„Luxus-Sanierung“SPD und Bürger für Beethoven fordern Baustopp für Beethovenhalle
- Die SPD will die Arbeiten an der Beethovenhalle stoppen, bis ein Konzept vorliegt, wie die Halle möglichst kostengünstig fertiggestellt werden kann.
- Der Hintergrund: Die Stadtverwaltung hatte am Freitag mitgeteilt, dass die Sanierungskosten auf 166,2 Millionen Euro steigen könnten und die Halle nicht vor 2022 fertig sein werde.
- Doch was bedeutet das konkret?
Bonn – Droht jetzt ein Baustopp an der Beethovenhalle? Die SPD-Fraktionsvorsitzende Angelika Esch hat am Dienstagabend in der Sitzung des Projektbeirats Beethovenhalle den Dringlichkeitsantrag eingebracht, alle Arbeiten, außer an Dach und der Fassade, einzustellen, bis ein Konzept vorliege, wie die Halle möglichst kostengünstig fertiggestellt werden kann.
Das lehnt die Jamaika-Koalition ab. Hardy Lohmeyer, der Fraktionssprecher der Grünen, sagte: „Das machen wir nicht“, denn ein Baustopp könne dazu führen, dass das Projekt am Ende noch teurer würde. Vielmehr soll es nun auf solidere Füße gestellt werden.
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Die Beratung über die Initiative der SPD dauerte bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe an. Auch der Vorsitzende des Vereins Bürger für Beethoven, Stephan Eisel, spricht sich für eine Baupause aus; die „Luxus-Sanierung“ müsse abgespeckt werden. Hintergrund: Die Stadtverwaltung hatte am Freitag mitgeteilt, dass die Sanierungskosten auf 166,2 Millionen Euro steigen könnten und die Halle nicht vor 2022 fertig sein werde. Was bedeutet das konkret?
Harte Kritik
Ein solches Arbeitszeugnis möchte niemand ausgestellt haben: fachliche Eignung, Berufserfahrung, spezielle Erfahrung im Denkmalschutz – alles nicht vorhanden, beurteilt die Firma Drees + Sommer das Architektenbüro NSA, das im Auftrag der Stadt Bonn zuständig ist für die denkmalgerechte Instandsetzung der Beethovenhalle. Drees + Sommer agiert als Projektsteuerer auf der Baustelle und hat solche und ähnliche Sätze über die Kollegen in einem Dokument für die Stadtverwaltung niedergelegt.
Wer es liest, fragt sich, warum die Bauherrin überhaupt einen Vertrag mit dem Objektplaner (Architekt) eingegangen ist, dessen Arbeit sie fast von Beginn an juristisch überprüfen lässt. NSA darf sich auf Wunsch der Stadt nicht äußern.
Terminchaos
„Unbestimmte und nicht funktionierende Planungsinhalte, unkoordinierte Bauprozesse, enorme Terminverzuge und Kostensteigerungen“ heißt es weiter in der „Problembeschreibung“ des Projektsteuerers. Er hat den Text mit dem Bild von Händen unterlegt, die einen Dirigentenstab halten – als ob da jemand wäre, der die Arbeiten auf der Baustelle harmonisch orchestriert. Doch in Wirklichkeit finde keine Objektüberwachung mehr statt, weil der von NSA mit der Koordinierung der Bauprozesse beauftragte Nachunternehmer aufgehört habe, teilt Drees + Sommer mit.
Der Architekt selbst hat sich mündlich und schriftlich von der Terminplanung seines Subunternehmers distanziert, so die Stadt in einer Beratungsvorlage für den Projektbeirat und den Stadtrat, der sich morgen mit dem Baudesaster beschäftigen muss. Ursprünglich sollte die Halle 2018 fertiggestellt sein, um dann 2019 fürs Beethovenjahr 2020 eingespielt zu werden. Noch am 30. April 2019 wurde der 18. Oktober 2021 als Datum der Objektübergabe genannt; mittlerweile geht die Verwaltung aber von Mitte 2022 aus.
Kündigungen
Wegen des Terminchaos haben mittlerweile fünf Firmen, die für technische Gewerke angeheuert worden waren, gekündigt. Nun drohe eine „Kettenreaktion“ anderer Handwerker, gar ein Baustillstand, warnt der Projektsteuerer und empfiehlt der Stadt dringend „Aufklärungsgespräche“ mit den noch gutwilligen Firmen aufzunehmen. Die Branche boomt, da wird kaum ein Betrieb lange ohne Auftrag bleiben. Drei der fünf Gewerke müssen zeitintensiv europaweit neu ausgeschrieben werden, mit den zwei übrigen Auftragnehmern werde verhandelt, so die Stadt.
Bauzustand
Die Rohbauarbeiten am Haupttrakt der Beethovenhalle sind nach Angaben der Stadt beendet, im Eingangsbereich und im Studio laufen weiter die Abbrucharbeiten, der Verbindungstunnel zwischen dem Erweiterungsbau und dem Haupttrakt ist bereits fertig. Die Decke des großen Saals muss verstärkt werden, weil eine Last von 32 Tonnen für Brandschutzummantelungen von Rohren in den Entwurfsskizzen nicht verzeichnet war. 200 000 Euro kostet allein die Absicherung des Dachtragewerks.
Folgen
Weil die Beethovenhalle voraussichtlich bis 2022 nicht zur Verfügung steht, muss das Beethovenfest weiterhin mit Interimsspielstätten vorliebnehmen, also Orchester im akustisch unzureichenden großen Saal des Konferenzzentrums WCCB oder in der Oper auftreten lassen. Das Opernhaus ist auch schon Konzertgastgeber für das Beethoven Orchester Bonn, dessen Generalmusikdirektor Dirk Kaftan noch nie in der Beethovenhalle aufgetreten ist. Er hat sein Amt 2017 angetreten. Die Bauarbeiten begannen im Jahr 2016.
Neues Büro
Wenn Situationen verfahren sind, kommt im Krimi öfter ein „Troubleshooter“ zum Einsatz, also ein Problemlöser. Troubleshooter der Stadt Bonn in der Beethovenhalle wird das Düsseldorfer Büro KHSP, mit dem sie bereits beim WCCB und beim Haus der Bildung zusammengearbeitet hat; auch das Objekte, die finanziell aus dem Ruder gelaufen waren. KHSP soll mögliche Schwachstellen auf der Baustelle identifizieren und vor allem verhindern, dass weitere Handwerker die Brocken hinwerfen.
KHSP hat ein Planungsbüro an der Hand, dass „bei fortdauernder Nichterbringung der geforderten Planungsleistungen“ einspringen und sie im Wege der Ersatzvornahme vorlegen kann. Soll heißen in Richtung NSA: Wir können auch anders. Nach juristischer Prüfung hat sich die Stadt im Übrigen entschlossen, dem Architekten nicht zu kündigen, weil das „unkalkulierbare Risiken“ berge, vor allem wohl bei den Honorarabrechnungen. Auch am Projektsteuerer Drees + Sommer soll festgehalten werden – „für eine Übergangszeit“, heißt es.