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Tipps nach der FlutkatastropheSwisttaler Professor warnt vor „Hochwasser-Demenz“

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Das Aufbauen muss entlang der Flüsse von einer Planung gegen künftige Hochwasser begleitet werden.

Swisttal – Im Planungsausschuss der Gemeinde Swisttal standen erneut die Flutkatastrophe und ihre Folgen sowie der Wiederaufbau im Fokus.

NRW-Pakt für besseren Hochwasserschutz

Professor Dr. Lothar Kirschbauer ist eine Koryphäe im Bereich Hochwasser. Er lehrt an der Hochschule Koblenz und ist Experte für Siedlungswasserwirtschaft, Wasserbau und Umwelttechnik – und er lebt in Buschhoven. Dem Planungsausschuss stellte er den NRW-Pakt für Hochwasserschutz vor. Dabei betonte er besonders wichtige Punkte: Zum einen sollen Zuständigkeiten nicht mehr an kommunalen Grenzen enden, sonder ein Gewässereinzugsgebiet wie beispielsweise die Swist, die durch mehrere Gemeinden und Städte fließt, als eins betrachtet werden, wenn es um den Schutz vor einem erneuten Starkregenereignis geht.

Zum anderen werde eine vom Strom unabhängige Kommunikation benötigt. Als Beispiel nannte er Funkmasten, die über ein Solarpanel Strom beziehen und kontinuierliche Wellen funken. Die könnten bis zu 72 Stunden ohne externe Stromzufuhr funktionieren. Zudem sei die Objektsicherung wichtig. Häuser sollten grundsätzlich 40 bis 50 Zentimeter höher als die Straßen gebaut werden, um das Risiko zu verringern, dass Wasser eindringt. Ebenso könnten kleine Mauern oder Erhebungen am Grundstücksrand bei der Prävention helfen.

Jürgen Pump (CDU) schlug vor, in Zukunft Starkregen-Gefahrenkarten für die baulichen Planungen zu Rate zu ziehen. Sie zeigen, wie und wo sich Wasser bei einem Starkregenereignis ausbreitet und haben laut Kirschbauer eine hohe Aussagekraft. Im Zusammenhang mit den Karten, die er der Gemeinde sowie jedem Eigentümer ans Herzen legte, betonte der Experte: „Wir müssen der Hochwasser-Demenz entgegenwirken. Nach sieben Jahren haben die meisten vieles vergessen, nach 30 Jahren fast alles.“ Ein Hochwasser könne jeden treffen und jederzeit, das habe die Flutkatastrophe im Juli gezeigt. Laut dem Deutschen Wetterdienst ist die Wahrscheinlichkeit von Starkregenereignissen in den vergangenen Jahren um annähernd das neunfache gestiegen.

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Zudem riet der Buschhovener dem Ausschuss, eine Priorisierung festzulegen, welche Bereiche nun die wichtigen Maßnahmen darstellen. Unter anderem sieht er das Kottengrover Maar in Heimerzheim als dringlich an: „Wo soll das Wasser hin, das über das Kottengrover Maar in den Ort fließt?“ Antworten gab es darauf keine. Doch diese zu finden, solle der Ausschuss zur Aufgabe mit Priorität machen. Die Mitglieder des Gremiums nahmen die Präsentation mit einhelliger Zustimmung an.

Neuer Standort für Sportanlagen in Odendorf

Der Orbach hat im Juli die Sportanlagen der drei Vereine in Odendorf schwer getroffen. Die Tennisplätze sowie die Anlage der Schützen wurden zum Großteil zerstört. Der Fußballplatz des TuS Odendorf lag unter einer hohen Schlammschicht und ist nicht nutzbar. Dr. Christian Gattke vom Erftverband zeigte in einer Präsentation, welche Risiken bestehen, wenn die Sportanlagen wieder an gleicher Stelle aufgebaut werden, und welche Alternative es für den Bereich am Orbachs vor dem Ort gibt.

Auszahlungen stocken weiter

Swisttals SPD-Vorsitzender Tobias Leuning hat kritisiert, dass der Flutbeauftragte des Landes NRW, Fritz Jaeckel (CDU), seine Arbeit am Mittwoch offiziell beendet hat. Für Leuning ist dies nicht nachzuvollziehen: Jaeckel habe in Swisttal hervorragende Arbeit geleistet. „Dass seine Aufgabe wenige Monate nach der Flut schon erledigt sein soll, kann ich nur schwer glauben. Viele Menschen haben immer noch keine Heizung oder wohnen auf einen Baustelle“, so der Sozialdemokrat.

Das größte Problem aus Sicht der Betroffenen: Mit der Auszahlung der Aufbauhilfe vom Land geht es nur sehr schleppend vorwärts. „Es fehlt an einer guten und personell starken Antragsbearbeitung“, meint Anna Peters, Landtagskandidatin der SPD aus Bornheim. In Sozialen Medien berichten Antragsteller, dass von ihnen nach Wochen plötzlich weitere Unterlagen und Nachweise gefordert wurden. Von Bearbeiter zu Bearbeiter sei das Vorgehen sehr unterschiedlich. (Bir)

Das größte Risiko tragen dabei die Tennisplätze und besonders die Zufahrtswege, die bei dem Hochwasser komplett zerstört wurden. Gattke empfahl stellvertretend für den Wasserverband die Sportplätze dort nicht wieder aufzubauen, sondern das Gelände zu renaturieren und Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Beispielsweise um die hohe Geschwindigkeit, mit der der Orbach im Juli durch den Ort strömte, bei einem Starkregenereignis zu mindern. Der promovierte Experte empfahl, das Gelände als Retentionsfläche und damit zur Hochwasservorsorge zu nutzen.

Als Alternative schlug Diplomingenieur Jörg Timmermann vom PBS Planungsbüro aus Wiehl, der zum Beraterteam für den Wiederaufbau gehört, ein Grundstück am Ortsrand in Richtung Flamersheim vor. Timmermann zeigte einige Varianten für eine Bebauung auf. So hätten auch alle drei Vereine mehr Platz zur Verfügung als zuvor. Er legte Wert darauf, dass dies bisher nur grundsätzliche Überlegungen und noch keine Bauplanungen seien. Der Ausschuss stimmte ein, die Alternativoption dem Gemeinderat zur Abstimmung vorzuschlagen – mit drei Gegenstimmen der Grünen. Die Fraktion bemängelte fehlende Anfahrtswege und die Nähe zum Naturschutzgebiet der Orbachaue, ohne Rücksicht darauf, dass es noch kein Bauvorhaben gebe, sondern nur eine ausdrücklich hypothetische Überlegung, wie dort gebaut werden könnte. Ein Grund dafür könnte der Vorstoß der Gemeinde sein, die das Grundstück am Ortsrand bereits erworben hat.

Klaus Jansen vom Gemeindesportverband merkte an: „Es ist großartig, dass das Anliegen des Sports so schnell angegangen wird, aber die Vereine brauchen nun Provisorien für die Überbrückungszeit. Drei Jahre ohne Angebot überlebt kein Sportverein.“

Neues Wohngebiet Heimerzheim Hz 39

Die Planung des Wohngebiets „Am Burggraben“ in Heimerzheim muss überarbeitet werden. Die Maßnahmen zum Hochwasserschutz sollen integriert werden. Darunter Vorgaben, dass beispielsweise Tiefgaragenzufahrten nur mit einer entsprechenden Schwelle im Zufahrtsbereich errichtete werden oder das an den Grundstücksgrenze Bepflanzung und eine leichte Anwallung als vorsorglicher Schutz entsteht. Das Gebiet stand Mitte Juli ebenfalls unter Wasser.