Trauung im GefängnisDie kuriosen Fälle des Bonner Standesamtes
Bonn – Nur ganz, ganz selten kommt es vor, dass einer der Partner bei der standesamtlichen Trauung im entscheidenden Moment mit „Nein“ antwortet. Die Bonner Standesamtsleiterin Martina Suhr (siehe Kasten „Zur Person“), die seit fast 30 Jahren als Standesbeamtin in der Stadt am Rhein arbeitet und bislang fast 2900 Trauungen vorgenommen hat, hat das persönlich noch nicht erlebt. –wohl aber Kollegen von ihr. Doch auch wenn die Absage an eine gemeinsame eheliche Zukunft vor Verwandten und Freunden die große Ausnahme bleibt, so gibt es doch außergewöhnliche Begebenheiten, von denen wohl jeder Standesbeamte mit viel Erfahrung erzählen könnte.
So wie Martina Suhr, die ihren Job gerade wegen der Vielfalt an Begegnungen sehr liebt. Dass Paare trotz eines Termins gar nicht erst kommen, hat die 53-Jährige schon mehrfach gehabt. Und im Bad Godesberger Standesamt bekam sie mit, wie ein Pärchen samt Trauzeugen in letzter Sekunde ganz offensichtlich dringenden Redebedarf hatte. Die städtischen Mitarbeiter boten ihnen ein leeres Büro für ihre Krisensitzung an. Die endete nach einer Viertelstunde damit, dass alle nach Hause gingen. Ohne Trauung.
Nottrauung mit Mundschutz und Häubchen
Wie wichtig anderen sogar in einer extrem schwierigen Lebenssituation die Trauung ist, hat die gebürtige Beuelerin erst vor kurzem erlebt. Auf einer Intensivstation des Uniklinikums nahm sie in Kittel, mit Mundschutz und Häubchen eine Nottrauung vor. Junge Leute mit gemeinsamen Kindern, erzählt sie, hätten heiraten wollen; nun aber lag die Braut auf der Intensivstation. Zwei Wochen später starb die junge Frau. Suhr: „Das war alles sehr beklemmend.“
Heiraten in Bonn
In Bonn gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten, den Bund der Ehe standesamtlich zu schließen. Neben dem Trauzimmer in der Stadthaus-Loggia
bietet die Stadt im Alten Rathaus am Markt freitags und samstags Trauungen an. In der Villa Hammerschmidt, im Heimatmuseum Beuel, in der Godesburg und der Kommende Ramersdorf sind Samstagstrauungen möglich. In den Bezirksrathäusern in Bad Godesberg, Beuel und Hardtberg können sich Brautleute an bestimmten Freitagen das Ja-Wort geben.
„Ambiente-Trauungen“ sind in Bonn freitags von 14 bis 17 Uhr oder samstags von 11 bis 17 Uhr möglich. Dafür können ungewöhnlichere Schauplätze gebucht werden, und zwar laut städtischer Homepage Bonner Personenschifffahrt, Collegium Leoninum, Euro Theater Central, Godesburg, Haus des Karnevals, Heimatmuseum Beuel, Hotel Kameha, Hotel Königshof, Kommende Ramersdorf, Redoute, Stella Rheni, Waldcafé. Details zu Terminen und Preisen sind im Internet zu finden. (kri)
www.bonn.de
Hochzeiten im Krankenhaus, sagt die Standesamtsleiterin, kämen öfters vor. Auch und gerade auf dem Sterbebett. Allerdings sind die städtischen Beamten gehalten zu prüfen, ob der Patient auch wirklich weiß, was er tut. Kommen Zweifel auf, wird die Trauung abgesagt. Das passiert auch bei möglichen Scheinhochzeiten – etwa weil ein Paar über diesen Umweg eine Aufenthaltsgenehmigung erschwindeln will.
Bonner Eheschließungen meist unspektakulär
„Es handelt sich aber nur um eine Scheinehe, wenn beiden Partnern bewusst ist, dass es sich um ,Show’ handelt“, so Suhr. Wenn einer der beiden jedoch ernsthaft heiraten wolle, sei es keine Scheinehe, selbst wenn der andere diese Absicht habe. Solcherart Überprüfungen – die Beamten sprechen dann mit den Verlobten – kämen immer mal wieder vor, und etwa alle zwei Jahre werde eine Ehe abgelehnt.
Auch wenn es hin und wieder ungewöhnliche Eheschließungen gibt (Suhr zählt aus ihrem Erfahrungsschatz eine im heute nicht mehr existenten Bonner Gefängnis oder eine drei Stunden vor einer Entbindung dazu): Das Gros der rund 1500 Bonner Eheschließungen pro Jahr ist eher unspektakulär. 18-Jährige heiraten ebenso wie über 90-Jährige (letztere „meist sehr bewusst und sehr entspannt“), heterosexuelle Partner ebenso wie homosexuelle (in Bonn laut Suhr „in der Menge die Ausnahme“; mehr Männer als Frauen).
Trauzimmer werden immer internationaler
Wird ein Dolmetscher benötigt – die etwa 30 Minuten dauernde Zeremonie halten die Standesbeamten fast immer auf Deutsch, zuweilen auf Englisch –, so muss das Brautpaar sie aus Verwandten- oder Freundeskreis rekrutieren oder engagieren und bezahlen. Türkisch, Arabisch, Englisch, Spanisch, Französisch oder Ungarisch, aber auch schon mal Japanisch oder Chinesisch gehören zu den Sprachen, die in Bonner Trauzimmern (siehe Kasten „Heiraten in Bonn“) zu hören sind – die Stadt ist international.
Zur Person
Die gebürtige Beuelerin Martina Suhr absolvierte nach dem Abitur von 1986 bis 1989 eine Ausbildung für den gehobenen Dienst bei der Stadt Bonn und begann danach ihre Arbeit als Standesbeamtin. Dabei lernte sie alle Standesämter in den vier Bonner Stadtbezirken kennen, die es dort bis 2006 gab.
Seit dem 1. Januar 2019 ist die 53-Jährige Leiterin des zentralen Standesamtes, das eine Abteilung der Bürgerdienste ist. Das Standesamt sitzt in der Stadthaus-Loggia in der Thomas-Mann-Straße. In der Behörde arbeiten 30 Voll- und Teilzeitkräfte. (kri)
Auf Sonderwünsche geht das Standesamt nur begrenzt ein. Seine Leiterin: „Die Zeremonie soll keine Inszenierung werden, sondern formal und würdevoll sein.“ Drum sind die Beamten gehalten, sich „angemessen“, also dem Anlass entsprechend elegant zu kleiden. Was nicht ausschließt, sich auch mal dezent dem Outfit der Brautleute anzupassen.
Jecke Trauung an Karneval
Am 3.3.2003, einem Rosenmontag, erzählt die 53-Jährige, sei ein Paar samt Gefolge verkleidet ins Bad Godesberger Rathaus gekommen: Braut und Bräutigam als Panzerknacker, die beiden gemeinsamen Kinder als Polizisten. Der zuständige Standesbeamte habe daraufhin seinen dunklen Anzug mit einer bunten Fliege verziert.
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Zu den Aufgaben des Standesamtes gehören nicht nur Eheschließungen, sondern auch die Beurkundung von Geburten (3209 im ersten Halbjahr 2019), Sterbefällen (2426) oder Namensänderungen. Bei der Wahl von Vornamen empfehle das Amt Eltern hin und wieder, einen zweiten Vornamen hinzuzunehmen – etwa wenn ein Junge „Andrea“ heißen soll wie in Italien üblich.
Denn das deutsche Gesetz verlange, dass ein Vorname das Geschlecht erkennen lassen solle, erklärt Suhr. Und er dürfe nicht lächerlich oder anstößig sein. Das wiederum lässt einen gewissen Interpretationsspielraum zu. Wie sonst ist zu erklären, dass Eltern ihre Söhne „Rambo“ oder „Tarzan“ nennen? Passiert ist das allerdings nicht in Bonn...