophe auch eine ganz andere Seite, die die Wassermassen zu Tage gefördert haben.“ Die 73-Jährige hatte sich mit ihrem Ehemann bereits zum ersten Stadtrundgang für Profis im April gemeldet, aufgrund der hohen Nachfrage aber keinen Platz mehr bekommen. Umso mehr freute sich das Paar aus Hummerzheim, nun mehr über die Wahlheimat zu erfahren. „Die Informationen über das St.-Michael-Gymnasium haben mich begeistert“, freute sich Hildegard Gerlach.
„Besonders spannend war die Geschichte zum letzten Türchen“, ergänzte Hans Gerlach. Der 74-Jährige nahm damit Bezug auf jene Tür, die Thilo Waasem mit seiner Schwester entdeckt hatte. „Die Tür lag bislang, durch Efeu zugewachsen, im Verborgenen und wurde erst durch das Hochwasser 2021 freigelegt“, so Bongart. Auch für ihn war sie zunächst rätselhaft. Doch er fand Lösungen. Die eine: „Im ehemaligen Karmelitessenkloster diente die Tür als Zugang zur Erft für Brauchwasser.“
Doch da wäre auch noch die Geschichte von Maria Köhler, die durch die Versetzung ihres Vaters als Schulleiter im 19. Jahrhundert ihren Weg nach Bad Münstereifel fand. „Unter den Pseudonymen Angelika Harten bzw. R. Fabri de Fabris veröffentlichte sie zahlreiche Bücher, darunter die Geschichte ‚Wildfang im Pensionat‘, die ich selbst gelesen habe“, so Bongart. „Darin nutzen zwei Schülerinnen diese Tür, um zur Erft zu gelangen und von dort mit einem baufälligen Kahn in ein Abenteuer Richtung Arloff zu starten.“