Von Alfter bis RheinbachSo fiebern die Friseure der Öffnung entgegen
Terminkalender sind prall gefüllt – Wenn Friseure am 1. März wieder öffnen dürfen, herrscht Hochbetrieb. Wir haben uns im rechtsrheinischen Rhein-Sieg-Kreis einmal unter den Friseuren in Rheinbach, Meckenheim, Alfer und Bornheim umgehört.
Rheinbach
Seit bekannt ist, dass am 1. März Friseure wieder ihre Geschäfte für Kunden öffnen dürfen, steht bei Ulrike Lülsdorf das Handy nicht mehr still. „Viele Stammkunden, aber auch Neukunden, rufen an, um einen Termin zu ergattern“, beschreibt die Inhaberin des Rheinbacher Salons „Bertona“ die Situation. Ihr Terminkalender sei inzwischen für die ersten drei Märzwochen ausgebucht, wobei das Verhältnis von weiblicher zu männlicher Kundschaft etwa 70 zu 30 Prozent betrage. Um der Kundenflut gerecht zu werden, plant die Chefin selber, zumindest in den nächsten Wochen auch an Montagen zu arbeiten, obgleich die normalerweise als Ruhetage gelten: „Ich werde wahrscheinlich erst einmal 48- bis 55-Stunden-Wochen einlegen.“
Dennoch freut sich Ulrike Lülsdorf nach der langen Schließung darauf, wieder für ihre Kunden da sein zu dürfen. „Die vergangene Zeit war für uns und sicher auch für die Kundschaft nicht leicht“; sagt sie, „umso mehr freuen wir uns darauf, die Menschen endlich wieder persönlich begrüßen zu können.“
Der überwiegend in Rot, Schwarz und Silber individuell eingerichtete Salon in dem kleinen Fachwerkhaus an der Weiherstraße war schon vor der Sanierung bekannt für seine Gemütlichkeit. Nun erwartet die Kunden eine neu eingerichtete Etage im Dachgeschoss mit drei weiteren Bedienplätzen und viel Raum, um Wünsche mit dem erforderlichen Abstand umsetzen zu können. Ebenso gibt es ausreichend Raum für einen kleinen Wartebereich.
Obwohl selbstverständlich regelmäßig gelüftet wird, hat die Inhaberin inzwischen zusätzlich Filtergeräte installiert, um die Luft möglichst frei von Viren, Bakterien, Pollen „und anderen unerfreulichen Dingen zu halten“. Eine Pflicht für medizinische Masken besteht für alle, die sich in den auf drei Etagen verteilten Räumen aufhalten, aber das habe sie bereits in der Vergangenheit gemeinsam mit den Kunden gut bewältigt, sagt Lülsdorf. Die Friseurin hat bereits seit Dezember über ein extra eingerichtetes Kundentelefon Pflegemittel und Haarfarben verkauft. Pinsel und Schälchen wurden auf Anfrage kostenfrei zusätzlich ausgeliehen. Die Färbung von Haaransätzen sei jedoch schwierig und alleine kaum zu bewältigen. Gefragt seien bei den Damen darum vor allem Termine zum Haare färben und zum Ausbessern verunglückter Heim-Schnitte: „Die meisten möchten sich den Ansatz färben lassen oder sagen schon am Telefon, dass sie einen ,Vorschnitt’ geleistet hätten und ich schauen müsste, wie ich das wieder hinkriege“, sagt Lülsdorf. Sie selbst habe übrigens vor vier Monaten von ihrer Kollegin den letzten Haarschnitt erhalten.
Zum Team des Salons „Bertona“ gehört seit fünf Jahren eine Mitarbeiterin, die gerade in Kurzarbeit ist. Eine Kraft wird im April neu eingestellt, eine weitere ausgebildete Vollzeitkraft wird dringend gesucht. Ulrike Lülsdorf ist sich darüber im Klaren, dass sie die schwere Zeit nur deswegen überstanden hat, weil viele für sie in die Bresche gesprungen sind. Allen voran Familienmitglieder, die sie finanziell unterstützten und tatkräftig beim Umbau halfen, sowie ihr Vermieter, der die Ladenmiete auf Dauer senkte. Allerdings weiß sie nicht, ob die für die Zeit der Schließung beantragten Hilfen kommen werden, zusätzlich weigert sich ihr Versicherer, die wegen der Betriebsschließung im Lockdown entstandenen Schäden zu ersetzen. „Seit Corona weiß ich, was Existenzangst ist“, sagt die Friseurin.
Meckenheim
Auch Silke Klein vom Meckenheimer Friseurgeschäft „Hairtrend by Silke“ ist froh darüber, dass es ihren Laden nach dem zweiten Lockdown noch gibt und sie wieder öffnen kann. Aber auch die Kunden seien erleichtert, sagt sie, dass die Friseure wieder arbeiten. Bei so manchem liege der letzte Haarschnitt Monate zurück, darum sei bei ihr der Ansturm auf die Termine groß. Seit Montag hat sich die Chefin eine Rufumleitung ins Home-Office legen lassen. Etwa 200 Kunden haben sich seitdem bei ihr gemeldet. „Die ersten 14 Tage sind schon ausgebucht“.
Insgesamt dürfen sich im Salon an der Hauptstraße acht Leute aufhalten, eine Person auf zehn Quadratmetern ist die Vorgabe. „Wir versuchen, möglichst viele Wünsche zu erfüllen, aber wir müssen natürlich die Hygienevorschriften einhalten“, so Klein. In der ersten Woche wird auch am Montag gearbeitet, die vier Angestellten tragen Masken und werden regelmäßig Pausen einlegen, „um Luft zu schöpfen“. Unter den 200 terminierten Kunden ist das Geschlechterverhältnis ausgewogen, allerdings unterscheiden sich Frauen und Männer leicht in der Art ihrer Wünsche. So liege der Schwerpunkt bei den Damen auf Färben und Strähnchen, „die Herren wollen einfach nur einen Haarschnitt“. (gvt)
Alfter
Das Telefon steht auch bei Friseurmeister Robert Fuhs aus Witterschlick seit Tagen nicht mehr still: „Meine Kunden sind sehr froh, dass es endlich wieder losgeht. Viele nehmen jeden Termin, den sie bekommen können“, erklärt der 64-Jährige. Fuhs ist Obermeister der Friseur-Innung Bonn/Rhein-Sieg, Vorsitzender des Berufsbildungsausschusses des Friseur- und Kosmetikverbandes NRW sowie Vorsitzender des Berufsbildungsausschusses des Zentralverbandes des Deutschen Friseurhandwerks.
Für die ersten anderthalb Wochen sind alle Termine bereits ausgebucht. Da der 1. März auf einen Montag fällt und die Nachfrage so groß ist, öffnet Robert Fuhs seinen Salon ausnahmsweise auch am Montag, traditionell Ruhetag im Friseurgewerbe. Auch Sonderschichten werden gefahren über die üblichen Öffnungszeiten hinaus: „Das haben wir auch schon bereits im Mai nach dem ersten Lockdown so gemacht und im Dezember, als sich andeutete, dass wir erneut schließen mussten.“ Zu lange werden er und seine zwei Mitarbeiter allerdings auch nicht arbeiten, da sonst die Qualität der Arbeit leide. Die Kunden müssen auch etwas mehr Zeit als üblich einplanen: Zum einen kann Robert Fuhs aufgrund der vorgegebenen Hygienebestimmungen nur vier Kunden gleichzeitig in seinem Salon bedienen, zum anderen seien die meisten Haare jetzt nun mal sehr lang, daher werde auch mehr Zeit pro Kopf benötigt. Aktuell wird in seinem Laden alles auf Vordermann gebracht, gesäubert, aufgeräumt, es werden die Bestelllisten aktualisiert und natürlich Termine vergeben.
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Als Obermeister der Friseur-Innung kennt Robert Fuhs natürlich die Sorgen und Nöte seiner Kolleginnen und Kollegen sehr genau. Er selbst müsse sich keine Existenzsorgen machen, er besitze Immobilien und konnte aufgrund seiner langen Berufstätigkeit fürs Alter vorsorgen. Bei den jüngeren Kollegen sehe das aber ganz anders aus. „Im Stadtgebiet Bonn haben bereits fünf aufgegeben“, berichtet Fuhs, und viele verkaufen ihre Einrichtungen bereits im Internet: „Schauen Sie mal bei Ebay-Kleinanzeigen rein.“ Aktuell finden sich hier unter dem Stichwort ,Friseursalon Einrichtung’ rund 30 Angebote, bei einem anderen Anzeigenportal etwa 70, jeweils bundesweit.
In einigen Regionen Nordrhein-Westfalens, vor allem im ländlichen Bereich, habe zudem die Ausbildungsbereitschaft stark nachgelassen: „Viele wissen nicht mehr, wie es weitergeht, und können sich keine Auszubildenden leisten.“ In der Region Bonn/Rhein-Sieg sehe die Lage aber noch relativ gut aus. Fuhs kritisiert, dass es bis auf das Überbrückungsgeld III keine finanziellen Hilfen vonseiten des Staates fürdie Friseure gebe. Und hier werde auch nur ein Abschlag für die Fixkosten gezahlt, aber kein Unternehmerlohn: „Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Wovon sollen sie denn leben?“ Natürlich könnte man Hartz IV beantragen, doch welcher Unternehmer wolle das schon? Fuhs hätte sich gewünscht, dass die Friseure ähnlich wie die Gastronomen 75 Prozent von ihrem letzten Umsatz als Unterstützung bekommen würden. So müssten derzeit vor allem junge Kollegen Gelder aufbrauchen, die sie eigentlich für die Altersvorsorge vorgesehen hätten.
Bornheim
„Ich könnte meinem Mann bald ein Zöpfchen machen“, scherzte eine Kundin, die bei Karin Raschke anrief, um einen Termin für die erste Märzwoche auszumachen. „Alle sind froh, dass wir wieder öffnen“, meint die 63-jährige Friseurmeisterin, die seit 20 Jahren in der zweiten Generation ihr Damen- und Herrenhaarstudio an der Rheinstraße in Hersel betreibt. Das Geschäft hat sie von ihrem Vater übernommen. Auch hier klingelt das Telefon pausenlos, so dass Karin Raschke mittlerweile eine Rufumleitung auf ihr Handy geschaltet hat. Der Terminkalender ist entsprechend gut gefüllt und auch hier greifen Raschke und ihre beiden Teilzeitmitarbeiterinnen direkt am ersten Montag im März zu Kamm und Schere. Derzeit laufen die Vorbereitungen, Bestellungen werden aufgegeben, alles wird abgeklebt, um die Sicherheitsabstände gewährleisten zu können. Nicht nur die Chefin freut sich, auch die Kundinnen und Kunden, darunter viele Senioren aus dem benachbarten Altenheim St. Angela, die darunter leiden, dass sie sich nicht frisieren lassen durften. (fes)