Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

„Krieg ist wie Krebs“Russisch-Orthodoxe Gemeinde Bonn distanziert sich von Putin

Lesezeit 3 Minuten

Pfarrer Eugen Theodor führt die russisch-orthodoxe Mariä-Schutz-Gemeinde in Bad Godesberg.

Bonn – Die Kirche am Rande des Marienforster Tals in Bad Godesberg wirkt von außen dunkel, als hätten sich die Backsteine, aus denen das Haus erbaut worden ist, der Farbe des umgebenden Waldes angepasst. Auch innen setzt sich der erste Eindruck fort, doch dann drückt Pfarrer Eugen Theodor auf einen Schalter und knipst rote Lämpchen an, die kyrillische Buchstaben bilden: „Christus ist auferstanden“ übersetzt er die blinkende Schrift.

Zur Person

Pfarrer Eugen Theodor wurde 1981 in Wolgograd geboren und hat dort eine Lehre als Schiffbauer gemacht. 2004 kam er als sogenannter Wolgadeutscher nach Deutschland, wo er an der katholischen Hochschule in Köln Theologie studierte. 2006 wurde er zum Diakon, 2010 zum Priester geweiht, seit 2014 ist er Pfarrer. Theodor ist verheiratet und hat fünf Kinder.

Die Mariä-Schutz-Gemeinde hat nach Angaben ihres Vorstehers etwa 4000 Mitglieder, die nicht nur in Bonn oder im Rhein-Sieg-Kreis wohnen, sondern auch im Bereich Kerpen, Düren, Koblenz und Neuwied. Die Gemeinde ist multinational, zu ihr gehören Russen, Ukrainer, Belorussen, Moldawier, Kasachen, Kirgisen, Georgier und auch Deutsche. Oberhirte ist Erzbischof Tichon, der Leiter der Diözese von Berlin und Deutschland. (dbr)

Es ist der Ostergruß der orthodoxen Christen, angebracht über einer von drei Türen der Ikonostase, einer hölzernen Wand, die zwischen dem inneren Kirchenschiff und dem Altarraum steht. Golden und silbern glänzende Ikonen, die den segnenden Jesus oder Heilige zeigen, sind daran befestigt und strahlen im Schein der Lampen.

Ein Bild des österlichen Friedens also.

Seelsorger distanzierte sich öffentlich von Putin

Und doch lässt der Krieg in der Ukraine auch die russisch-orthodoxe Mariä-Schutz-Gemeinde Bonn nicht unberührt. Beinahe täglich klopfen ukrainische Flüchtlinge an die Tür der Heiligen-Elena-Kirche, einem früheren evangelischen Gotteshaus, das aus Spenden von Gemeindemitgliedern gekauft und 2017 geweiht worden ist. Pfarrer Theodor sagt, er müsste eigentlich 24 Stunden im Einsatz sein, um für die Neuankömmlinge zu sorgen. Sein Handy steht nicht still, immer gibt es etwas zu organisieren: eine Wohnung finden, eine Sachspende weiterleiten, ein Behördenformular ausfüllen.

Mittwochs und freitags werden im Kaminzimmer, einem Nebenraum der Kirche, Sprachkurse für Ukrainer angeboten. Die Flüchtlinge seien in der Mehrzahl Frauen mit Kindern, die Väter seien im Krieg. Viele Frauen wüssten, dass die Ehemänner gefallen seien, aber das könnten sie den Kindern nicht erzählen: „eine Familienkatastrophe“, so der Seelsorger, der bei solchen Nachrichten meistens nur Trost spenden kann.

Das könnte Sie auch interessieren:

Er hat am 1. März auf der Internetseite der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) Bonn, deren Vorstand er angehört, eine bemerkenswerte Erklärung veröffentlicht, in der er den Krieg verurteilt und sich von Putin und auch vom Moskauer Patriarchen Kyrill II. distanziert: „Wir wollen als russisch-orthodoxe christliche Gemeinde nicht als ,Vertreter der Kreml-Politik „angesehen, gedacht oder eingeordnet werden. Das sind wir nicht! Wir beziehen keine finanzielle Hilfe von der russischen Regierung, finanzieren unsere Gemeinde aus freiwilligen Spenden und sind sehr stolz darauf, unabhängig zu sein.“ Die Gemeinde bedauere „zutiefst, was in der Ukraine geschieht. Wir sind bestürzt und fassungslos“.

Er habe nach dieser Veröffentlichung keine Schwierigkeiten bekommen, sagt der Pfarrer, auch nicht vom russischen Generalkonsulat, das ein paar hundert Meter weiter im Bonner Stadtteil Schweinheim sitzt. „Ich habe gute Kontakte dahin“. Jede Gemeinde dürfe ihre eigene Meinung äußern, auch er als ihr Leiter: „Ich habe „Krieg Krieg genannt.“ Er setze sich für den Frieden ein, ganz im Sinne der Botschaft des Evangeliums, in dem Jesus Christus von Frieden und Liebe spreche. In der Kirche selbst dürfe kein Platz sein für Politik, sie sei ein Ort des Gebets. „Im 20. Jahrhundert haben wir zwei Weltkriege erlebt, deshalb haben die Menschen nicht das Recht, noch einen Krieg zu führen.“ Krieg sei wie Krebs, „und Krebs ist nicht gut“, sagt der 41-Jährige.