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„Angriff! Angriff! Knall sie ab, Bruder!“So lief der Prozessauftakt zu den Silvesterkrawallen in Bonn

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Nach der Silvesternacht kursierten etliche Videos der Randale aus Medinghoven im Internet.

Nach der Silvesternacht kursierten etliche Videos der Randale aus Medinghoven im Internet.

Eine Gruppe von 20 jungen Leuten soll sich über Messenger-Dienste gezielt zu dem Krawall und auch zur Gewalt gegen die Polizei verabredet haben.

„Heckenbrand am Europaring“ – mit dieser harmlosen Meldung begann in der Silvesternacht 2023 einer der spektakulärsten Einsätze der Bonner Feuerwehr. Denn als sich das Tanklöschfahrzeug kurz nach Mitternacht dem brennenden Buschwerk im Stadtteil Medinghoven näherte, wurde die Besatzung mit einem Hagel von Silvesterraketen und Böllern empfangen. Die vermummten und dunkel gekleideten Werfer standen hinter Containern und Mülltonnen. Der Truppführer befahl den Rückzug und forderte Polizeiunterstützung an, doch auch auf die zwei Beamten im ersten Streifenwagen prasselte Pyrotechnik nieder. Zwei weitere Polizeiautos fuhren vor, sie wurden ebenfalls beworfen. „Angriff! Angriff! Knall sie ab, Bruder!“ schrie es aus der Menge, die von anfangs 15 bis 20 Leuten zu einem Mob von bis zu 40 jungen Männern angewachsen war.

Zwölf der mutmaßlichen Täter hat die Kriminalpolizei ermittelt, sieben von ihnen müssen sich seit Dienstag vor einer Jugendkammer des Bonner Landgerichts wegen Landfriedensbruchs, tätlicher Angriffe und Widerstands gegen Einsatzkräfte sowie versuchter gefährlicher Körperverletzung verantworten. Das Verfahren gegen fünf weitere Beschuldigte wurde abgetrennt.

Die jetzt angeklagte Gruppe setzt sich aus zwei Jugendlichen (18 Jahre), vier Heranwachsende (bis 21 Jahre) und einem Erwachsenen (34) zusammen. Sie haben alle Migrationshintergrund, einige besitzen die doppelte Staatsbürgerschaft.

Französicher Spielfilm „Athena“ soll Auslöser gewesen sein

Zum Prozessauftakt erklärten die Verteidiger, dass sich ihre Mandanten zunächst zu ihrer Person äußern wollten, Einlassungen zu den Tatvorwürfen wurden für einen späteren der insgesamt neun Verhandlungstage angekündigt. Nur der 34-jährige Beschuldigte, der wegen mehrerer Jugenddelikte vorbestraft ist, will sich schweigend verteidigen. Ihm drohen laut Gesetz bei einer Verurteilung sechs Monate bis zehn Jahre Haft. Da die minderjährigen Angeklagten nur geringfügig oder gar nicht vorbestraft sind, könnten sie statt einer Jugendstrafe mit erzieherischen Maßnahmen davonkommen, sofern sie ein Geständnis ablegen, kündigte der Kammervorsitzende an. Mindestens einer der Angeklagten ist auf einem Video zu sehen, das von der Tat gedreht worden war.

Eine Gruppe von 20 jungen Leuten soll sich nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft über Messenger-Dienste gezielt zu dem Krawall und auch zur Gewalt gegen die Polizei verabredet haben. Auslöser soll ein französischer Spielfilm („Athena“) gewesen sein, in dem es um Jugendunruhen im Vorort einer Großstadt geht. So wie in dem Kinofilm wurden gegen Mitternacht in Medinghoven Barrikaden aus Müllcontainern und -tonnen errichtet und angezündet, Einsatzkräfte mit Feuerwerkskörpern und brennenden Autoreifen angegriffen. Erst einer Hundertschaft der Bereitschaftspolizei gelang es nach einer Stunde, die Randale zu beenden. Noch am Neujahrsmorgen wurde ein 19-jähriger Rumäne festgenommen, bei dem das Handy mit Nachrichten aus der Chatgruppe gefunden wurde.