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Fraunhofer zu Bonner Windrädern„Auch wenn die Dinger stehen, sind sie im Weg“

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Im Radom bei Berkum betreibt Fraunhofer das Radarsystem TIRA. Hier bei der Nacht der Technik 2023.

Im Radom bei Berkum betreibt Fraunhofer das Radarsystem TIRA.

Der Kompromissvorschlag der Bonner Stadtwerke wegen der Radarstörung „ist keiner“, sagt Radar-Betreiber Fraunhofer. Bürgerinitiative formiert sich.

Während die Stadtwerke Bonn weiter überzeugt sind, am Heiderhof nahe der Grenze zu Wachtberg zwei oder drei Windenergieanlagen bauen zu dürfen, hat Fraunhofer FHR als Betreiber der militärisch bedeutenden Radaranlage in Wachtberg-Werthhoven nochmals öffentlich bekräftigt: „Die geplante Windenergieanlagen würden Fähigkeiten des Weltraumbeobachtungsradars TIRA einschränken.“ Dies steht seit Donnerstag auf der Internetseite des Instituts. Zudem erklärte Institutssprecher Jens Fiege: „Der von den Stadtwerken erwähnte ‚Kompromiss‘ ist keiner.“

Die Stadtwerke hatten zuletzt erklärt, seit Ende vergangenen Jahres mit Fraunhofer in engem Kontakt zu stehen und die Probleme über den pauschalen Schutzradius für militärische Funk- und Radaranlagen von vier Kilometern hinaus wohl zu kennen und dazu den Betreibern des Radars einen Kompromiss unterbreitet zu haben.

„Uns ist schriftlich kein Kompromiss vorgelegt worden“, erklärte Fiege auf Anfrage der Rundschau. Das einzige, was sich überhaupt als Kompromiss deuten ließe, sei ein mündlich vorgetragenes Angebot gewesen, die Rotoren der Windanlagen während der Messungen anzuhalten. Dies sei jedoch völlig unerheblich, erklärte Fiege und erklärte in sehr verständlicher Sprache: „Auch wenn die Dinger stehen, sind sie im Weg.“

TIRA während der Nacht der Technik 2023.

TIRA während der Nacht der Technik 2023.

Die Anfrage der Rundschau zur Störung der militärischen Überwachung des Horizonts im Osten durch die zwei oder drei geplanten Windenergieanlagen der Bonner Stadtwerke war vom Verteidigungsministerium an das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr für (BAIUDBw) weitergeleitet worden. Dieses Amt ist aber eigentlich für die Liegenschaften und nicht deren militärische Funktion zuständig, hatten aber offenbar auch bereits den Stadtwerken Bonn im Rahmen einer „kostenlosen Vorprüfung“, die Investoren die Vernichtung ihres Kapitals ersparen soll, grünes Licht gegeben. Militärisch gebe es keine Bedenken.

TIRA steht für „Tracking and Imaging Radar“

Allerdings ist wohl die eigentliche Dienststelle bislang gar nicht involviert. Denn Auftraggeber der Radarüberwachung ist das Weltraumkommando der Bundeswehr in Uedem, an dem auch das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum beteiligt ist.

Fraunhofer klärt seit Donnerstag auch auf seiner Internetseite über die Bedeutung der Weltraumanlage auf. TIRA stehe für das „Tracking and Imaging Radar“ des Fraunhofer-Instituts für Hochfrequenzphysik und Radartechnik. Es werde durch die geplanten Windenergieanlagen in Bonn-Heiderhof auf dem Haselingsberg „beeinträchtigt“. Fraunhofer: „Die Rotorblätter der Anlagen würden weit in den „Sichtbereich“ von TIRA hineinragen und damit die zum Schutz der Weltrauminfrastruktur essenziellen Fähigkeiten des Systems behindern.“

Zur Erklärung heißt es wörtlich: „Die Infrastruktur im erdnahen Weltraum ist essenziell für die Gesellschaft und die Wirtschaft. Sei es in den Bereichen Kommunikation, Navigation oder Wettervorhersagen, aber auch militärische Aufklärung: Ohne Satelliten wären viele wichtige Dienste unmöglich. Leider gibt es mittlerweile auch viel Weltraumschrott, der die aktiven Satelliten bedroht. Um die Weltrauminfrastruktur zu sichern, muss die Weltraumlage kontinuierlich und möglichst vollständig und präzise erfasst werden.“

Und weiter: „Unter dem weithin sichtbaren weißen Radom in Wachtberg verbirgt sich das in Europa einzigartige Weltraumbeobachtungsradar TIRA. Mit seiner empfindlichen 34 Meter großen Antenne kann es kleinste Objekte in hunderten und tausenden Kilometern erkennen und abbilden. Im Auftrag von internationalen Raumfahrtagenturen wie die europäische ESA, die französische CNES, die japanische JAXA und vor allem auch für die Bundeswehr werden regelmäßig wichtige Messungen für die Weltraumraumlageerfassung durchgeführt. Das funktioniert jedoch nur gut, wenn TIRA in alle Richtungen freie Sicht hat. Große Gebäude wie Windenergieanlagen können den Sichtbereich des Radars einschränken und seine Leistungsfähigkeit vermindern.“

Widerstand auf der Bonner Seite

Währenddessen formiert sich auch in Heiderhof, einem 5000-Einwohner-Teil von Bad Godesberg, Widerstand. Etwa 20 Menschen wie Ruprecht Marks aus Muffendorf - „Ich gehe jeden Tag auf den Haselingsberg hinauf“ - wollen nicht, dass der Bau von Windenergieanlagen ihr Lieblingserholungsgebiet zerstören. Es handele sich eben nicht um eine geschädigte Nadelbaum-Monokultur, sondern um einen intakten Mischwald, in dem seiner Kenntnis nach je Windrad ein Hektar Wald zerstört und Material von 7000 Tonnen verbaut werde. Marks: „Die Windräder sollen 250 Meter hoch werden. Das ist ja höher als der Kölner Dom und fünfmal so hoch, wie das Hochhaus in Heiderhof.“ Die Initiative will der Frage nachgehen, ob die Windräder das Radar in Wachtberg stören, seismografischen Aufzeichnungen verfälschen, im Mischwald unzulässig und eventuell wegen Wild in den Betriebszeiten einzuschränken wären.