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Tötungsdelikt in KönigswinterVater betonierte Leiche ein – Tochter von Sigrid Paulus spricht im ZDF

Lesezeit 5 Minuten

Die Polizei steht vor dem Haus in Ittenbach, in dem eine Frauenleiche gefunden wurde.

Königswinter – Sigrid Paulus aus Königswinter verschwand im Februar 2008 spurlos. Die zweifache Mutter habe nach einem Streit mit ihrem Ehemann das Haus verlassen und sei nie wiedergekehrt, hieß es damals. „Ich dachte, sie dreht eine Runde ums Haus“, gab Gerd Paulus sich noch Jahre nach dem Verschwinden seiner Frau Polizei und Öffentlichkeit gegenüber ahnungslos. Zwei Tage später habe sie dann eine Reisetasche mit Kleidung geholt, eine gute Woche später habe sie ihre übrige Kleidung mitgenommen, sagte Gerd Paulus aus.

Auch die Kinder konnten sich den plötzlichen Weggang der Mutter nicht erklären. „Ich habe gedacht, sie meldet sich. Aber das hat sie bis heute nicht getan“, sagte Tochter Christina im Januar 2013. Einen Monat zuvor hatte die 20-Jährige eine Vermisstenanzeige bei der Bonner Polizei erstattet.

Vater tötete die Mutter

Im Oktober 2013 klärte sich der vermeintliche Vermisstenfall nach umfangreichen Ermittlungen und Hinweisen aus dem Umfeld des Ehepaars schließlich auf: Ehemann Gerd Paulus hatte seine Frau 2008 im Streit erwürgt und im Keller des gemeinsamen Hauses einbetoniert. Er wurde festgenommen und legte ein umfassendes Geständnis ab. 2014 wurde er wegen Totschlags zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.

Am Mittwochabend sprach die Tochter von Gerd und Sigrid Paulus, Christina Junghans, in der Talkshow von Markus Lanz über die Tat ihres Vaters. „So viele Abgründe, so viele Lügen und über allem die Frage: 'Wie hält ein Mensch das aus?'“ stieg Markus Lanz in die Vorstellungsrunde ein und kam schnell auf den Konflikt zu sprechen, dem sich ein Kind in einer solchen Situation stellen muss: Soll es es den eigenen Vater hassen? Soll es den Vater weiter lieben?

„Voll und ganz“ geglaubt

Christina Junghans war zum Zeitpunkt des Verschwindens ihrer Mutter 15 Jahre alt. Sie seien zu Beginn schon eine glückliche Familie gewesen, sagte die heute 22-Jährige am Dienstagabend in der Talkshow. Später habe es öfter Streit zwischen den Eltern gegeben. Meist ging es dabei um die finanzielle Situation.

Den letzten Kontakt zur Mutter hatte Christina am 13. Februar 2008, am Abend vor dem Verschwinden. Am Tag darauf tauchte die Mutter zum Mittagessen bereits nicht mehr auf. Sie hätten gestritten und die Mutter sei zu einem Freund gezogen, erklärte der Vater den Kindern damals. Christina Junghans hatte das dem Vater zunächst „voll und ganz“ geglaubt.

Sie hätte sich niemals vorstellen können, dass der eigene Vater etwas mit dem Verschwinden zu tun gehabt haben könnte: „Er war weder unruhig, noch nervös, er hat sich nichts anmerken lassen“, erzählt Christina. Auch habe der Vater sie nie daran gehindert, an die Öffentlichkeit zu gehen und nach der Mutter zu suchen. Überhaupt sei er in all den Jahren ein fürsorglicher Vater gewesen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite weiter: Wie deckte die Polizei die Tat auf?

Als die Zweifel am Verschwinden der Mutter bei der Tochter größer wurden, wandte sie sich an eine Fernsehredaktion. In dem Beitrag kam der Vater zu Wort – und gab ganz den trauernden Ehemann. Nachdem der Bericht ausgestrahlt wurde, kam erneut Bewegung in den Fall. Die ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst...“ griff ihn ebenfalls auf. Bei Markus Lanz kam am Mittwoch auch Moderator Rudi Cerne zu Wort, der erklärte, dass kurz nach der Ausstrahlung entscheidende Hinweise aus der Nachbarschaft kamen. Unmittelbar nach dem Verschwinden von Sigrid Paulus hatte es im Garten des gemeinsamen Hauses umfangreiche Umbaumaßnahmen gegeben. Auf den begründeten Verdacht hin, dass im Haus etwas vorgefallen sein könnte, durchsuchte die Polizei schließlich das Grundstück.

Polizei fand Mutter im Keller einbetoniert

Auch Christina Junghans' Zweifel wurden durch den „Aktenzeichen XY“-Beitrag genährt. Dort habe der Vater eine Personenbeschreibung zweier Männer abgegeben, mit denen die Mutter angeblich ihre Sachen aus dem Haus abgeholt hatte. Der Tochter gegenüber hatte Gerd Paulus jedoch all die Jahre gesagt, er könne die Männer nicht beschreiben.

Von da an habe sie den Gedanken zugelassen, dass „irgendetwas nicht stimmen“ konnte. Den eigenen Vater hatte Christina Junghans trotz allem aber immer noch nicht unter Verdacht: „Ich hab bis zur letzten Sekunde nicht dran gegalubt, dass mein Vater was damit zu tun haben könnte“

Als die Polizei schließlich im Oktober 2013 zur Hausdurchsuchung anrückte, schloss Christina Junghans den Beamten die Tür auf. Als der Vater nach Hause kam, nahm er die weinende Tochter wortlos in den Arm – „in dem Moment war mir klar, dass die Polizei zu Recht da war.“ Kurz darauf musste Christina die Wohnung verlassen. Der Vater führte die Polizei dann in den Keller, in dem die Leiche seine Frau seit fünfeinhalb Jahren einbetoniert unter einem Weinregal lag.

Gerd Paulus erzählte seiner Tochter später vom Morgen der Tat, ihr und der Polizei gegenüber gab er an, einen „Blackout“ gehabt zu haben. Christina Junghans weiß bis heute nicht, ob ihr Vater ihre Mutter mit Vorsatz umbrachte. Das Gericht ging in seinem Urteilsspruch von einer Affekthandlung aus, Gerd Paulus wurde nicht wegen Mordes schuldig gesprochen. Liebevoller Vater oder Mörder der Mutter – was die Gefühle für ihren Vater angeht, spürt Christina Junghans „eine Zerissenheit, die ein Leben lang bleibt“. Sie hält den Kontakt zu ihm, trotz Angst vor Stigmatisierung und Unverständnis der Öffentlichkeit.

Die ganze Sendung im Video: